Die Krankenversicherer dürfen nur mit Zusatzversicherungen Geld verdienen. Denn das seit 1996 geltende Krankenversicherungsgesetz verbietet, dass aus der Grundversicherung Gewinne abfliessen.

Doch der Nationalrat will mit diesem Grundsatz brechen. Ein entsprechender Antrag aus der Gesundheitskommission hat im Nationalrat eine Mehrheit gefunden. Sie soll eine Gewinnverteilung an die Krankenversicherer ermöglichen, wenn diese mit Ärzten, Spitälern oder anderen medizinischen Leistungserbringern günstigere Preise aushandeln, als in Tarifverträgen festgelegt wurde. Ein Teil dieser Einsparung sollen die Versicherer zur freien Verfügung erhalten.

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Thomas Boyer, CEO der Groupe Mutuel, nimmt im Interview dazu Stellung und erläutert die Haltung des drittgrössten Krankenversicherers der Schweiz.

Was hält die Groupe Mutuel von der Idee, mit der Grundversicherung Gewinne erzielen zu können?
Thomas Boyer: Grundsätzlich begrüssen wir innovative Ideen zu mehr Wettbewerb. In diesem Fall hoffen wir jedoch auf Ablehnung des Artikels. Der Vorschlag aus dem Nationalrat ist nicht ausgereift. Zudem widerspricht er dem Sozialversicherungscharakter und unserer Geschäftspolitik. Wir sind in einer Holding organisiert, die von einer nicht gewinnorientierten Stiftung kontrolliert wird. Unser Handeln orientiert sich am Wohle unserer Versicherten und nicht an einer Gewinnmaximierung.

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Der Vorschlag sorgte aber für Aufmerksamkeit und hat im Nationalrat eine solide Mehrheit gefunden. Wieso sagen Sie, er sei nicht ausgereift?
Es gibt mehrere Gründe: Per Gesetz ist es den Krankenkassen verboten, in der Grundversicherung Gewinne zu erzielen. Eine solche Systemänderung steht also quer in der Landschaft. Selbst wenn die Gewinne in die Reserven fliessen würden, wäre dies problematisch, da wir der Meinung sind, dass Reserven nicht übermässig angehäuft werden sollen. Deshalb haben wir im vergangenen Jahr 101 Millionen Franken aus unseren Reserven an unsere Versicherungsnehmer zurückbezahlt. Vorbehaltlich der Genehmigung durch das BAG wollen wir auch in diesem Jahr eine Rückerstattung vornehmen.

Wo sehen Sie weitere Hürden?
Im Nationalrat wurde als Beispiel die Untersuchung mit einem Computertomografen genannt. Wenn diese Geräte zu gewissen Zeiten schlecht ausgelastet seien, könne ein Spital mit den Krankenversicherern einen günstigeren Preis für die Untersuchung vereinbaren. Die Differenz zu den regulären Preisen in den Tarifverträgen wäre also die «Einsparung», die den Versicherten und den Krankenkassen zu Gute käme. An diesem Beispiel zeigt sich schön, dass dies den Anreiz für mehr unnötige Behandlungen schafft. Ausserdem kann dies dazu führen, dass bei den ordentlichen Tarifverhandlungen zu hohe Tarife akzeptiert werden, da mit nachträglichen Rabatten Gewinne gemacht werden könnten. Wir möchten aber im Sinne der Prämienzahler Fehl- und Überversorgungen sowie zu hohe Tarife vermeiden, um die Prämien tief halten zu können.

Die Preisverhandlung ist doch eine Königsdisziplin der Krankenversicherer. Wieso nicht nutzen?
Das machen wir bereits. Die Tarife in unseren Verträgen müssen wirtschaftlich sein, um von den Behörden genehmigt zu werden. Zu hohe Tarife würden gar nicht bewilligt werden. Die Gewinnklausel setzt für diese ordentliche Tarifverhandlung falsche Anreize. Sie könnte dafür sorgen, dass den Krankenversicherer der Antrieb verloren geht, in diesen entscheidenden Verträgen möglichst tiefe Preise auszuhandeln. Das sind wir aber unseren Versicherten schuldig, weil wir die Gesundheitskosten und somit die Prämien unter Kontrolle halten möchten.