Nach einer kurzen Einleitung durch Thomas Gebert, Dozent für Claims Management an der ZHAW, untermauerte Christoph Stäheli, Leiter Human Resources beim Krankenversicherer Swica, die aktuelle Fachkräfte-Situation mit Daten und Fakten. Allein im öffentlichen Sektor, zu dem auch das Spitalwesen gehört, werde die Fachkräftelücke in der Schweiz laut einer Modellberechnung von PWC bei rund 130’000 Personen liegen. Der Fachkräftemangel habe sich in den vergangenen Jahren aufgrund der schrumpfenden Erwerbsbevölkerung weiter verschärft und erreiche in der Schweiz einen neuen Höchststand.
Selbst ohne weiteren Jobzuwachs würden bis zum Jahr 2040 kumuliert rund 431'000 Personen im Arbeitsmarkt fehlen. Der demographische Wandel tue sein Übriges. Bereits heute sind 20 von 100 Schweizerinnen und Schweizer 65 Jahre oder älter, im Jahr 2040 bereits jede vierte Person, führte er aus.
Viele Lehrstellen unbesetzt
Was dem HR-Chef ebenfalls Sorgen bereitet: Der Nachwuchs wird immer weniger. Von rund 75’000 angebotenen Lehrstellen sind derzeit über 9’000 unbesetzt, immer mehr Jugendliche würden sich für eine Maturitäts- oder Fachmittelschule entscheiden. Sein Fazit: Der Geburtenrückgang und die Tatsache, dass immer mehr Lehrstellen unbesetzt bleiben, verschärfen den Fachkräftemangel weiter. Deshalb müsse das Augenmerk stark darauf liegen, gerade für junge Nachwuchskräfte die Attraktivität als Arbeitgeber hoch zu halten. Eine weitere gute Möglichkeit, dem Fachkräftemangel zu begegnen, seien Quereinsteigerprogramme, mittels derer Unternehmen qualifizierte Mitarbeitende selbst ausbilden.
In der «Mangel der Fachkräfte»
Ob Versicherungsunternehmen «in der Mangel der Fachkräfte» sind, dieser Frage ging anschliessend Thomas Schöb, Leiter Kundenleistung bei Baloise, nach. In der Schweiz seien laut Angaben des Schweizerischen Versicherungsverbandes (SVV) bereits heute 30 von 38 Berufen in der Versicherungsbranche vom Fachkräftemangel betroffen. Der Fachkräftemangel bedeute eine einfache Ungleichung: Es gibt eine Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften und ein Angebot. In dieser Ungleichung könne an zwei Orten gearbeitet werden: Entweder die Nachfrage werde gesenkt - oder das Angebot an Fachkräften erhöht. Wo es künftig im Bereich Schaden der Baloise kritisch werden könnte, zeigte er anhand einer demografischen Darstellung auf. Um die Situation gut einschätzen zu können, versuche er für alle Teams in allen Regionen die Altersstruktur aufzuzeigen und Einschätzungen vorzunehmen.
Besonders bei Pensionierungen würde viel Wissen das Unternehmen verlassen. Einen Wissenstransfer auf jüngere, unerfahrene Kolleginnen und Kollegen sicherzustellen, beanspruche je nach Komplexität der Aufgaben - beispielsweise bei einem Schadeninspektor - manchmal Jahre. Das sei aus Effizienz- und Kostengründen nicht immer machbar. Ein gangbarer Weg hingegen wäre es, die technischen Möglichkeiten zu nutzen, und das Know-how in Prozesse, Systeme und Anwendungen zu giessen - mit den vorhandenen Wissensdaten und mit Unterstützung der Künstlichen Intelligenz.
Ein anderer Weg, das Angebot an Fachkräften zu erhöhen: Mit Blick auf heute sei es wichtig zu wissen, welche Kompetenzen Schadenmitarbeitende in 2-5 Jahren haben müssen, um bereits frühzeitig Entwicklungsmassnahmen ergreifen zu können. Denn Fachwissen bleibe aufgrund der strategischen Ausrichtung auf das Kerngeschäft bei vielen Versicherern wichtig. Von daher ist es für ihn ein Imperativ, jüngere Personen entwickeln zu können und ihnen so die Fachlichkeit über die Zeit mitzugeben.
KI frisst Software
Zum Schluss zeigte Alain Veuve, CEO & Founder des Technologieunternehmens Parashift, wie die Digitalisierung die Arbeit in den letzten Jahren verändert hat. Grundsätzlich würden die Mitarbeitenden die Effizienzgewinne durch die Technologie begrüssen, vor allem der Anteil mühsamer, repetitiver Arbeiten nehme weiter ab. Die meisten Unternehmen hätten es in der Phase «Arbeit 4.0» geschafft, die Digitalisierung für sich zu verwenden und die Vorteile entsprechend zu nutzen. In der «Phase 5.0» - die von der Künstlichen Intelligenz geprägt sein wird, gehe es jetzt um eine partnerschaftliche Zusammenarbeit der Technologiekomponenten. Die Software werde von den Menschen immer mehr als Partner wahrgenommen, allerdings ist er dann auch vermehrt von Entscheidungen ausgeschlossen.
Es sei ein Irrtum zu glauben, dass den Menschen durch die zunehmende Automatisierung künftig die Arbeit ausgehen werde. Es würde einfach viele neue Aufgaben entstehen. Allerdings werde heute eingesetzte Software in absehbarer Zukunft durch KI-Lösungen ersetzt. «Software eats the world. AI will eat the software», zitierte er den berühmten Investor Marc Andreessen.