Die Auswirkungen ihrer Massnahmen können die Geldpolitiker der Schweizerischen Nationalbank gleich nebenan beobachten. Die Edelboutique Bongénie-Grieder am Paradeplatz in Zürich bietet in ihren Schaufenstern Rabatte bis zu 20 Prozent auf Marken wie Burberry, Versace oder Armani - wegen des starken Franken. Die Kunden dürften sich darüber freuen. Aber es wird auch deutlich, wie schwer es den Zentralbankern nun fällt, die Konsumentenpreisinflation anzuheizen.
Die Entscheidung der SNB vom Januar, den Mindestkurs für den Euro von 1,20 Franken je Euro aufzugeben, wirkt sich mittlerweile aus. Importgüter wie Autos oder Lebensmittel werden billiger. Das verschärft den Rückgang der Inflationsrate. Denn bereits vor Abschaffung des Franken-Deckels am 15. Januar hatte die SNB prognostiziert, dass sie dieses Jahr unter null bleiben wird.
Fahrt nach unten
«Wenn sich der Franken von seinem derzeitigen Stand von etwa 1,05 je Euro nicht wegbewegt, dann dürften wir sicherlich eine negative Inflation bekommen», sagt David Marmet, Ökonom bei der Zürcher Kantonalbank in Zürich. «Manche Geschäfte haben bereits ihre Preise gesenkt, und manche werden es noch tun müssen. Das wird Auswirkungen auf das Preiswachstum haben.»
Im Januar setzten die Konsumentenpreise ihren Weg nach unten fort und fielen um 0,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr, wie das Bundesamt für Statistik mitteilte. Damit bleibt der Rückgang zwar hinter den minus 0,6 Prozent zurück, die Ökonomen in einer Bloomberg-Umfrage erwartet hatten. Trotzdem handelt es sich um den stärksten Rückgang seit Mai 2013. Die saisonbereinigte Arbeitslosenquote verharrte laut Statistikamt im Januar bei 3,1 Prozent. Die Schweiz verzeichnete in den letzten drei Jahren bereits jährliche Rückgänge bei den Konsumentenpreisen.
Währungs-Rabatt bei Autos
Seit die SNB im Januar den Euro-Mindestkurs abschaffte, hat der Franken zum Euro rund 15 Prozent aufgewertet. Dadurch wird das Einkaufen im Ausland attraktiver. Um ihre Kunden zu halten, greifen die Einzelhändler daher zu radikalen Massnahmen. So haben die Supermärkte Migros und Coop ihre Preise für Importprodukte aus dem Euroraum um rund zehn Prozent gesenkt. Daimler gibt Rabatte von 18 Prozent auf Autos der Marken Mercedes und Smart. Die Autohandelsgruppe Amag, die unter anderem Fahrzeuge der Marken Volkswagen, Audi, Porsche und Skoda anbietet, gewährt 15 Prozent Währungs-Rabatt.
«Erwartungen unserer Kunden»
«Wir erfüllen die Erwartungen unserer Kunden», liess Amag- Sprecherin Roswitha Brunner wissen. Der Markt erwarte einen Ausgleich für den Währungseffekt nach solch einem drastischen Euro-Verfall.
Nach der Aufhebung des Euro-Mindestkurses hat die SNB noch keinen neuen Inflationsausblick herausgegeben. Im Dezember, als der Franken-Deckel noch galt, prognostizierte sie für 2015 einen Rückgang um 0,1 Prozent. SNB-Vizepräsident Jean-Pierre Danthine sagte in einem Interview in der Zeitung «Tages-Anzeiger» Ende Januar, die Preisrückgänge seien temporär.
Längerer Preisverfall hat Folgen
Sollte der Preisverfall aber andauern, könnte das die Preiserwartung der Verbraucher beeinflussen. Sie könnten dann ihre Ausgaben zurückfahren und so die Konjunktur gefährden. Bislang haben die Konsumausgaben das Wachstum gestützt. Dadurch konnte sich die Schweizer Volkswirtschaft in jedem Quartal seit 2012 besser entwickeln als die des Euroraums. «Die Deflationsdiskussion war sehr wichtig, auch für die SNB-Politik», sagt Roland Kläger, Ökonom bei Raiffeisen Schweiz in Zürich. «Aber etwas im Sinne einer Deflationsspirale in der Schweiz mit einem Zusammenbruch der Nachfrage, wie in manchen europäischen Ländern, sehe ich nicht.»
Der Schweizer Regierung zufolge ist es noch zu früh um zu sagen, wie stark sich der Wechselkursschock auf das Wachstum und die Preise auswirken wird. Sie wird neue Prognosen am 19. März vorlegen, am selben Tag, an dem auch die SNB ihre geldpolitische Entscheidung verkündet. «Wir sind optimistisch, dass wir zwar negatives Preiswachstum, aber keine Spirale erleben werden», sagt Marmet von der ZKB. Die Aufgabe des Franken-Deckels sei «ein einmaliger Preisschock, daher werden die Wirtschaftsakteure ihre Erwartungen nicht anpassen».
Minderheit sieht Rezession am Horizont
Laut einer Bloomberg-Umfrage unter Ökonomen dürften die Verbraucherpreise 2015 um 0,7 Prozent fallen und 2016 wieder um 0,2 Prozent steigen. Die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den kommenden zwölf Monaten sehen die Ökonomen bei 40 Prozent. Unterdessen kämpft die Boutique Bongénie-Grieder am Paradeplatz um ihr Geschäft. «Wir passen uns an den täglichen Wechselkurs an», sagt Sprecherin Claudia Terrequadra. «Wir machen das, um unsere Kunden zu halten.»
(bloomberg/chb/ama/ccr)