Die Digitalisierung schreitet immer weiter voran und umfasst mittlerweile fast alle Bereiche unseres Lebens. Wo vor noch gar nicht allzu langer Zeit seitenweise Papier für den Abschluss eines Versicherungsvertrages ausgedruckt wurde, genügt heute in vielen Fällen eine digitale Signatur unter den elektronischen Dokumenten. Und auch in der Beratung vollzieht sich mit neuen digitalen Tools ein brachialer Wandel: Das Kundenerlebnis soll entlang der gesamten Wertschöpfungskette gesteigert und die Kundinnen und Kunden dabei rundum beraten werden.
Das ist für viele Versicherungsunternehmen ein Spagat, wie der Swiss Insurance Monitor 2023 der Universität Luzern feststellte. Auf der einen Seite wollen die hybriden Kunden vermehrt online mit ihren Versicherern agieren, auf der anderen Seite wird bei vertrauensbasierten Vorgängen wie Vertragsabschlüssen und Kündigungen oft der Offline-Ansatz gewählt. Der klassische Berater hat also noch lange nicht ausgedient – er muss heute allerdings auch die «digitale Klaviatur» beherrschen.
Schwieriger Spagat
Wie ein solcher Spagat gelingen kann, zeigt der grösste Schweizer Lebensversicherer Swiss Life. Vor rund einem Jahr wurde der digitale Beratungsprozess mit «myAnalysis» für die aktuell rund 1'600 Beraterinnen und Berater des Konzerns breit ausgerollt, nachdem das Tool zuvor bereits zwei Jahre lang erfolgreich bei der auf private Vermittlung von Finanz- und Vorsorgeprodukten spezialisierten Tochtergesellschaft Swiss Life Select im Einsatz war.
«Rund 70 Prozent unserer Kundinnen und Kunden wollen weiterhin eine persönliche Beratung, wie uns Umfragen gezeigt haben. Deshalb haben wir signifikant in unsere Beratungskompetenz und das digitale Kundenerlebnis investiert», umschreibt Andreas Fischer, der seit 2021 als Mitglied der Geschäftsleitung den Geschäftsbereich Kundenberatung und -betreuung verantwortet, das Grossprojekt. Wie viel Geld Swiss Life dafür in die Hand genommen hat, wollte er nicht en détail preisgeben, aber es war ein «zweistelliger Millionenbetrag».
Höhere Kundenzufriedenheit
Eine Investition, die sich aus seiner Sicht gelohnt hat: «Die Kundenzufriedenheit hat mit der systematischen Nutzung des Tools stark zugenommen», sagt Fischer. So seien die NPS-Werte am Touchpoint «Beratung» seit 2018 beispielsweise um über 20 Punkte gestiegen. «MyAnalysis» unterstützt Kundinnen und Kunden unter anderem bei der Erstellung individueller Vorsorge- und Finanzanalysen. Wo früher Zettel und Bleistift zum Einsatz kamen, werden die Kundinnen und Kunden mit dem Beratungstool «myAdvice» Schritt für Schritt durch die Beratung geführt – einfach, intuitiv und interaktiv. Im Tool können die persönlichen Finanzziele und Wünsche hinterlegt werden, zusätzlich beinhaltet es sogar einen «Wohntraumrechner». Damit wird auch die emotionale Ebene angesprochen.
Mehr Umsatz pro Kopf
Die digitalen Tools bedeuten einen Quantensprung in der Beratung, zumal sie den persönlichen Kontakt nicht ersetzen, sondern ergänzen. Durch die digitale Bedarfsanalyse werde einerseits die Transparenz gegenüber den Kunden erhöht, sagt Daniel Steiner, Generalagent und Finanz- und Vorsorgeexperte von Swiss Life. Andererseits stärkt das Tool die Beratung: «Die Feedbacks aus dem Aussendienst sind bislang positiv».
«Die Umsätze pro Kopf sind durch den Einsatz von ‘myAdvice’ in der ersten Phase bei Swiss Life Select gerade bei Neueinsteigern deutlich gestiegen», zieht auch Geschäftsleitungsmitglied Andreas Fischer ein positives Zwischenfazit. Dass für diesen kulturellen Wandel gerade bei erfahrenen Beraterinnen und Beratern eine gewisse Überzeugungsarbeit notwendig war, verhehlt Daniel Steiner nicht. «Natürlich ist die digitale Beratung am Anfang nicht überall auf Begeisterung gestossen. Deshalb war es wichtig, die Mitarbeitenden in einem solchen Change-Prozess eng zu begleiten», betont er. In mehrtägigen Workshops wurden sie für den Einsatz der Tools geschult. Dabei war es wichtig, nicht nur die Kundenvorteile des hybriden Vertriebsmodells aufzuzeigen.
Weniger administrativer Aufwand
Ein weiteres überzeugendes Argument war, dass der administrative Aufwand deutlich sinkt, denn alle erfassten Kundeninformationen sind im digitalen Beratungsarbeitsplatz «MyCockpit» zentral hinterlegt und jederzeit abrufbar, aufwändige manuelle Eingaben entfallen. Das bedeutet somit mehr Zeit für die Interaktion mit den Kunden. «Wir haben mit den digitalen Tools einen grossen Schritt nach vorne gemacht, es gibt im Markt nichts Vergleichbares», zeigt sich Geschäftsleitungsmitglied Andreas Fischer selbstbewusst.
Auftrieb gegeben hat ihm dabei sicherlich auch der renommierte «iFDesign Award» in der Kategorie «User Interface», den Swiss Life im vergangenen Jahr von einer internationalen Jury verliehen bekam. Das Tool «myAdvice» hat dabei das Rennen unter 11'000 Eingaben aus 56 Ländern gemacht. Attraktivität und Nutzen gehen bei der digitalen Transformation also Hand in Hand.