Aon hat im dritten Quartal ein sehr gutes Ergebnis erzielt – wie laufen die Geschäfte in der Schweiz?

Eine Brokerfirma wie Aon orientiert sich immer an den Wirtschaftstrends des Landes, in dem sie sich befindet - und folgt ihren Kunden. Der Schweizer Wirtschaft geht es insgesamt recht gut. Somit befindet sich Aon durch einen Kaskadeneffekt seit mehreren Jahren in einem positiven Trend. Was den Fortschritt und die Durchdringung des Schweizer Marktes beschleunigt hat, ist die Tatsache, dass wir vor drei Jahren beschlossen haben, unsere Human Capital und Risk Capital-Teams unter eine einzige Führung zu stellen. Damit verfügen auch wir in der Schweiz erstmals über ein einheitliches Exekutivkomitee.

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Es gibt also eine organisatorische Einheit, die es uns ermöglicht, eine langfristige Vision zu verfolgen und uns gleichzeitig befähigt, kurzfristige Herausforderungen zu bewältigen. Heute haben wir eine klare Vision. Aon Schweiz hat aktuell rund 400 Mitarbeitende und wird voraussichtlich in diesem Jahr die 100-Millionen-Umsatzgrenze überschreiten. Wir sind in der ganzen Schweiz vertreten, sei es in Nyon, im Tessin, in Basel oder in Zürich. Wir sind tief verwurzelt in der Schweiz, haben aber auch eine  internationale DNA. Das macht unseren Erfolg aus und wirkt auch auf junge Talente sehr anziehend. Ich bin jedenfalls sehr stolz auf unsere Identität.

Zur Person

Pierre Brunel ist seit 2021 CEO von Aon Schweiz. Zuvor war er sechs Jahre lang für Aon Westschweiz (Romandie) verantwortlich. Davor hatte er eine leitende Position bei einem führenden internationalen Versicherungsmakler in der Schweiz und im Nahen Osten inne. 

Aon hat im vergangenen Jahr die 3x3-Strategie lanciert. Können Sie das etwas näher erläutern?

Ausgangspunkt der Strategie war die Frage, wie Aon aufgestellt sein muss, um die Kunden bei den heutigen Herausforderungen enger zu begleiten und schneller und weiter in der Entwicklung zu gehen. Deshalb haben wir unser Know-how Human Capital und Risk Capital gebündelt, um schlagkräftiger zu werden. Dadurch sind wir in der Lage, unseren Partnern für alle Probleme globale Lösungen anzubieten.

Der zweite Punkt ist, unsere Kunden in den Mittelpunkt der Organisation zu stellen, was wir als «Aon Client Leadership» bezeichnen. Wir wollen sie aus einer Hand rund um alle Themen und Fragen begleiten, die sich ihnen stellen. Dabei können wir auf ein breites Expertennetzwerk in verschiedenen Ländern und Standorten zurückgreifen, sei es im Bereich M&A, Rückversicherungen oder Captives, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Die dritte Säule der Strategie, die sich im nächsten Jahr vollständig entfalten wird, ist «Aon Business Solutions», kurz ABS. Hier geht es darum, die richtigen digitalen Werkzeuge bereitzustellen, um alles, was die Technologie umfasst - sei es im Hinblick auf den Vertrieb von Produkten, Plattformen, Wissen oder künstlicher Intelligenz - zu kombinieren. Nicht nur direkt für unsere Kunden, sondern auch für unsere Teams, damit diese die Kunden noch besser dabei unterstützen können, fundierte, datenbasierte Entscheidungen zu treffen.

Wir sind nicht dazu da, zu entscheiden, was morgen passieren soll.

Pierre Brunel

In der Schweiz hat Aon bereits eine starke Marktposition. Wie stark sind Ihre Wachstumsambitionen?

Unsere Wachstumsambitionen sind klar und zielgerichtet: Wir wollen gemeinsam mit unseren Kunden wachsen und bieten - basierend auf unserer zuvor beschriebenen Strategie - mehr als nur klassische Broking-Dienstleistungen an. Angesichts der immer komplexer werdenden Herausforderungen, mit denen unsere Kunden konfrontiert sind, haben wir uns darauf spezialisiert, massgeschneiderte Lösungen zu entwickeln, die echten Mehrwert schaffen.

Dabei fokussieren wir uns nicht nur auf Grossunternehmen, sondern richten unser Augenmerk auch auf den Mittelstand. Die Volatilität, der Unternehmen heute ausgesetzt sind, ist also der eigentliche Wachstumsmotor. Aon Schweiz ist inzwischen in der Lage, den gesamten Wirtschaftssektor in der Schweiz zu bedienen. Unsere Fähigkeit, auf komplexe Anfragen oder volatile Marktbedingungen flexibel und innovativ zu reagieren, verschafft uns einen klaren Wettbewerbsvorteil.  

Dank der neuen Generation von Talenten, die wir eingestellt haben, konnten wir erfolgreich in neue Segmente vordringen, insbesondere im Mittelstand sowie in den Bereichen Technologie und Innovation. Wir haben 2022 ein Specialty Team gegründet und sind dadurch beispielsweise heute der grösste auf Cyber spezialisierte Broker. Vor drei Jahren hatten wir praktisch nichts.

Also haben wir dieses Team aus dem Nichts aufgebaut und der Unterschied ist, dass wir unseren Kunden nicht nur Brokerage anbieten, denn das machen alle. Das Interessante ist, dass wir zusätzlich den Beratungsteil eingebracht haben und unsere Kunden ganzheitlich bedienen können.

