Wer bei Tesla-Aktien Ende August auf dem Rekordniveau gekauft hat, ist wohl enttäuscht. Die Aktie handelt momentan bei 420 Dollar und damit 15 Prozent unter dem Spitzenwert. Und auch der von Elon Musk gross angekündigte «Battery Day» am 22. September brachte nicht den erwünschten positiven Impuls. Die Aktie scheint das Momentum vorläufig verloren zu haben.
Unbestritten ist hingegen, dass der Elektroautomarkt ein grosses Wachstumspotenzial aufweist. Der «Electric Vehicle Outlook» der US-Wirtschaftsagentur «Bloomberg» geht davon aus, dass in diesem Jahr weltweit 1,7 Millionen Elektroautos verkauft werden; 2025 werdem es 8,5 Millionen sein, 2030 dann 26 Millionen und 2040 54 Millionen. Im Jahr 2040 wird laut dieser Prognose mehr als jedes zweite aller verkauften Autos rein elektrisch betrieben.
Von dieser Entwicklung profitiert langfristig sicherlich Tesla. Doch es gibt auch viele neue Elektroautohersteller, die ebenfalls an diesem Wachstumsmarkt partizipieren und gross herauskommen wollen – und könnten. Traditionelle Autobauer könnten bei dieser Entwicklung hingegen Probleme haben, verlieren sie doch gleichzeitig bei den Verbrennungsmotoren. Was nützen VW die neuen ID.-Modelle, wenn Elektroautos aktuell erst 4,1 Prozent des Gesamtumsatzes ausmachen?
Anleger investieren womöglich besser in einen Autobauer, der ein zukunftsträchtiges Geschäftsmodell ohne Altlasten aufweist. Hier die interessanten neuen Elektroautohersteller.
Der in Schanghai ansässige und von William Li 2014 gegründete Elektrobauer NIO ging im September 2018 an die New York Stock Exchange. Der Einstiegspreis betrug damals 6,26 Dollar. Nachdem sich der Kurs bis im Januar 2020 mehr als halbierte, legte NIO 2020 den Turbogang ein – plus 356 Prozent seit Jahresbeginn.
Diese gute Aktienperformance ist nicht ohne Grund: Der Absatz zieht an: Im August erreichte der monatliche Verkauf an Elektroautos die 4000er-Grenze. Dies ist im Vergleich zu anderen Autoherstellern sicherlich ein Klacks, doch die Wachstumsrate hat es in sich – plus 104 Prozent im Jahresvergleich. Die Kapazität wird zudem laufend ausgebaut. Im September können maximal 5'000 Autos die Fabriken verlassen. Doch momentan macht das Unternehmen noch Verluste.
«Chinesische NIO-Kunden können schon jetztin Stationen einfach den Akku ihres Fahrzeugs tauschen, statt ihn per Kabel zu laden.»
Wie bei Tesla spielen diese momentan eine untergeordnete Rolle, das Wachstum steht im Zentrum. So drängt NIO neuerdings mit seinem Elektro-SUV E56 auch auf den europäischen Markt. Dies bereitet insbesondere Herstellern wie Audi oder Mercedes Kopfschmerzen. Der Basispreis für den E56 beträgt 48'000 Euro. Das komfortable Familien-Elektroauto kostet somit knapp die Hälfte eines deutschen Premium-Autos.
Gegenüber dem amerikanischen Konkurrenten Tesla unterscheidet sich NIO in einer Sache grundlegend: Chinesische NIO-Kunden können schon jetzt per so genanntem «Battery Swap» in Stationen einfach den Akku ihres Fahrzeugs tauschen, statt ihn per Kabel zu Hause oder an öffentlichen Stromsäulen zu laden. Fünf Minuten dauert der Batterietausch. Sobald genügend Stationen vorhanden sind, könnte dies ein zusätzliches Kaufargument für Konsumenten sein.
