Was beschäftigt derzeit die Finanzmärkte?
Thomas Heller: Politische Themen wie der Handelskonflikt – oder besser gesagt die Handelskonflikte – und der Brexit sind zwar präsent, haben aber die Märkte jüngst nicht massgeblich bewegt. Auch die Zinswende der Notenbanken im September hat wenig Marktreaktionen ausgelöst, da sie erwartet und somit eingepreist war. Am sensibelsten reagieren die Märkte derzeit auf Konjunkturnachrichten. Diese sind zuletzt schwach ausgefallen. Vereinzelt geht gar die Rezessionsangst um. Der Fokus dürfte deshalb vorerst auf den Wirtschaftsdaten bleiben.

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Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
Es fehlen derzeit die Treiber für signifikant höhere Aktienmärkte. Allerdings scheinen mir auch die Risiken überschaubar beziehungsweise in den Kursen eingepreist. Ohne grössere Überraschungen von Politik und/oder Konjunktur würde ich kurzfristig mit einer wenig veränderten Schweizer Börse rechnen.

Wo steht der SMI in zwölf Monaten?
In zwölf Monaten stehen wir kurz vor den US-Wahlen. Präsident Trump wird bis dahin alles für eine gute Börse unternommen haben, um seine Chancen auf eine Wiederwahl zu erhöhen. Das spricht für höhere Kurse. Ganz grundsätzlich gilt: Der Konjunkturverlauf sowie weiterhin die Entwicklung im Handelskonflikt werden die Richtung an den Aktienmärkten vorgeben. Im positiven Fall – Ende des Abschwungs und (absehbares) Ende im – steht der SMI in 12 Monaten 10 bis 12 Prozent höher als heute. Hält der Abschwung hingegen an und schwelt der Konflikt weiter, steht der SMI in einem Jahr kaum höher als heute.

Thomas Heller

Thomas Heller ist CIO und Leiter Research bei der Schwyzer Kantonalbank.

Quelle: ZVG

Die Arbeitslosigkeit in der Schweiz ist auf einem Rekordtief. Wie lange noch?
Der Arbeitsmarkt hat sich nicht nur in der Schweiz sehr gut entwickelt. In den USA liegt die Arbeitslosigkeit auf dem tiefsten Stand seit 50 Jahren, in der Eurozone fast auf einem Allzeittief seit Beginn der Erhebungen im Jahr 1995. Der Arbeitsmarkt ist ein nachlaufender Indikator und profitiert noch immer von der guten Konjunktur der letzten Jahre. Die gegenwärtige Wachstumsverlangsamung ist in den Arbeitsmarktdaten bislang kaum sichtbar. Die positive Dynamik am Arbeitsmarkt dürfte aber abnehmen, ein weiterer Rückgang der Arbeitslosigkeit ist nicht zu erwarten. Verschärft sich der Abschwung, dürfte die Zahl der Arbeitslosen von den tiefen Niveaus aus ansteigen.

Der chinesische Vize war nun wieder nach Washington zu Handelsgesprächen. Wie geht es weiter?
Bei dieser Frage müsste man eigentlich den Joker ziehen können. Wirklich schwierig zu sagen, was man erwarten kann. Im Grunde haben beide Länder ein Interesse an einer Einigung, doch scheinen die Differenzen immer noch gross zu sein. Trotz immer wieder von beiden Seiten geäusserten Willensbekundungen, stehen die Zeichen derzeit nicht auf Versöhnung. Es sind nicht rein ökonomische Überlegungen, die ein Rolle spielen, sondern vor allem auch geo-politisches Kalkül. Nächstes Jahr sind zudem noch US-Präsidentschaftswahlen, was insbesondere den Chinesen zusätzlichen taktischen Spielraum verschafft. Trump braucht den Deal mehr und vor allem rascher als China. Mit einer «Verhinderungstaktik» könnten die Chinesen Trump womöglich sogar aus dem Amt drängen.

Die BIZ in Basel zieht ein positives Fazit aus der umstrittenen Tiefzinspolitik der Nationalbanken. Weshalb?
Die ultraexpansive, unkonventionelle Geldpolitik war wohl nötig, um den Kollaps zu verhindern - und es gab wirtschaftlich einige gute Jahre. Dieser Aspekt stand bei der Beurteilung der BIZ im Vordergrund. Die Nebenwirkungen kamen nur am Rande zur Sprache bzw. werden von der BIZ als geringer angesehen als der Nutzen. Die negativen Auswirkungen werden sich allerdings noch verstärkt zeigen. Eine abschliessendes Fazit lässt sich meines Erachtens erst ziehen, wenn die Normalisierung vollzogen ist. Das sieht auch die BIZ in ihrem Bericht übrigens genauso.

Die Nationalbanken kaufen zurzeit auch kräftig Gold –  ist es wieder eine Flucht in Realwerte?
Die Notenbanken haben im ersten Halbjahr soviel Gold gekauft wir noch nie, seit sie 2010 zu Nettokäufern geworden sind. Es waren vorwiegend Zentralbanken aus Schwellenländern, die als Käufer aufgetreten sind: China, Russland, Türkei, Kasachstan, Indien. Die «Flucht in Realwerte», wie Sie es nennen, hat vermutlich eine untergeordnete Rolle gespielt. Wohl wichtiger war: Einige der grossen Käufer liegen im Clinch mit den USA und haben mit dem Erwerb der Währung Gold die Abhängigkeit vom US-Dollar reduziert.