Sie sind eine unabhängige, emanzipierte und erfolgreiche Frau aus der ersten Generation von Frauen, die ihr Leben so finanziell unabhängig und selbstbestimmt führen kann, wie jeder Mann es schon immer konnte. Dennoch haben Sie ein Buch über Finanzen speziell für Frauen geschrieben. Widerspricht das nicht einer gewissen gelebten Gleichstellung von Mann und Frau?
Wenn es ums Geld geht, sind wir insbesondere in der Partnerschaft und Familie erst auf dem Weg zu einer gelebten Gleichstellung. Und dazu will ich mit meinem Buch einen Beitrag leisten. Gesetzlich ist die Gleichstellung hierzulande zwar seit bald 30 Jahren verankert. Das heisst aber nicht, dass sie bereits in allen Belangen gelebt würde. Heute ist es kaum mehr vorstellbar, dass Frauen nach dem alten Ehegesetz bis Ende der 1980er-Jahre die Erlaubnis ihres Ehemanns brauchten, wenn sie einer bezahlten Arbeit nachgehen oder ein eigenes Bankkonto eröffnen wollten. Frauen haben also erst spät damit beginnen können, den Umgang mit den eigenen Finanzen zu lernen. Und nicht wenige überlassen es immer noch ihrem Partner, sich um Geldangelegenheiten zu kümmern.
Seit Erscheinen Ihres Buches haben Sie viele Lesungen und Vorträge dazu gehalten. Gab es Dinge oder Themen, die Sie bei der Resonanz des Publikums besonders überrascht haben?
Überrascht nicht, eher darin bestätigt, dass in Sachen Geld und Vorsorge bei Frauen – aber auch Männern – noch viel Sensibilisierung und Wissensvermittlung nötig ist, damit sie auf ihrem Lebensweg informierte Entscheide treffen können. Es scheint noch längst nicht selbstverständlich zu sein, in der Partnerschaft offen über finanzielle Dinge zu sprechen. So geht aus den Gesprächen mit dem Publikum hervor, dass die finanziellen Konsequenzen einer Familiengründung in der Paarbeziehung oft zu wenig oder gar nicht thematisiert werden – ob nun aus Unwissenheit, Blauäugigkeit oder Gleichgültigkeit. Das Nachsehen haben in der Regel die Frauen, die nach wie vor den grösseren Teil der Betreuungsarbeit übernehmen. Indem sie vorübergehend oder längere Zeit aus dem Beruf aussteigen und oder ihr berufliches Pensum reduzieren, ergeben sich Vorsorgelücken. Die würden sich zwar schliessen lassen. Dafür müssten sie sich ihrer Nachteile aber erst einmal bewusst sein.
Wie auch die Nachteile, die sich aus dem Konkubinat ergeben?
Ja, immer mehr Paare – ob mit oder ohne eigene Kinder – verzichten auf eine Heirat. Die einen halten die Ehe für überholt. Die anderen fürchten die «Heiratsstrafe» für den Paarhaushalt – meist allerdings ohne das Ausmass einer allfälligen steuerlichen Mehrbelastung tatsächlich zu kennen. In beiden Fällen treffe ich viel Unwissen darüber an, dass das Konkubinat rechtlich nicht geregelt ist, welche finanziellen Konsequenzen dies insbesondere für die Frauen haben kann, wenn die Beziehung in die Brüche gehen oder der Partner sterben sollte, und dass das Konkubinat sich bis zu einem Punkt vertraglich regeln liesse.
Welche anderen Fachgebiete, nebst dem der Finanzen, orten Sie, in denen Frauen ein Informations- oder Handlungsdefizit haben?
Frauen würde eine Extraportion Vertrauen in sich selbst und ihre Fähigkeiten guttun. So könnten sie sich in der Wirtschaft noch besser behaupten und sich noch selbstverständlicher für anspruchsvolle Funktionen bewerben, auch wenn sie die geforderten Qualifikationen nicht zu 100 Prozent erfüllen. Auch kann es nicht schaden, wenn sie die Investition in den Aufbau eines breiten, persönlichen Netzwerks für berufliche Zwecke noch stärker als Wert anerkennen und nutzen würden.
Wir haben bei HZ Insurance letztes Jahr 50 Frauen in Führungspositionen in der Schweizer Versicherungswelt porträtiert. Was auffiel, war, dass kaum eine ein festes Karriereziel hat. Sind Frauen immer noch zu zurückhaltend in ihren persönlichen Ambitionen?