Viele ihrer Mitbewerber wachsen durch Übernahmen…

Wir legen unseren Fokus eher auf Kunden als auf Wachstum durch Übernahmen. Der Schweizer Brokermarkt ist extrem fragmentiert, zwischen 30 und 40 Prozent der Broker haben 5 bis 15 Mitarbeitende und machen 80 Prozent ihres Umsatzes oftmals mit nur einem Kunden.

Das ist die grosse Masse und für uns weniger interessant. Übernahmen bleiben ein Wachstumsinstrument, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet. Aber meiner Meinung nach wird es eher in Nischensegmenten stattfinden. Was ebenfalls ein attraktiver Wachstumsmotor ist, ist das Anwerben von Talenten und spezialisierten Fachkräften, das wird häufig unterschätzt. 

Geopolitische Risiken zählen zu den grössten Risiken im Unternehmensgeschäft. Sie waren selbst lange Zeit im Nahen Osten - beunruhigt Sie die aktuelle Situation?

Ja, die Situation ist sehr besorgniserregend. Ich habe fünf Jahre in Beirut gelebt und kenne den Nahen Osten und diese Region der Welt ziemlich gut. Das menschliche Leid dort ist unermesslich. Ich telefoniere noch häufig mit Bekannten, die mit einer sehr schwierigen Situation konfrontiert sind. Das geht mir sehr nahe. 

Was die geopolitischen Risiken insgesamt anbelangt, die es überall auf der Welt gibt: Wir sind nicht dazu da, zu entscheiden, was morgen passieren soll. Unser Job ist es, unabhängig von den Umständen Lösungen zu entwickeln, die sowohl zur Absicherung der Risiken unserer Kunden als auch zum Schutz ihrer Mitarbeitenden beitragen. Viele Unternehmen stellen sich derzeit die Frage, ob sie weiter in Schwellenländern produzieren sollen, die politisch instabil sind - oder ob es nicht besser wäre, einen grossen Teil der Produktion zurückzuholen.

Diese Deglobalisierung ist gleichzeitig auch eine Chance. Es ist wie mit der künstlichen Intelligenz: Man darf keine Angst haben. Ich habe keine Angst vor Veränderungen. Sie sind immer eine Chance und man muss sie nur antizipieren, das Umfeld verstehen und Lösungen anbieten, die sich an diese Veränderungen anpassen.

Junge Talente anzuziehen, ist eine Sache. Sie langfristig zu halten, aber eine andere.

Pierre Brunel

Welche sind aus Ihrer Sicht ausserhalb der geopolitischen Risiken die grössten Herausforderungen im Versicherungsgeschäft?

Verkürzt gesagt: Trade, Technology, Weather, Workforce. Die Liefer- und Produktionsketten haben wir ja schon erörtert. Wie wird Künstliche Intelligenz das Verhalten verändern - und wie wird sie sich auf die Bilanz eines Unternehmens auswirken? Die Arbeit einer intelligenten Maschine, die in der industriellen Kette einen Mehrwert erzeugt, wird dann sicherlich auch besteuert. Die Auswirkungen des Klimawandels sind heute schon sichtbar. Was passiert zum Beispiel, wenn man in 20 Jahren sagt, dass wir drei Monate im Sommer mit Temperaturen über 40 Grad verbringen werden? Wie werden die Menschen dann auf den Baustellen arbeiten? Das hat gesellschaftliche Auswirkungen.

Das Thema Arbeitskräfte hingegen begeistert mich. Die Pandemie hat die Arbeitswelt völlig revolutioniert. Wenn Sie heute einem jungen Menschen, der zu Ihnen kommt und den Sie einstellen wollen, sagen: «By the way, wir arbeiten fünf Tage die Woche im Büro». Glauben Sie, dass die jungen Leute kommen werden? No way. Wir müssen unsere Arbeitsmodelle dementsprechend flexibel anpassen.

Aber nur von «Attracting Talent» zu sprechen, reicht auch nicht aus. Wenn du Talente anziehst und sie nach zwei Jahren wieder gehen, hast du deine Investition verloren. Junge Talente anzuziehen, ist eine Sache. Sie langfristig zu halten, aber eine andere. Deshalb liegt mir das Thema Talentförderung besonders am Herzen. Man muss diesen Beruf als Fähigkeit sehen, sich zu erneuern. Ausserdem ist es das, was einen jung hält.

Ich bin leidenschaftlich, wenn es darum geht, etwas weiterzugeben.

Pierre Brunel

Wo stehen Aon Schweiz und Sie persönlich in 5 Jahren?

Aus der Businessperspektive wollen wir den finanziellen Anforderungen natürlich genügen und unsere Strategiepläne erfüllen. Das ist die Grundlage und an sich nichts Besonderes. Aon wird immer sehr gut funktionieren, mit mir oder ohne mich. Mein Job macht mir aber noch immer unglaublich viel Spass.

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Was mich besonders antreibt: Ich glaube, dass wir für die nächste Generation rechenschaftspflichtig sind. Das ist wirklich mein Leitmotiv. Wir haben eine Verantwortung gegenüber unserem wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Umfeld. Was ich in fünf Jahren erreichen möchte, ist, dass Aon in der Schweiz zu einem der attraktivsten Arbeitgeber geworden ist und eine führende Rolle für junge Talente spielt, die sich weiterentwickeln möchten. Ich möchte, dass wir ein Unternehmen werden, das ein Beispiel für Vielfalt und Inklusion ist, das sich seiner ökologischen und sozialen Verantwortung bewusst ist und verantwortungsvoll handelt. Ich lehne den Gedanken ab, dass Wirtschaftswachstum nicht mit sozialer Verantwortung vereinbar ist.

Also für mich ist es sehr wichtig, Aon auf die nächste Generation vorzubereiten und ein Maximum an Wissen an diese junge Generation weiterzugeben. Ich bin leidenschaftlich, wenn es darum geht, etwas weiterzugeben.