Der Boom des Homeoffice seit Ausbruch der Corona-Pandemie hat das klassische Büro nicht überflüssig gemacht. Wegen dem Bedürfnis nach Flexibilität und nach sozialer Interaktion werden Büroflächen weiterhin gebraucht. Das gilt zumindest für moderne Räumlichkeiten in Stadtzentren, während der Büromarkt in der Peripherie unter Druck steht.
Der Prime Tower mit seinen 126 Metern im Trendquartier Zürich-West beherbergt auf einer Fläche von 40'000 m2 zahlreiche Unternehmen aus den Bereichen Finanzen, IT und Personalwesen. Mehrere Mieter haben hier allerdings beschlossen, ihre Bürofläche aufgrund der Pandemie zu reduzieren.
So hat der Vermögensverwalter GAM seine Fläche von zwei Etagen auf noch eine reduziert, um sich an «neue flexible Arbeitsmethoden» anzupassen, wie eine Unternehmenssprecherin gegenüber AWP erklärte. Das Unternehmen wolle die Flexibilität fördern, nachdem es seit Monaten meist positives Feedback von seinen Home-Office-Mitarbeitern erhalten hat.
Den gleichen Schritt hat auch die benachbarte Deutsche Bank (Schweiz) getan, dies als Reaktion auf die «neuen Formen des flexiblen und kollaborativen Arbeitens», wie eine Sprecherin sagte. Mit weniger Bürofläche könne das Finanzinstitut die Nutzung der Räumlichkeiten und auch die Emissionen optimieren.
Solche Entwicklungen scheinen allerdings die Eigentümerin des Prime Tower, die Immobiliengesellschaft Swiss Prime Site, nicht zu stören. Die Abgänge bei der vermieteten Fläche würden als «normal» betrachtet, heisst es von Seiten der Gesellschaft. Tatsächlich konnte das Unternehmen laut eigenen Angaben die Leerstandsquote in der ersten Jahreshälfte um 0,7 Prozentpunkte auf 4,7 Prozent senken.
Adecco: «Arbeitnehmer schätzen die Flexibilität»
Eindeutig gewinnt die Arbeit vom heimischen Bildschirm aus auch hierzulande an Bedeutung, nachdem sich die Schweizer Unternehmen lange Zeit relativ resistent gegenüber dieser Form der Arbeit gezeigt hatten. In einer kürzlich durchgeführten Umfrage des Personalvermittlers Adecco sprachen sich 49 Prozent der Schweizer Arbeitnehmenden fürs Home-Office aus - 58 Prozent erklärten aber gleichzeitig, ihre Kollegen wiedersehen zu wollen. «Die Schweizer Arbeitnehmer schätzen die zusätzliche Flexibilität des hybriden Arbeitens», kommentierte Adecco.
«Wir sehen immer noch ein hohes Mass an Aktivität auf dem Büroimmobilienmarkt», bekräftigt auch David Schoch, Direktor für Forschung und Beratung bei der Immobiliengesellschaft CBRE. Die Unternehmen seien auf der Suche nach neuen Räumlichkeiten, allerdings gebe es nicht viele neue Mietverträge. Die Unternehmen wollten ihren künftigen Bürobedarf abschätzen, bevor sie einen Mietvertrag unterschrieben, so Schoch.
Vergrössert hat die Covid-Krise auch die Kluft zwischen den Stadtzentren und der Peripherie. So schätzt CBRE die Verfügbarkeitsquote für Büroflächen in der Stadt Zürich auf 2,9 Prozent, in der Flughafenregion liegt diese Rate dagegen bei 15,3 Prozent und im Limmattal bei 11,5 Prozent. Ähnlich weit auseinander klaffen die Werte für die Region Genf. «Die zentralen Gebiete sind besser durch die Krise gekommen, während die peripheren Regionen an Attraktivität verloren haben», sagt Schoch.
Swiss Life sieht niedrige Leerstandsraten
Die wichtigsten Akteure der Branche bleiben allerdings gelassen. Der Versicherer Swiss Life, der über ein grosses Immobilienportfolio verfügt, sieht weiterhin niedrige Leerstandsraten in den letzten Monaten. «Gerade in der Innenstadt sehen wir nach wie vor eine gute Nachfrage nach attraktiven Flächen», so ein Sprecher des Lebensversicherers.
Beim Immobilienunternehmen PSP räumt man ein, dass die Nachfrage in Randgebieten unter einem Überangebot leidet. «Die Nachfrage nach modernen Qualitätsimmobilien in der Innenstadt wird bleiben», sagt ein Sprecher auf Anfrage. Dieser positive Trend dürfte sich aufgrund der wirtschaftlichen Erholung und der Ansiedlung ausländischer Unternehmen in der Schweiz fortsetzen, gibt er sich überzeugt.
«Den Unternehmen ist es bewusst, dass sie ihren Mitarbeitern die Flexibilität des Home Office, aber auch ein attraktives und gut gelegenes Büro bieten müssen», sagt der Swiss Life-Vertreter. Die Mieter bräuchten vielleicht weniger Arbeitsplätze, aber sie bräuchten «mehr Platz für Interaktion und Zusammenarbeit».
(awp/hzi/gku)