Handelsstreit, Iran-Konflikt, Börsenrekorde, WEF 2020 mit Donald Trump: Die Märkte mussten in den letzten Wochen viele Nachrichten verarbeiten. In diesem Nachrichtenfluss ging die Aufwertung des Frankens fast etwas unter. Dabei ist der neue Schwung der Schweizer Währung ein Resultat dieser Ereignisse. Jetzt notiert die Schweizer Währung gegenüber dem Euro wieder unter der 1,07-Marke – das erste Mal seit April 2017.

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Und jetzt noch dies: Das in China grassierende Coronavirus sorgt weltweit für Verunsicherung. Es treibt die Anleger scharenweise in sichere Anlagen.

Auch der Yen wertet auf

«Aktuell sind am Markt 'Risk-Off'-Bewegungen sichtbar, die durch das Corona-Virus ausgelöst wurden», sagt Ulrich Leuchtmann, Devisenexperte von der Commerzbank. Heisst: Die Anleger sind vorsichtig und flüchten vermehrt in sichere Häfen wie den Schweizer Franken. Auch der japanische Yen, der in Krisenzeiten vermehrt gekauft wird, wertet seit Wochen auf.

Der zweite Grund dürfte darin liegen, dass die Nationalbank SNB neuerdings wieder auf der Watchlist der USA steht. Dabei kommen Staaten unter Beobachtung, die sich in den Augen von Washington der Währungsmanipulation schuldig machen oder gemacht haben. Den USA sind die Devisenmarktinterventionen der SNB ein Dorn im Auge. Hintergrund: Die SNB kauft am Markt seit Jahren Fremdwährungen, vor allem Euro, um den Franken zu schwächen.

«Der Handlungsspielraum der SNB ist nun wegen der US-Watchlist eingeschränkt. Die SNB will nicht provozieren, angeklagt zu werden», sagt UBS-Devisenexperte Thomas Flury

Was wagt die SNB?

Die Folge: Die SNB kann sich nicht richtig gegen einen aufwertenden Franken wehren. Genau das wissen die Anleger und Spekulanten – und kaufen die Schweizer Währung fleissig weiter. Das sei an sich noch kein grösseres Problem, sagt Thomas Flury. Doch der Safe-Haven-Effekt werde durch die derzeitigen Unsicherheiten am Markt verstärkt.   

Für Commerzbank-Experte Leuchtmann ist die entscheidende Frage, «inwieweit die SNB sich traut, am Markt zu intervenieren». Letzte Woche gab es laut dem Commerzbank-Experten eine Phase, in der die SNB am Markt interveniert habe, was allerdings ohne grosse Wirkung blieb. Für ihn hat die Schweizer Notenbank damit einen Fehler begangen. Denn: Die SNB interveniere meistens, um lediglich ein kurzfristiges Zeichen zu setzen. Die langfristige Bewegung werde dadurch nicht wirklich beeinflusst, so Leuchtmann.

Ganz oder gar nicht

Das sei in dieser Phase allerdings nicht angebracht. «In einer Phase, wo am Markt Zweifel herrschen, ob die SNB zu Interventionen bereit ist, sollte die SNB eher nach der Devise vorgehen: Entweder interveniere ich richtig, sodass es einen langfristigen Effekt gibt. Oder ich lass' es ganz bleiben.»

Und wie geht es weiter mit dem Franken? Flury geht davon aus, dass sich die Schweizer Währung mittelfristig gegenüber dem Euro in der Spanne zwischen 1,05 und 1,10 Franken bewegen wird. «Solange der Kurs nicht unter 1,05 fällt, ist alles noch im normalen Rahmen.» Allerdings sieht der UBS-Experte den Franken noch immer als überbewertet an. Die UBS schätzt den fairen Wert auf 1,20 Franken.

«Franken bei 1,12»

Für Leuchtmann ist der faire Wert des Frankens zum Euro wegen der Unsicherheiten in der Eurozone schwer ermittelbar. Doch auch er sieht allgemein eine Überbewertung. «Wenn die Aufregung in der EU mal vorbei ist, sehe ich den Franken bei 1,12.»

Einer der wenigen Experten, die den Franken als unterbewertet erachten, ist Anastassios Frangulidis, Chefstratege von Pictet Asset Management. Im Dezember erklärte er im Interview mit cash, warum er den fairen Euro-Franken-Kurs bei 1,04 sieht.

Der Euro-Franken-Kurs habe sich in den letzten zehn Jahren nicht massiv verändert, während die Inflation hierzulande deutlich tiefer ausgefallen sei als in der Euro-Zone, so Frangulidis. «Real gesehen ist der Franken also definitiv nicht teurer geworden.» Laut dem Pictet-Chefstrategen ist der Franken sogar unterbewertet. Und das heisst: «Die Schweizer Wirtschaft könnte auch mit einem höheren Frankenkurs leben.»