Sie waren als Teilnehmer des Brokerpanels dabei: Welche Eindrücke haben Sie vom HZ Insurance Forum 2024 mitgenommen?
Das HZ Insurance Forum 2024 war eine ausgezeichnete Veranstaltung, um sich mit Branchenkollegen und Experten auszutauschen. Besonders beeindruckt hat mich die Vielfalt der Diskussionen und die Offenheit, mit der aktuelle Themen wie Digitalisierung und Marktveränderungen behandelt wurden. Es war inspirierend zu sehen, wie die Branche trotz der Herausforderungen bereit ist, Innovationen anzunehmen und gleichzeitig traditionelle Werte zu wahren.
Stéphane Vuichard ist sei 2006 CEO der Schafer Versicherungen AG.
Sie sind bereits seit 18 Jahren bei Schafer Versicherungen - wie haben Sie persönlich die vielen Veränderungen miterlebt?
À la Minute sehe ich den Fachkräftemangel und den Umgang mit neuen Trends in der Arbeitswelt (Wille zu Leadership, Remote-Arbeit, Flexibilität und Work-Life-Balance) als die grössten Herausforderungen. Parallel dazu wird die zunehmende Komplexität der Versicherungsprodukte und die nachlassende Zuverlässigkeit in der allgemeinen Versicherungsbranche zu einem immer grösseren Problem, wenn es darum geht, die Kundenbedürfnisse «on time» und in der richtigen Qualität abzudecken. Die Versicherungsprodukte und Wordings werden umfangreicher und komplexer, gleichzeitig mangelt es an Ressourcen und Know-how.
Auch die Digitalisierung bringt organisatorische und technische Veränderungen mit sich. Trotz allem halte ich ein starkes Kundennetzwerk, persönlichen Kontakt auf Augenhöhe und qualitativ hochwertige Arbeit für entscheidend. Diese Faktoren bleiben zentral, um langfristige Kundenbeziehungen aufzubauen und zu pflegen.
Die zunehmende Regulierung stellt ebenfalls eine Herausforderung dar – mehr Staat und weniger wirtschaftliche Freiheit. Das war ja unter anderem auch Thema des Brokerpanels.
Die Digitalisierung schreitet immer weiter voran - wie können Sie als mittelgrosser Broker da mithalten?
Die Auffassung, dass eine erfolgreiche Unternehmensführung mehrheitlich digital erfolgen muss, begegnet mir häufig. Doch solange die Versicherungsprodukte und Lösungen nicht effizienter und schlanker auf dem Markt erhältlich sind, bleibt der Kern unseres Geschäfts die persönliche Interaktion zwischen Menschen auf Augenhöhe.
Gleichzeitig ist mir bewusst, dass wir der fortschreitenden Digitalisierung besondere Aufmerksamkeit widmen müssen. Wir beobachten kontinuierlich die Entwicklungen in der allgemeinen IT-Infrastruktur, im Cloud-Computing, in der Prozessdigitalisierung, der Datenanalyse und der Nutzung künstlicher Intelligenz. In diese Bereiche investieren wir gezielt, um unsere Effizienz zu steigern und gleichzeitig Betriebskosten zu optimieren. Weiter tauschen wir uns in regelmässigen Abständen mit gleichgesinnten Brokerunternehmen aus. Dabei unterhalten wir uns in vollster Transparenz und Offenheit über Herausforderungen und Erfahrungen. Das ist sehr hilfreich und effizient, damit wir letztendlich die richtige Kombination aus persönlicher Beratung und technologischer Entwicklung einsetzen können.
Es ist ein Umdenken nötig, um Standards und dadurch auch Versicherungslösungen zu vereinfachen.
Werden Sie von den Versicherungsgesellschaften bei der Transformation unterstützt?
Seit 2003 sind wir Teil der IG B2B, die 23 Versicherer, 20 Softwareanbieter und über 1'100 Broker vereint, um digitale Standards zu setzen. Die Digitalisierungsgrade variieren stark: Einige Versicherer bieten umfassende Brokerportale, andere kaum Grundlegendes. Eine 2018 gestartete Initiative zur Umsetzung der wichtigsten Kernprozesse bis 2020 wurde nur teils erreicht (Stand heute 2024: Courtagen-Abrechnungen bei 70%, Rechnungsstellung 40%, Vertragserstellung 25%).
