Dass das Angebot an Wohneigentum wächst, liegt kaum an der Neubautätigkeit. Denn diese ist relativ tief: Lediglich 11300 Eigentumswohnungen wurden 2023 neu bewilligt. Das entspricht einem Rückgang von 24 Prozent im Vergleich zum Durchschnitt der vorangegangenen zehn Jahre, wie Wüest Partner (WP) am Donnerstag in ihrem Immo-Monitoring 2024 mitteilt. Nicht substanziell anders sieht es bei den Einfamilienhäusern aus. 5900 Bewilligungen für neue Häuser wurden 2023 erteilt - ein Minus von 22 Prozent im Vergleich zum Durchschnitt der letzten Dekade.
Dennoch berichten die Immobilienberater von einem wachsenden Angebot an Wohneigentum. Der Grund: Oftmals liegen die Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern so weit auseinander, dass Transaktionen nicht zustande kommen. In der Folge bleiben Angebote auf dem Markt - während ein Teil der Nachfrage ungedeckt bleibt.
Robert Weinert, Leiter Research bei Wüest Partner, erklärt, dass die Zurückhaltung bei den Wohneigentumskäufern nicht nur am Können, sondern auch am Wollen liegt. Unter den Käufern gebe es einerseits solche, die von ihrer Bank keine Finanzierung erhalten. «Andererseits haben in den letzten zwei Jahren immer mehr Käufer den Preis nicht bezahlen wollen.» Sie scheuten das Risiko, dass sie später Verluste aufgrund von sinkenden Eigenheimpreisen hinnehmen müssten.
Bei den Differenzen zwischen Verkaufswilligen und Kaufinteressenten handelt es sich grundsätzlich um ein schweizweites Phänomen. Ausnahmen bilden aufgrund des Zweitwohnungsmarktes Tourismusregionen wie das Wallis. Der WP-Research-Leiter ordnet weiter ein: «Dass Käufer immer öfter eine Transaktion aufschieben, deutet auf eine Normalisierung am Immobilienmarkt hin.» Denn in den letzten rund zehn Jahren sei praktisch alles gekauft worden, was angeboten worden sei. «Das war ausserordentlich und nicht unbedingt gesund.»
Preise steigen weiter
Im Weiteren zeigt das Immo-Monitoring: Wenn sich Käufer und Verkäufer finden, dann zu höheren Preisen. Für Eigentumswohnungen beträgt der Preisanstieg im Jahr 2023 drei Prozent. Einfamilienhäuser wurden um 1,5 Prozent teurer.
Dabei gibt es regionale Unterschiede. Eigentumswohnungen haben sich in Obwalden, Schwyz und Zug qualitätsbereinigt um über 8 Prozent verteuert, in Basel-Stadt und Genf wurden sie hingegen günstiger. In Zürich lag das qualitätsbereinigte Preiswachstum mit etwas über 2 Prozent unterhalb des Schweizer Durchschnitts.
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Einfamilienhäusern. Sie wurden beispielsweise in Appenzell-Innerrhoden qualitätsbereinigt um 12 Prozent teurer, in Basel-Land und Obwalden dagegen günstiger. In Zürich lag das qualitätsbereinigte Preiswachstum bei über 2 Prozent und damit über dem schweizweiten Durchschnitt.
Für das laufende Jahr werden weiter steigende Preisen für Wohneigentum erwartet. WP prognostiziert ein Plus von 2,5 Prozent bei Eigentumswohnungen und eine Zunahme von 1,5 Prozent bei Einfamilienhäusern. Damit ist die Zürcher Immobilienberatung positiver gestimmt als die Ökonomen der UBS. Diese erwarten laut dem im April veröffentlichten «Real Estate Focus 2024» ein Plus von 1,5 Prozent für Eigentumswohnungen und 1,0 Prozent für Einfamilienhäuser im Gesamtjahr 2024.
Dabei haben die Häuserpreise bereits jetzt eine für viele kritische Höhe erreicht: Aktuell liegt der Median der Angebotspreise 27 Prozent über dem Niveau, das ein Durchschnittshaushalt finanzieren kann, schreibt WP. Für annähernd 80 Prozent der Haushalte gestalte sich damit die Suche nach einem bezahlbaren Einfamilienhaus ausserordentlich schwierig.
Gemischte Aussichten auf Belebung des Wohnungsneubaus
Robert Weinert weisst darauf hin, dass die Lage für Eigenheiminteressierte wieder drängender werden kann: «Wenn nicht bald mehr neuer Wohnraum entsteht, könnten sich Käufer wieder eher zum Eigenheimerwerb gezwungen sehen. Denn aufgrund der Wohnungsknappheit können sie nicht ohne Weiteres auf eine Mietwohnung ausweichen.»
Trotz gesunkener Zinsen gehen Immobilienexperten kurzfristig nicht von einer schnellen Belebung des Wohnungsneubaus aus. Und auf mittlere bis längere Sicht präsentiere sich ein gemischtes Bild: Einerseits hätten sich etwa die Baupreise, die 2022 stark gestiegen sind, auf hohem Niveau stabilisiert. Das kann den Wohnungsneubau begünstigen. Andererseits verlangsamen zeitaufwändige Baubewilligungsverfahren und zunehmender lokaler Widerstand gegen Grossprojekte die Neubautätigkeit.
Infolge des Rückgangs im Wohnungsneubau werden Investitionen vermehrt in Umbauprojekte gelenkt. Angetrieben wird dieser Trend etwa auch durch das Alter vieler Immobilien sowie dadurch, dass Investoren sich zunehmend auf Nachhaltigkeitsziele fokussierten. Die Zahl der Umbaugesuche für Wohnungen in Mehrfamilienhäusern hat nach dem Tiefpunkt Ende 2020 bis Ende 2023 zugenommen, und zwar um 89 Prozent. Jedoch wird das Potenzial beim Umbau derzeit nicht ausgeschöpft.
Dieser Artikel erschien zuerst auf cash.ch unter dem Titel: «Käufer und Verkäufer finden sich beim Wohneigentum in der Schweiz oft nicht».