Der Name «Fisker» weckt bei manchen Autofans Erinnerungen. Der Automobilhersteller Fisker Automotive stellte in den Jahren 2011 und 2012 den Fisker Karma her, eine Plug-in-Hybrid-Oberklasselimousine. Doch im Jahr 2013 wurde das Unternehmen nach finanziellen Schwierigkeiten an den chinesischen Automobilzulieferer Wanxiang Group verkauft und in Karma Automotive unbenannt.
Henry Fisker, der schon Fisker Automative mitgegründet hat, startete 2016 mit dem Nachfolgeunternehmen Fisker einen zweiten Versuch. Dieses entwickelt nun eine vollelektrische Limousine «EMotion», ein vollelektrisches autonomes Shuttle «Frisker Orbit» sowie einen Elektro-SUV für den Massenmarkt: «Fisker Ocean». Letzterer soll Ende 2022 für ab 38'000 Dollar auf den Markt kommen.
Und die Finanzierung für die Produktion scheint durch den Zusammenschluss zwischen Spartan Energy Acquisition und Fisker im zweiten Halbjahr 2020 gesichert. Da Fisker selbst nicht an der Börse kotiert ist, können sich Anleger durch den Kauf von Spartan Energy Acquisition beteiligen. Seit der Bekanntgabe des Deals haben die Spartan-Aktien schon 27 Prozent an Wert gewonnen.
Eine schöne Elektro-Limousine für umgerechnet 38'000 Franken? Einen Elektro-SUV für knapp 28'000 Franken? Xpeng schafft dies. Im Heimmarkt China bietet der Autobauer seine beiden Modelle P7 und G3 zu diesen Konditionen an - ohne Subventionen. Damit setzt Xpeng auch Tesla preislich gehörig unter Druck. Das «günstige» Model 3 von Tesla ist in China ab ungefähr 41'000 Franken erhältlich.
Gegründet wurde Xpeng 2014, zu den ersten Investoren gehören der taiwanesische Elektronikhersteller Foxconn und Alibaba. Der Onlinehändler und Technologiekonzern von Jack Ma hat seinen Anteil am Elektrobauer neuerdings auf 19 Prozent ausgebaut, und Aliexpress ist – zufälligerweise? – als App schon im Auto integriert. Zu dieser Zusammenarbeit passt auch die komplette Datenerfassung, derer sich jeder Nutzer ausgesetzt sieht.
Es werden Standort-, Navigations-, Verkehrsstatus-, Fahrassistenz- und Fahrerzustandsdaten erfasst und mit Mobilitäts-, Lebensstil-, Informations- und Unterhaltungsvorlieben verknüpft. Die eingebaute künstliche Intelligenz kommuniziert den Gewohnheiten entsprechend mit den Nutzern. Das Fahrzeug selbst kann mit Gesichtserkennung geöffnet werden – das Öffnen mit Fingerabdruck ist aber auch möglich.
Xpeng ist seit Mitte August an der New York Stock Exchange gelistet. Der Ausgabepreis wurde wegen der grossen Nachfrage bei 15 Dollar festgelegt. Momentan handeln die Aktien bei 17,93 Dollar, rund 20 Prozent höher als der Ausgabepreis. Die UBS hat erst kürzlich Xpeng erstmals bewertet: «Buy»-Rating mit einem Kursziel von 25 Dollar.
Nach einem fulminanten Aufstieg im Juni geht es mit der Aktie des US-Elektro-LKW-Herstellers nur in eine Richtung: Abwärts. Mitte September hatte das Shortseller-Haus Hindenburg Research einen Bericht veröffentlicht, in dem Nikola Motors als "Betrug" bezeichnet wird. cash hat hier berichtet. Der dadurch beschleunigte Ausverkauf an der Börse führte dazu, dass der CEO Trevor Milton kürzlich zurücktreten musste. Im Endeffekt verlieren die Nikola-Aktien innerhalb von 3 Monaten 71 Prozent ihres Werts.
