Wir sollten für diese Menschen beten, damit sie Christen werden und erkennen, dass sie auf dem falschen Weg wandeln.» Das Zitat stammt nicht aus der Bibel, sondern von Bill Van Allen, Präsident des US-Anlagefonds Noah. Und um Erleuchtung beten will der Amerikaner für fehlgeleitete Berufskollegen, nämlich die Manager so genannter «vice funds». Diese Lasterfonds investieren in Firmen der Bereiche Tabak, Glücksspiel, Alkohol, Sex, Verhütungsmittel, Rüstung oder Fastfood.
Die politisch höchst unkorrekten Anlagen zahlen sich aus. So hat ein mit derartigen Titeln gefüllter Aktienkorb innerhalb einer Periode von fünf Jahren die Performance des Börsenindex S&P 500 ums Fünffache übertroffen. Ein weiteres Beispiel: Wer vor zwanzig Jahren 10 000 Dollar in den Invesco Leisure Fund gesteckt hat, darf sich bis heute an einem Wertzuwachs von über 230 000 Dollar erfreuen. Wer den gleichen Betrag in den S&P 500 investierte, ist nur um 107 000 Dollar reicher geworden. Der Kurs des Noah Fund, der nach ethischen und christlichen Grundsätzen investiert, ist dagegen trotz besten Kontakten nach ganz oben innerhalb der vergangenen fünf Jahre um über 40 Prozent in die Tiefe gerauscht.
Das Socially Responsible Investing hat sich in den neunziger Jahren vor allem in den Vereinigten Staaten zum grossen Schlagwort entwickelt. Kaum ein breit ausgerichteter Anlagefonds, der nicht in ellenlangen Listen festhält, in welchen Sektoren er auf keinen Fall investiert. Doch Bert Brechts Erkenntnis «Erst kommt das Fressen, dann die Moral» gilt auch für amerikanische Anleger, die in erster Linie an einer guten Performance interessiert sind. «Diesen Investoren können wir helfen. Denn unsere Performance lässt sich durchaus sehen», meint Dan S. Ahrens gegenüber BILANZ. Eine nette Untertreibung. Der von ihm gemanagte US-Fonds, dessen Name – The Vice Fund – Programm ist, erwirtschaftete im vergangenen Jahr eine Rendite von 24,4 Prozent, im Jahr davor hatten gar 34,4 Prozent resultiert.
The Vice Fund verwaltet 23 Millionen Dollar. Ein für amerikanische Verhältnisse nicht allzu üppiges Vermögen. Nur zieht es mancher Anleger vor, auf Lasterfonds mit weniger exzentrischen Namen zu setzen. So auch der legendäre Investor Sir John Templeton. Sein Freund Burton Morgan gründete 1979 den Fonds Morgan Sin Shares. Sogar als sich die sündigen Investments in dicken Renditen niederzuschlagen begannen, liess sich der religiöse Sir John nicht zum Einstieg bewegen; er störte sich am Wort «Sin», also Sünde. Schliesslich überwies Templeton doch noch einen namhaften Betrag – nachdem der Fondsname in Morgan Fun Shares abgeändert worden war.
Nicht nur Lasterfonds, auch die meisten Aktien von Unternehmen mit sündhaftem Tätigkeitsgebiet wissen mit ansprechenden bis höchsten Renditen zu überzeugen. So glänzen die beiden Casinobetreiber MGM Mirage und Station Casinos mit Kursgewinnen von über 80 Prozent. Innert Jahresfrist. Die Papiere der Tabakkonzerne kommen, trotz weltweiter Ächtung des Rauchens, ebenso auf eine anständige Performance.
Kaum Höhepunkte lassen sich dagegen unter den Sexaktien ausmachen. Nicht dass die Triebe ermattet wären und die Nachfrage geschrumpft, denn Erotik kennt keine konjunkturellen Kontraktionen. Vielmehr scheint das Geschäft mit der Lust überdurchschnittlich häufig Managementfehler zu provozieren.
So ist bei Condomi einiges geplatzt. Wegen fehlgeleiteter Wachstumsstrategien und schlaffer Innovationsfreude geriet der Kölner Kondomhersteller in finanzielle Schräglage und muss saniert werden. Lange sah es so aus, als ob der deutsche Erotikkonzern Beate Uhse den Verhüterli-Produzenten übernehmen würde. Doch Mitte 2004 zog sich Europas grösstes Seximperium abrupt zurück. Kein Wunder, denn nach teuren Pannen und Fehlentscheiden hat Uhse selbst zu kämpfen. Dabei wurde der Börsengang des Unternehmens 1999 noch als «Kultereignis» («Der Spiegel») gefeiert. Sechs Jahre danach ist niemand mehr scharf auf die Aktien.
Für weltweit höchste Erregung hat ein weiterer Börsengang gesorgt: Vor zwei Jahren öffnete sich das australische KMU Daily Planet, laut Eigenwerbung «das exklusivste Bordell in der südlichen Hemisphäre», dem Publikum. Der Erfolg war durchschlagend: Innert kürzester Zeit schoss der Kurs ums Dreifache in die Höhe. Nur bewies die Aktie wenig Stehvermögen. Heute notiert sie 75 Prozent unter ihrem Höhepunkt. Den Umschwung von Lust zu Frust hat die Geschäftsführung des Nobelpuffs zu verantworten. Geblendet von einer durch das Going-public prallvollen Kasse, wurde fleissig in der freudvollen Branche hinzugekauft. Als die Erträge mit den Umsätzen nicht Schritt zu halten vermochten, wechselte das Management den Firmennamen und schrieb Liegenschaften zum Verkauf aus.
Von Rohrkrepierern wie Beate Uhse, Condomi und Planet Platinum abgesehen, sind lasterhafte Aktien aus den Bereichen Sex, Glücksspiel, Tabak, Alkohol oder Rüstung Viagra fürs Depot. Dabei ist allerdings ein Blick auf den Beipackzettel zu empfehlen: nur in massvollen Dosierungen geniessen, die überdurchschnittlichen Risiken beachten! Gerade Sexaktien sind ausgesprochene Liebhabertitel. Und wem die Auswahl schwer fällt, kann sich an Anlagefonds halten. Allerdings werden die meisten der aufgeführten Fonds von Schweizer Banken nicht direkt angeboten. Interessenten müssen also ihren Anlageberater nach den entsprechenden Titeln fragen.