Eftychia Fischers Lebenslauf liest sich wie ein buntes Puzzle: Sie kam vom Physikstudium zum Banking, gründete zwischenzeitlich ihre eigene Firma und diskutiert mittlerweile in verschiedenen Verwaltungsräten mit, darunter jenem der Vaudoise Versicherungen Holding AG. Ihr Weg führte die in London aufgewachsene Griechin zwischenzeitlich nach Paris und Pennsylvania.
Ein Bild, das zu der 58-Jährigen passt. Denn so vielfältig wie ihr Werdegang sind auch ihre Interessen und Schwerpunkte. Bei der Vaudoise setzt sie sich für Diversität und Nachhaltigkeit ein und will «Groupthink» möglichst entgegenwirken. Auch die Nachwuchsförderung liegt ihr am Herzen. «Für mich ist es ungeheuer wichtig, dass unseren Leuten alle Möglichkeiten offenstehen. Wir müssen intern junge Talente fördern, statt uns gegenseitig die besten Leute abzujagen.»
Chancengleichheit für Männer
Chancengleichheit beginnt für sie nicht nur bei den Frauen, sondern ebenso bei den Männern. Bei der Vaudoise arbeiten zurzeit 283 Frauen Teilzeit, aber nur 73 Männer. «Es ist Zeit, dass wir uns auch da von alten Rollenbildern verabschieden.»
Die Verwaltungsrätin hat in jungen Jahren am eigenen Leib Diskriminierung erfahren, als ein gleichgestellter Kollege mit denselben Aufgaben deutlich mehr verdiente als sie. Auf Nachfrage habe ihr Chef gesagt: «Das ist normal, der Kollege wird einmal eine Familie ernähren müssen. Dafür haben Sie Ihren Mann.» Heute stellt sie erstaunt fest: «Ich habe das nicht weiter hinterfragt.»
In der Zwischenzeit hat sich viel getan: War sie am Imperial College in London damals 1 von 4 Frauen neben 260 Männern, so liegt der Frauenanteil heute fast bei einem Drittel. Auch bei der Vaudoise sind über 30 Prozent der Frauen im Kader (ohne Aussendienst), vor 20 Jahren waren es noch 12. Das Ziel ist, diesen Trend in der Zukunft noch zu beschleunigen.
Mit einem Bluff zum Job
Mit dem Einstieg in die Versicherungsbranche ist die erfahrene Bankerin bereits zum zweiten Mal in eine neue Welt eingetaucht. Als sie als junge Physikerin ihrem künftigen Mann in die Schweiz nachgereist war, merkte sie schnell, dass sie ohne Deutschkenntnisse keine Jobchancen hatte. Kurzerhand versuchte sie es im Derivatehandel und kam mit einem kleinen Bluff zum Handkuss: «Der Interviewer fragte mich, ob ich etwas programmieren könnte. Ich blickte auf die Aufgabe und sah, dass wir sowas im Studium in einer halben Stunde gelöst hatten. Ich lehnte mich zurück und meinte, wenn er mir zwei, drei Monate Zeit gäbe, würde ich es schaffen.»
Bei der Wahl in den Verwaltungsrat der Vaudoise brauchte sie zwar kein Pokerface, die Assekuranz war aber dennoch Neuland. «Ich stellte die dummen Fragen», erzählt sie, «wie beispielsweise, was eine Personenversicherung sei.» Nach einem halben Jahr habe sie die komplexen Zusammenhänge im Detail verstanden.
Dieser ungebremste Wissensdurst zieht sich wie ein roter Faden durchs Leben von Eftychia Fischer. Zurzeit absolviert sie einen Master in Mathematik und interessiert sich nebenbei für Dinge wie künstliche Intelligenz oder Ägyptologie. «Ich spiele dafür kein Golf!», sagt sie und lacht.