Bei Nikola weiss man bis heute nicht, ob das Unternehmen ausser coolen Videos auch funktionierende Produkte auf den Markt bringen kann. Privaten Anlegern mit Interesse an Elektroautoherstellern sollten sich hüten, hier zu spekulieren. Zudem sich Anleger besser auf Unternehmen fokussieren sollten, die sich nicht im Kreuzfeuer von Short-Sellern befinden. Werden sich die Vorwürfe bestätigen, wird Nikola Motor so schnell von der Blickfläche verschwinden, wie es erschienen ist.
Li Auto wurde 2015 von Li Xiang gegründet. Zu den Investoren in diesen Autobauer gehört unter anderem der dank TikTok bekannte chinesische Technologiekonzern ByteDance. Obwohl der Fokus auf alternativen Antrieben liegt, ist in jedem Auto neben den Elektromotoren ein traditioneller Ottomotor vorhanden. So kann Notfalls die Reichweite stark erhöht werden. Der Grund: Kunden von benzinbetriebenen Autos, die wegen der fehlenden Infrastruktur kein Elektroauto kaufen, sollen so angelockt werden.
Im Dezember 2019 begann die Auslieferung des ersten Elektro-SUVs für den Massenmarkt, dem «Li One» für 46'870 Dollar. Wie andere Elektroautobauer macht Li Auto noch Verluste. Der Absatz wächst hingegen stark: 2711 Fahrzeuge im August, insgesamt 14'656 im Gesamtjahr. Ende August hatte das Unternehmen 31 Verkaufsstellen in 26 chinesischen Städten. Dies soll in den nächsten Monaten stark ausgebaut werden.
Ende Juli wurde Li Auto in den Nasdaq aufgenommen. Seitdem geht es hauptsächlich seitwärts. Obwohl die Anleger noch nicht Gefallen an dieser Aktie gefunden haben, sind Analysten sehr zuversichtlich für die Aktie. Die UBS versah Li Auto mit einem «Buy»-Rating und einem Kursziel von 19,5 Dollar – 23 Prozent höher als der aktuelle Kurs von 15,8 Dollar.
Auch bei den Elektroautobauern gibt es entsprechende ETFs (Exchange Traded Funds), um das Risiko zu streuen. Der Nachteil: Meist sind traditionelle Autobauer darin enthalten. Der …iShares Electric Vehicles and Driving Technology UCITS ETF» enthält neben Tesla, Nvidia oder ABB auch den Hyundai Fiat Chrysler oder Kia. So erstaunt es wenig, dass dieser ETF auf Jahressicht 2 Prozent im Minus ist - verloren beispielsweise die Fiat-Chrysler-Aktien im laufenden Jahr bislang 18 Prozent an Wert.
Breiter aufgestellt ist hingegen der «SPDR S&P Kensho Smart Mobility ETF». Mit 5,95 Prozent macht darin der chinesische Elektroautobauer NIO den grössten Anteil aus, dicht gefolgt von Tesla mit 4,79 Prozent. Dies ist auch in der Performance sichtbar: Plus 16 Prozent seit Jahresbeginn.
Schlussendlich könnten in naher Zukunft auch interessante Börsengänge weiterer Elektroautoherstellern anstehen. Ein Kandidat wäre zum Beispiel das amerikanische Lucid Motors, das vom saudischen Staatsfonds 1 Milliarde Dollar erhielt. Der Fokus von Lucid Motors liegt auf Luxusautos. Oder da wäre Karma Automotive, früher Fisker Automotive, das dem chinesischen Grosskonzern Wanxiang gehört. Karma Automotive stellt sich ebenfalls in die Luxus-Marktnische.
- Dieser Artikel erschien zuerst auf «Cash.ch» unter dem Titel: «Sind diese Elektroautohersteller die künftigen Teslas?»