Im Vergleich zum Vorjahr haben Schweizerinnen und Schweizer 2022 durchschnittlich mehr verschiedene Versicherungsprodukte, beziehen diese aber gleichzeitig bei weniger Versicherern. Während Loyalisierung und Cross-Selling bei Bestandskundinnen und -kunden somit gut zu funktionieren scheinen, wird es damit immer schwieriger für Versicherungen, neue Kundinnen und Kunden für sich zu gewinnen. Insbesondere, wenn diese schon Beziehungen zu anderen Versicherern pflegen. Um dieser Herausforderung zu begegnen, sind sie daher auf ein leistungsstarkes Lead Management mit Fokus auf die Neukundenakquise angewiesen. Sind potenzielle Kunden und Kundinnen dann erst einmal akquiriert, ist es in einem zweiten Schritt wichtig zu verstehen, wie und wo Kundenloyalität entsteht und auf welche Art und Weise Versicherungen ihren Kundenstamm optimal betreuen können. 

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Autor:
Marco Schulz, Senior Director, elaboratum suisse

«Meaningful Touchpoints» verstehen und nutzen

Die befragten Versicherungskundinnen und -kunden bewerten ihre Versicherung signifikant besser, wenn sie zum Zeitpunkt der Befragung bereits einen Schaden gemeldet hatten, was wenig überraschend ist. Interessant ist hingegen, welche Massnahmen die Unternehmen daraus für sich ableiten: Eine Erhöhung der Schadenquote kann natürlich nicht das Ziel sein. Stattdessen ist es wichtiger, andere solche Berührungspunkte, sogenannte «Meaningful Touchpoints», zwischen Versicherung und Versicherungsnehmer mit hoher Relevanz zu identifizieren oder zu schaffen. Denn genau diese sind für eine gute Betreuung und damit für den Vertrauensaufbau und die Loyalisierung zentral. Dies zeigt sich auch in den Neuabschluss- und Wechselzahlen: Personen, die ein relevantes Lebensereignis, wie einen Jobwechsel, einen Umzug oder Nachwuchs, in der nahen Vergangenheit erlebten, haben eine über 60 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit zu einem solchen Wechsel oder Neuabschluss als Personen ohne ein solches Ereignis. 

Die Herausforderung dabei: Solche Lebensereignisse zu identifizieren und Strategien zu entwickeln, um Kundinnen und Kunden zu solchen Zeitpunkten gezielt zu erreichen. Ein modernes Marketing, welches genau das tut und auf Basis dieser sogenannten «Trigger» zur richtigen Zeit die richtige Botschaft ausspielt, kann deshalb zum echten Differenziator werden. Denn wer diese Momente zuverlässiger und schneller erkennt, hat hohe Chancen, beim Neuabschluss oder Wechsel zu überzeugen.

220716_Grafik_1
Quelle: ZVG

Digitale Angebote in die Customer Journey integrieren 

Dass dies vom stärksten Vertriebskanal der Branche, dem Aussendienst inklusive Brokern, heutzutage vielfach noch nicht optimal umgesetzt wird, zeigt sich in einem eindrücklichen Studienergebnis: So geben weniger als die Hälfte der Befragten an, noch einen persönlichen Berater oder eine persönliche Beraterin (Vertreter oder Maklerin) bei ihrer Versicherung zu besitzen. Wenn man sich die, immer noch starken, Agenturnetzwerke der grossen Versicherer anschaut, bei denen häufig immer noch nahezu jede Kundin oder jeder Kunde einem Kundenberater zugeordnet ist, mag das verwundern. Allerdings kann es bei einem betreuten Bestand von oft über 1’000 Kunden und Kundinnen je Berater nicht überraschen, dass diese Kunden keine echte Betreuung empfinden und nicht realisieren, dass sie persönliche Ansprechpartner haben. Um diese Lücke zu schliessen, ist eine digitale Unterstützung in der Kundenbetreuung erfolgsentscheidend. Diese entlastet dabei den Aussendienst und kann – richtig konzipiert – eigene «Meaningful Touchpoints» mit der Versicherung schaffen. Hier besteht sowohl Potenzial als auch Bereitschaft von Kundenseite. Heute interagiert nur etwas über ein Drittel aller Befragten bereits mehrheitlich via Online-Kontaktmöglichkeiten mit ihrer Versicherung, obschon sich mehr als die Hälfte der Befragten sogar vorstellen kann, wichtige Versicherungsdokumente künftig ausschliesslich digital zu signieren. Dies zeugt von Vertrauen in digitale Lösungen.

220716_Grafik_2
Quelle: ZVG

Die Kunst liegt im Zusammenspiel

Ob es überhaupt digitale Touchpoints in der Kundenbetreuung braucht, ist damit nicht mehr die Frage. Diese sind bereits vielfach vorhanden. Vielmehr liegt die Schwierigkeit darin, die verschiedenen Kanäle wie Agenturen, eigene Webseiten, Vergleichsportale und E-Mails richtig und passgenau zu kombinieren. Dabei haben klassische Versicherer mit Aussendienst gegenüber (digitalen) Direktversicherern nur vermeintlich einen Nachteil. Sie haben zwar eine deutlich höhere Komplexität im Kanalzusammenspiel, dafür aber einen starken zusätzlichen Kanal. Für beide ist das Denken aus Kundinnen- und Kundensicht und in Customer Journeys die Basis. Hierin integrieren sich die bedeutenden Lebensereignisse und die Frage, wie und über welchen Kanal die Versicherer reagieren. Um dies skalierbar aufzustellen, ist ein leistungsstarkes Lead- und Opportunity Management mit integrierter Marketing Automation eine Kernkompetenz. Diese gilt es vielfach noch zu etablieren. Denn nur so können die verschiedenen Kanäle gezielt und entsprechend ihrer dedizierten Rollen und Stärken optimal eingesetzt werden. Dies ebnet den Weg zur gewünschten Loyalisierung und zu erfolgreichem Cross- und Upselling.