Der grösste Fortschritt ist der «Single Sign On» für Brokerportale der Versicherungsgesellschaften, der 2022 in die Eco Hub AG ausgegliedert wurde. Auch da sind wir als Aktionär an vorderster Front dabei. Viele Versicherer nutzen für den Ausschreibungsprozess die Plattform Sobrado, was Brokern jedoch eine zusätzliche Paywall auferlegt. Allgemein herrschen unterschiedliche Prioritäten und Komplexität in der Branche. Ein Umdenken ist nötig, um Standards und dadurch auch Versicherungslösungen zu vereinfachen.
Gleichzeitig ist der Markt geprägt von Konsolidierung, es gibt viele Übernahmen. Können künftig nur noch die Grossen überleben?
Die Konsolidierung im Markt ist deutlich spürbar. Aber ich glaube nicht, dass nur die grossen Broker überleben werden. Kleinere und mittelgrosse Broker haben die Möglichkeit, durch persönliche Kontakte, qualitativ hochwertige Arbeit, Spezialisierung und Nischenstrategien weiterhin erfolgreich zu sein. Der persönliche Kontakt und das tiefgehende Verständnis für die Bedürfnisse der Kunden sind Werte, die kleinere Broker weiterhin stark machen können.
Die Konsolidierung im Markt ist deutlich spürbar.
Was bedeuten diese ganzen Veränderungen für die Mitarbeitenden, wird es für sie nicht immer anspruchsvoller?
Ja, ganz klar! Die Mitarbeitenden müssen heute viele Herausforderungen meistern können. Erstens ist es als Dienstleistungsunternehmen unerlässlich, dass die Mitarbeitenden ein noch besseres Gespür für die Verhaltensregeln im Umgang mit Kunden und Partnern besitzen als früher. Ausserdem ist es wichtig, dass sie durch persönliches Interesse und kontinuierliche Weiterbildungsmassnahmen den steigenden Anforderungen gerecht werden und ihre Arbeit weiterhin mit hoher Qualität erfüllen. Ein weiterer entscheidender Faktor ist heutzutage der «Speed» sämtlicher Transaktionen. Alles wird zunehmend schneller und komplexer, daher müssen die Mitarbeitenden heute umso mehr die Differenzierung zwischen Bedarf, Nutzen, Wichtigkeit und Dringlichkeit meistern können. Mit dem guten Gerüst macht die Arbeit dann aber auch Spass.
Hat der Broker als Generalist ausgedient und wird es immer mehr Spezialisten geben?
Ich glaube, dass es auch in Zukunft Platz für Generalisten und Spezialisten geben wird. Der Markt verlangt zwar zunehmend nach spezialisierten Kenntnissen, aber der Bedarf an umfassender Beratung und ganzheitlichen Lösungen bleibt bestehen. Generalisten können durch eine breite Beratungskompetenz und ein grosses Netzwerk punkten, während Spezialisten durch tiefgehendes Fachwissen in bestimmten Bereichen überzeugen.
Ein anderes Thema ist die Regulierung, die immer weiter zunimmt. Ist das für einen Broker Ihrer Grösse nicht Gift für das Geschäft?
Die zunehmende Regulierung stellt sicherlich eine Herausforderung dar, aber dem ist heute nicht entgegenzuwirken. Deshalb erachten wir es auch als Chance, unsere Prozesse zu optimieren und die Qualität unserer Dienstleistungen zu erhöhen. Weiter können wir durch proaktive Anpassung und Einhaltung der regulatorischen Anforderungen das Vertrauen unserer Kunden und Partner stärken.
Wir erachten die Regulierung auch als Chance, unsere Prozesse zu optimieren und die Qualität unserer Dienstleistungen zu erhöhen.
Wo sehen Sie Schafer Versicherungen AG und den Brokermarkt in zehn Jahren?
Gute Frage! Leider habe ich keine Glaskugel und 10 Jahre sind ein langer Zeitraum. Krisen wie Kriege und Klimawandel, Digitalisierung und künstliche Intelligenz, Konsolidierung, Regulierung und Fachkräftemangel werden auch bei uns ihre Spuren hinterlassen. Solange ich jedoch Spass an meiner Arbeit habe, werden wir weiterhin ein relevantes und angesehenes Brokerunternehmen im Kanton Freiburg und darüber hinaus sein. Wir werden unsere Position durch kontinuierliche Anpassungen, exzellenten Kundenservice und eine starke Unternehmenskultur festigen. Der persönliche Kontakt und die individuelle Beratung werden im Unternehmensgeschäft weiterhin von zentraler Bedeutung bleiben.