Ich bin mir nicht so sicher, ob all die Männer ihre Führungspositionen so klar als Karriereziel vor Augen hatten. Aber ihnen dürfte diese Frage auch weniger gestellt werden. Für die jungen, gut ausgebildeten Frauen von heute erscheint es mir schon wesentlich selbstverständlicher, eine Führungsrolle anzuvisieren, auch weil sie mehr Vorbilder haben. Wichtig erscheint mir aber generell eine Szenarienplanung für die nächsten Schritte im eigenen Leben – ob sie nun beruflicher oder privater Natur sind –, und die sollte natürlich auch die finanziellen Aspekte miteinbeziehen.
Frauen neigen auch häufiger dazu, nach Misserfolgen oder Rückschlägen keinen neuen Anlauf zu nehmen, weil sie die Verantwortung für das Scheitern bei sich selbst suchen, während Männer tendenziell dort seltener nachschauen. Wieso ist das so und wie können wir das ändern?
Selbstzweifel sind ein typisch weibliches Merkmal. Für mich hat es viel damit zu tun, dass wir zu viel denken – vielleicht, weil unsere beiden Hirnhälften stärker miteinander verbunden sind, als dies bei Männern der Fall ist. So machen wir uns viel zu viele Gedanken darüber, was andere über uns denken könnten, statt schlicht an uns selbst zu glauben. Eine meiner frühen Mentorinnen meinte einmal zu mir: «Egal wie etwas rauskommt, denk immer dran, morgen ist es einfach eine von vielen Geschichten.» Mir hat diese Einordnung immer geholfen – bei guten und weniger guten «Geschichten».
Im Gegensatz zur Wirtschaft sind Frauen in der Politik schon deutlich stärker vertreten. Sie sind ebenfalls als Einwohnerrätin in Lenzburg politisch aktiv. Worauf führen Sie den höheren Frauenanteil im politischen Geschehen zurück?
Zum einen sind viele der politischen Themen lebens- bzw. gesellschaftsnah – gerade auch auf kommunaler Ebene. Aus der vertrauten Umgebung und Erfahrung heraus zu politisieren, fällt Frauen unter Umständen einfacher, als sich in der Wirtschaft zu behaupten. Zum anderen kommt gerade Familienfrauen, die sich auf kommunaler Ebene politisch engagieren, entgegen, dass Kommissions- und Ratssitzungen mehrheitlich in Randstunden stattfinden. Oftmals wird die politische Tätigkeit auch als Sprungbrett für die Rückkehr ins Erwerbsleben propagiert und genutzt. Gelingt dies, geht dies dann aber oft zulasten des politischen Engagements, weil eine Dreifachbelastung nicht ohne ist.
Was halten Sie vom internationalen Tag der Frau, den wir heute haben? Braucht es so einen Tag überhaupt noch? Irgendwie schmeckt das auch wie der internationale Tag des Haustiers …
Die Frage ist in der Tat berechtigt. Denn die ursprünglich damit verbundene Forderung nach dem Frauenstimmrecht ist ja selbst in der Schweiz inzwischen Realität geworden. Generell tue ich mich mit solchen Aktions- und Gedenktagen etwas schwer, vor allem wenn sie einzelne Personen oder Personengruppen an einem einzigen Tag auf einen Sockel heben, obschon die Wertschätzung für sie an den anderen 364 Tagen nicht minder opportun wäre. Ausserdem stosse ich mich daran, dass am Tag der Frau meist kollektiv ihre Benachteiligungen bejammert werden. Ich würde mir wünschen, dass der Tag wenn schon für einen kollektiven «Mutanfall» genutzt würde, um Nachteile, die mit eigenem Zutun behoben werden können, beherzt selbst anzugehen.
Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, wie lauteten diese?
Einen habe ich gerade geäussert. Toll wäre ausserdem, wenn sich jede und jeder Versicherte auf Knopfdruck ein Bild der persönlichen Vorsorgesituation machen könnte und die finanziellen Konsequenzen und Handlungsmöglichkeiten der nächsten Stationen auf dem Lebensweg simulieren könnte. Aus aktuellem Anlass wünsche ich mir, dass wir Menschen es endlich schaffen, Konflikte zu lösen, ohne dass damit sinnlose menschliche Verluste und Zerstörung einhergehen müssen.