Was, wenn der Name auf der Kreditkarte nicht zur eigenen Identität passt? Für Menschen, die sich nicht mit ihrem biologischen Geschlecht identifizieren, kann jeder Bezahlvorgang zum Spiessrutenlauf werden. Beim Posten, in der Bar, auf Reisen: Äusserlich mögen sie etwa längst als Mann wahrgenommen werden – wenn auf der Bezahlkarte aber noch immer «Sabine» steht, sind sie schnell verletzenden Blicken oder kritischen Fragen ausgesetzt.
Abhilfe schafft das «True Name»-Feature von Mastercard. Seit 2019 bietet der Zahlungsdienstleister den Service an. Bei teilnehmenden Banken können Personen auch dann einen selbstgewählten Vornamen verwenden, wenn eine rechtsgültige Namensänderung (noch) nicht erfolgt ist. In Deutschland machen bisher die GLS Bank und das Startup Bunq mit.
Auch in der Schweiz gibt es Bedarf. 103’000 bis 154’000 Menschen mit nonbinärer Geschlechtsidentität gebe es hierzulande, schätzte die Nationale Ethikkommission in einem Bericht 2020. Die tatsächliche Zahl könnte eher noch höher liegen.
Und das Thema dürfte an Bedeutung gewinnen: In der Generation Z identifiziert sich laut einer Mastercard-Studie sogar rund jeder Zehnte (9,5 Prozent) als «non-binary». Sogar noch etwas mehr der Befragten (12 Prozent) stört es, dass ihr Geschlecht im Personalausweis, auf der Bank- oder Kreditkarte vermerkt oder erkennbar ist.
Doch bei den Schweizer Banken ist die Offenheit fürs Thema gemischt. Das zeigt eine Umfrage der «Handelszeitung». Besonders die traditionellen Banken tun sich schwer mit Namensänderungen und der wachsenden LGBTIQ+-Community.
Postfinance will Flexibilität bei Kartenmamen prüfen
Während UBS und CS auf Nachfrage zum aktuellen Umgang und möglichen Plänen für die unkomplizierte Namensänderung nicht antworten, verweist die Zürcher Kantonalbank auf die Viseca als Kartenherausgeberin.
Raiffeisen teilt mit, dass für Kundinnen und Kunden bereits heute die Möglichkeit bestehe, den Namen auf einer Debit- oder Kreditkarte von Raiffeisen anzupassen.
Auch die Postfinance zeigt sich offen: «Vielfalt und Inklusion sind für uns als Postfinance wichtig. Es ist uns deshalb ein Anliegen, dass wir alle Menschen, unabhängig von ihrem Geschlecht und ihrer Geschlechterneutralität, ansprechen und so ein Zeichen für Offenheit und Fairness setzen können. Wir werden dies deshalb prüfen», sagt Postfinance-Sprecher Rinaldo Tibolla.
Die Migros Bank dagegen hält für die Personenangaben auf Kreditkarten an den offiziellen Namensbezeichnungen fest. «Wir bieten «True Name» nicht an. Es handelt sich um ein Feature für Kreditkarten von Mastercard. Dagegen basiert das Kreditkartensortiment der Migros Bank überwiegend auf Visa-Karten, nämlich auf der Cumulus Kreditkarte und auf der Visa Free.»
Bei jenen Banken, die vor allem um jüngere Menschen werben, ist das Thema wenig überraschend deutlich fortgeschritten. «Die Einführung des True-Name-Features wäre für Yuh denkbar», sagt CEO Markus Schwab, der die Finanz-App von Swissquote und Postfinance verantwortet. Schon jetzt sei man flexibel, «soweit dies die regulatorischen Anforderungen zulassen».
Auch bei der Bank Cler könne die Namensgebung auf der Karte «gemäss Kundenwunsch» individuell angepasst werden. Mit einer Einschränkung, sagt Sprecherin Natalie Waltmann: «Ob die Karte anschliessend vom Händler akzeptiert wird (zum Beispiel wenn die Vorlage einer ID verlangt wird), liegt ausserhalb unseres Einflussbereichs.»
Was im Ausweis steht, zählt
Genau dabei beisst sich die Katze in den Schwanz. Denn in der Schweiz fehlt bislang ein Ergänzungsausweis, wie ihn etwa die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität anbietet. Das Dokument hilft Trans-Personen schon vor der offiziellen Namens- und Personenstandsänderung dabei, sich etwa bei einer Personenkontrolle entsprechend der eigenen geschlechtlichen Verortung auszuweisen und ist bei sämtlichen Innenministerien, bei der Polizei, vielen Behörden, Banken, Universitäten, Versicherungen und anderen Stellen bekannt und akzeptiert.
Und so heisst es beim Fintech Neon, dass es aufgrund der mit der Schweizer Partnerbank abgestimmten Compliance-Vorgaben derzeit «nicht möglich» sei, anderslautende Namen als die auf den offiziellen Ausweispapieren genannten aufzudrucken, erklärt Neon-Sprecher Julius Kirscheneder. Hinter dem Fintech stehen unter anderem die Hypthekarbank Lenzburg und die TX Group.
Auch wenn in den letzten Jahren nur «eine knappe Handvoll an Fragen» zu dem Thema kam, sehe man bei Neon aber Handlungsbedarf. «Wir haben es intern bereits mehrfach diskutiert, da wir den Hintergrund und die Problematik im persönlichen Alltag sehr gut nachvollziehen können», so der Neon-Sprecher.
Während die ersten Umsetzungen in der EU «spannend» seien und unterschiedliche Herangehensweisen zeigten, löst man das Problem bei Neon bislang auf dem kleinen Dienstweg. «Wir sind möglichst flexibel und kulant bei der Auswahl eines speziellen Vornamens bei mehreren Vornamen auf dem Ausweis», sagt Kirscheneder. Ein ähnliches Problem kann durchaus auch bei «offiziellen Namen» entstehen: etwa bei langen, vielfältigen Nachnamen. Mit den Kundinnen und Kunden stimme man sich dann einfach in Bezug auf Auswahl oder Abkürzungen ab.