Höhepunkt oder Pause? Die SNB hat an ihrer Sitzung im September genau wie die US-Notenbank Federal Reserve das Zinsniveau nicht angerührt. Anlegerinnen und Anleger von Luzern bis Los Angeles spekulieren nun darüber, ob die beiden Zentralbanken damit ihren Zinserhöhungszyklus beendet oder bloss eine Pause eingelegt haben. Die EZB dreht unterdessen weiter an der Zinsschraube. Experten suchen in jedem einzelnen Wort akribisch nach Hinweisen. Vergessen Sie all das! Ob die Zentralbanken eine längere Pause einlegen, erneut die Zinsen erhöhen oder sie senken – das alles ist kaum von Bedeutung. Und ihre Kommentare noch weniger. Wir erklären, warum.

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Viele gehen davon aus, dass die Zentralbanken mit einer Menge kluger Köpfe und institutionalisierter Prozesse allwissend sind. Falsch! Nehmen wir den SNB-Präsidenten Thomas Jordan. Er meinte, die Forderungen der Schweizer Gewerkschaften würden das Risiko einer Lohn-Preis-Spirale in diesem Sommer erhöhen. Unsinn. Der Nobelpreisträger Milton Friedman hat in den 1960ern diese Auffassung widerlegt. Die Löhne folgen der Inflation, aber sie weisen ihr niemals die Richtung. Bester Beleg: Seit Februar 2023 sinkt die Inflation in der Schweiz ungeachtet des beschleunigten Lohnwachstums. Dasselbe gilt für Grossbritannien, Japan, die USA und weltweit.

Der Gastautor

Ken Fisher ist Gründer und Executive Chairman von Fisher Investments, einer Vermögensverwaltungsfirma mit Niederlassungen weltweit, die über 211 Milliarden Dollar verwaltet. Fisher zählt zu den einflussreichsten (und auch reichsten) Investmentmanagern der USA.

Die Äusserungen der Zentralbanken sind weder ein Dogma noch sind ihre geldpolitischen Entscheidungen so bedeutend wie oft vermutet. Die Zentralbanken reagieren mehr, als dass sie aktiv etwas bewegen. Die Konjunktur- und Marktbedingungen treiben sie an, nicht umgekehrt. Warum? Weit verbreitete Erwartungen werden im Voraus eingepreist. Und weil die Zentralbankerinnen und Zentralbanker aus ähnlichen Schulen kommen, ticken sie auch gleich.

Nehmen wir die «Forward Guidance», mit der die Zentralbanken künftige Entscheidungen signalisieren. Ihr Ziel: Überraschungen zu vermeiden. Stattdessen stiften sie in der Regel Verwirrung, wenn die Entscheidungen von den Prognosen abweichen. Während die SNB eher wortkarg ist, sind es die EZB und die Fed nicht. 2022 meinten beide, der anfängliche Anstieg der Inflation würde rasch vergehen. Ende 2021 erklärte EZB-Präsidentin Christine Lagarde: «Es ist äusserst unwahrscheinlich, dass die Bedingungen für eine Zinsanhebung nächstes Jahr erfüllt sein werden.» Im Juli 2022 hob die EZB den Leitzins um 50 Basispunkte an. Dies war der erste von zehn Zinsschritten! Im Mai 2022 verkündete die Fed, sie würde über Zinserhöhungen um 75 Basispunkte «nicht einmal nachdenken». Aber genau das tat sie im Juni und danach noch dreimal im letzten Jahr! Der frühere Chef der britischen Notenbank, Mark Carney, und sein Nachfolger Andrew Bailey erhielten nach ihrer wechselhaften Geldpolitik den Spitznamen «unzuverlässige Freunde». Wenn die Verantwortlichen der Zentralbanken den nächsten Schritt nicht kennen, wie sollen Sie es dann?

Sie können es nicht. Viele versuchen es dennoch. Indem sie jede noch so winzige Äusserung der Notenbankchefs auf Hinweise durchleuchten. Die Zinspausen der SNB und der Fed wurden mitunter als «hawkische Pausen» bezeichnet. Nichts als eine leere Worthülle. Alle versuchten, die tiefere Bedeutung zu ergründen und Hinweise zu finden. Sparen Sie sich die Mühe!

Selbst wenn Sie die künftigen geldpolitischen Schritte erahnen könnten, würde es nicht viel helfen. Denn die Massnahmen der Zentralbanken bestimmen nicht den Wirtschaftskurs. Banken leihen sich kurzfristig Geld, um längerfristige Darlehen zu finanzieren. Zinserhöhungen treiben theoretisch die kurzfristigen Finanzierungskosten von Banken nach oben. In der Folge kühlen sich Kreditvergabe und Wachstum ab. Die Realität? Auch nach den Bankpleiten Anfang 2023 ist das Einlagenniveau unverändert enorm und die Finanzierungskosten verharren so auf niedrigem Niveau – trotz kräftigen Zinsanhebungen.

Ja, die Kreditvergabe in der Schweiz hat sich verlangsamt. Gleichwohl ist sie unverändert positiv. Weltweit ist die Kreditvergabe intakt. Die aktuellen wöchentlichen US-Zahlen zeigen einen Anstieg um 4,7 Prozent im Jahresvergleich. Das liegt unter den Höchstständen des letzten Jahres, ist aber dennoch solide.

Davon abgesehen ist die Macht dieses Straffungszyklus über den Markt verpufft. Bis zum 20. September lag der SPI 5,6 Prozent über dem Niveau vor der Straffung im Juni 2022. US-Aktien sind in Dollar fast auf das Niveau vor den Zinserhöhungen seit Oktober geklettert. Euro-Zone-Aktien notieren in Euro 18,5 Prozent höher als vor den Leitzinserhöhungen der EZB.

Fürchten Sie sich also nicht vor dem Gerede der Zentralbanken, egal ob diese «restriktive» oder «milde» Töne anschlagen oder einfach in Rätseln sprechen. Die Fixierung auf die Zentralbanken offenbart Pessimismus. Er verhilft Aktien nach oben, entlang der «Mauer der Angst», die neue Bullenmärkte bekanntlich emporklettern.

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