Schon wieder Wein zum Geburtstag. Dabei ist mein Keller bereits randvoll. Und Leber und Nieren sind auch nicht mehr die besten – behauptet wenigstens der Arzt. Aber glücklicherweise haben die Preise für Weinraritäten in den letzten Monaten stark angezogen. Was liegt da näher, als den Keller zu plündern und ein paar Köstlichkeiten zum Kauf anzubieten? Schliesslich gibt es genügend Händler, die per Zeitungsinserat oder online nach Kaufgelegenheiten suchen.
67 Flaschen suche ich aus. Alle aus dem Bordeaux. Alles klassierte Lagen mit Jahrgängen von 1992 bis 2010 und klingenden Namen wie Château Beychevelle, Léoville-Barton, Bel-
Air, Prieuré-Lichine, Batailley oder Chasse-Spleen. Davon sind 24 noch in der Original-Holzkiste. Gemäss der Preisvergleichs-App Vivino repräsentieren sie einen Wert von mindestens 3748 Franken. Durchschnittlich kostet die Flasche also rund 56 Franken. Wobei sich rasch zeigt: Die Preisspanne ist beträchtlich. Derselbe Wein kann beim einen Händler mehr als doppelt so teuer sein wie bei einem andern.
Ernüchternde Antworten
Insgeheim rechne ich mit etwa dem halben Preis, den ich als Erlös erzielen kann. Das würde dann etwa meinem ursprünglichen Kaufpreis entsprechen. Doch der Test ist ernüchternd: Von acht angeschriebenen Weinhändlern, die explizit auch als Weinkäufer aktiv sind, antworten zwar fünf in rekordverdächtiger Zeit von bloss 24 Stunden, zwei weitere einen Tag danach. Doch das Verdikt ist einhellig: «kein Interesse».
Lediglich Christian Hartmann (weinankauf.ch) erbarmt sich und offeriert wenigstens 500 Franken – bar auf die Hand. Der Wein werde bereits am Folgetag abgeholt. Nicht einmal 10 Franken pro Flasche – weniger, als ein durchschnittlicher Rioja beim Discounter kostet.
Top-Weine werden teurer
Es ist die harte Realität. Wiederverkaufbar sind praktisch ausschliesslich ein paar Dutzend absolute Topweine aus dem Bordeaux, allenfalls noch aus dem Burgund und ganz vereinzelt auch aus Italien und Spanien. Gefragt sind Margaux, Mouton Rothschild und Lafite, Latour, Haut-Brion, Cheval Blanc, Petrus, Pavie und vielleicht noch ein Sassicaia. Wer seinen Weinkeller also nicht nur aus Freude an einem feinen Tropfen einrichtet, sondern auch als Investment mit Aussicht auf Rendite ansieht, tut gut daran, ihn nur mit ausgesuchten Raritäten zu bestücken.
Die aktuell gehandelten Preise für die Top 100 der weltbesten Lagen finden sich laufend auf der Website von Liv-ex. Und auch der «Fine-Wine-Index» wird dort monatlich nachgeführt. Da zeigt sich, dass die Preise für Weine aus absoluten Spitzenlagen in den letzten zwölf Monaten um über 20 Prozent zugelegt haben – mehr als die grossen Aktienbörsen dieser Welt, die durchwegs für ihre tolle Performance 2016 gelobt werden, zumindest in der zweiten Jahreshälfte.
Auch gängige Weine bringen Gewinn
Der Moment zum Kaufen und Einkellern ist vielleicht nicht schlecht: Das Jahr 2015 soll nach einhelliger Auffassung der einschlägigen Weinpäpste nach drei eher bescheidenen Jahrgängen einen absoluten Spitzenwein hervorbringen. Das treibt zwar bereits die Primeur-Preise, garantiert aber auch Wertbeständigkeit und gute Chancen für eine Wertsteigerung. Ein Mouton-Rothschild des letzten Spitzenjahrgangs 2008 hatte im Vorverkauf ab Schloss rund 600 Franken pro Flasche gekostet. Heute wird er aber mit Preisen von über 2000 Franken gehandelt.
Immerhin – Besitzer von guten, letztlich aber doch gängigen Weinen, die nicht durch das Prädikat «Rarität» geadelt werden, dürfen hoffen, ihre Weine zu einem anständigen Preis verkaufen zu können. Christian Hartmann empfiehlt dazu die Online-Auktionsplattform Ricardo (ricardo.ch).
Gut gereifte Weine kaufen
Armando Filippi, Leiter Einkauf und Verkauf von Gerstl/Badaracco in Spreitenbach, rät zur spezialisierten Weinbörse (weinboerse.ch). Dort finden mehrmals jährlich Online-Auktionen statt, bei denen auch Weine unterhalb der allerobersten Liga willkommen sind. Die Kosten sind mit 12 Prozent Kommission und 10 Franken Fixpauschale pro Lot für Käufer und Verkäufer verglichen mit traditionellen Auktionshäusern eher günstig. Und der Verkaufserfolg liegt in der Regel bei hohen 84 Prozent – vorausgesetzt natürlich, dass der Wein überhaupt zur Einlieferung zugelassen wird. Mehr als der Ausrufpreis wird allerdings nur selten erzielt. Und der liegt normalerweise etwa bei einem Drittel oder der Hälfte dessen, was man im Fachhandel für denselben Wein bezahlen müsste (siehe Preisbeispiele in der Tabelle).
Für Verkäufer sind das nicht unbedingt gute Nachrichten, für Käufer dafür umso mehr. So kann gut gereifter Wein zum Teil zu tieferen Preisen erworben werden als die jüngsten Jahrgänge dieser Winzer.
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