Kundenprobleme im Zusammenhang mit der Schadenabwicklung lösen: Das hat sich das junge Schweizer Unternehmen Jarowa zum Ziel gesetzt. Die Plattform verbindet die Schadenabteilungen von Versicherungen mit Dienstleistern und Endkunden. HZ Insurance sprach mit Christian Akeret, Country Manager Switzerland bei Jarowa. Er ist einer der Teilnehmer der neuen «Versicherungsstudie 2022 – Ökosystem: Hype oder Chance» der ZHAW, die in Zusammenarbeit mit Zühlke und Synpulse erarbeitet wurde.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Was fehlt Ihnen in der Diskussion von Ökosystemen im Versicherungsbereich?

Christian Akeret: Der Fokus auf den Schaden! Dabei können Versicherer genau im Schaden ihre Stärke ausspielen. Aber Achtung: Die Kunden interessiert es im Schadenfall nicht, ob sie sich gerade in einem Ökosystem bewegen.

Was interessiert die Kunden denn?

Kunden wollen eine Lösung für ihr Problem. Das Problem-Erlebnis eines unserer Gründer war auch für uns als Unternehmen der Startpunkt. Er hatte einen Wasserschaden gemeldet. Seine Versicherung meinte dann: «Gute Nachricht: Ist gedeckt. Schicken Sie einfach die Offerten der Handwerker, wir prüfen das dann.» Damit war aber sein Problem nicht gelöst. Welchen Handwerker sollte er aufbieten? Wo findet er diese? Arbeiten sie qualitativ gut? In der Regel haben Versicherungsnehmende keine Ahnung von solchen Dingen.

Was folgte dann?

Die Idee für die Gründung von Jarowa war geboren: Es braucht eine zentrale, digitale Plattform, die Dienstleister im Schadenfall mit den Schadenabteilungen der Versicherer verbindet, damit diese dem Versicherten einen verbesserten Schadenservice bieten können. Im Sinne eines Win-Win-Win. 

Was ist für Kunden heute anders?

Heute hätte unser Gründer die folgende Antwort erhalten: «Lieber Versicherter, machen Sie sich keine Sorgen, wir schicken ihnen morgen den Bautrockner X.» Die Abrechnung erfolgt direkt über unsere Plattform und natürlich wird der Auftrag mit einer Bewertung abgeschlossen.
Dadurch wird nicht nur die Kundenzufriedenheit verbessert, sondern die Versicherung kann gleichzeitig die Steuerungsquote erhöhen und profitiert noch von der digitalen Effizienzsteigerung. Somit werden alle drei Bereiche im klassischen Schadendreieck positiv beeinflusst.

Welche Dienstleister sind auf der Jarowa-Plattform registriert?

Das reicht von Ärztinnen für eine versicherungsmedizinische Zweitmeinung, Anwälte für Rechtsschutz- oder Haftungsfälle, alle Arten von Handwerkern zur Reparatur von Hausrats- und Gebäudeschäden, Garagisten und Carossiers für den Mobility Bereich, Dolmetscherinnen und weitere Spezialisten für die Schadenabwicklung. Schadensabteilungen von Versicherungen erteilen Aufträge in erheblichem Umfang. Das macht die Sache auch für die Dienstleister interessant.

Im Krankentaggeld hat Jarowa nach wenigen Jahren eine Marktabdeckung von über 70 Prozent erreicht. Wie ist dieser schnelle Erfolg zu erklären?

Die Nutzung unserer Plattform im Bereich Krankentaggeld bietet wesentliche Vorteile. Über 300 auf Versicherungsmedizin spezialisierte Ärztinnen und Ärzte sind auf der Plattform registriert, Termine für Zweitmeinungen werden direkt über die Plattform gebucht und der Arztbericht erreicht die Versicherung digital nach wenigen Tagen.

Zentral ist für uns ein möglichst einfacher Ablauf für alle Beteiligten. Versicherer können unsere cloudbasierte Lösung mit sehr überschaubarem Aufwand pilotieren und sich so von den versprochenen Vorteilen selbst überzeugen. Es braucht dafür keine internen IT-Ressourcen und kein IT-Budget. Das spart Kosten.

Und was sind die Vorteile für Dienstleister?

Dienstleister können ihr Profil auf unserer Plattform in rund 15 Minuten einrichten. Mehr braucht es nicht. Ohne weiteren Aufwand kommen dann lukrative Aufträge von allen angeschlossenen Versicherungen herein, die geografisch und fachlich zu ihrem Angebot passen. 

Wie verdient Jarowa Geld?

Wir werden nur bezahlt, wenn über die Plattform Dienstleistungen bestellt und abgewickelt werden. Dann stellen wir eine überschaubare Nutzungsgebühr in Rechnung.

Wie messen Sie den Erfolg von Jarowa?

In einigen Fällen konnten wir schon bis zu 35 Prozent der Prozesskosten im Auftragsmanagement unserer Kunden reduzieren. Das wird natürlich gern gesehen. Als vorteilhaft erweist sich auch, dass Versicherer unsere Gebühr als Teil der Schadenabwicklungskosten verbuchen können. Wir sind also nicht Teil der sonst immer kritisch beachteten Kostenquote.

Je mehr Dienstleister auf der Plattform sind, desto attraktiver wird es für Versicherer, mitzumachen. Und je mehr Versicherer mitmachen, desto attraktiver wird es für Dienstleister, dabei zu sein. 

Inzwischen haben wir sogar Dienstleister, die den Versicherern sagen: «Ich arbeite gerne für Euch, aber können wir unsere Zusammenarbeit nicht über Jarowa abwickeln? Das macht mein Leben wesentlich einfacher.» Wir werden also mit jeder neuen Nutzerin für alle Bestehenden wertvoller. So wie eine Social Media Plattform.

Und damit löst ihr eine exponentielle Dynamik aus?

Korrekt. Deshalb konnten wir im Schweizer Markt schnell Fuss fassen und einen Standard etablieren. Nun wollen wir nicht nur in der Schweiz weiterwachsen. Wir sind heute schon in Deutschland und Grossbritannien aktiv. In den nächsten Wochen folgt Italien; die Vereinigten Staaten und Australien sind in Vorbereitung.

Wie wichtig ist die Tatsache, dass ihr «neutral» seid?

Sehr wichtig! Dieses Ökosystem funktioniert nur, wenn gegenüber den Dienstleistern eine standardisierte Lösung existiert. Wenn sie für jeden Versicherer eine eigene Lösung installieren müssten, wird es schnell unattraktiv.

Und die grossen Versicherer würden nie bei einer von der Konkurrenz gebauten Plattform mitmachen; also braucht es eine neutrale Drittpartei wie Jarowa, die es Versicherungen ermöglicht, die Schadenfälle digital zu orchestrieren. Wir achten deshalb auch sehr genau darauf, dass keine Versicherer in unserem Aktionariat vertreten sind.

De facto führt ihr auch für die Versicherer eine Standardisierung ein. Löst das nicht Ängste aus?

Nein. Den Teil, den wir standardisieren, nämlich das Auftragsmanagement, sehen die Versicherer nicht als differenzierend an. Der eigentliche Schadenprozess und auch die Auswahl der Dienstleister wird auch mit dem Einsatz der Jarowa Lösung individuell durch die Versicherung bestimmt. 

In der kürzlich veröffentlichten «Versicherungsstudie 2022 – Ökosystem: Hype oder Chance» an der ich auch teilnehmen durfte, geht klar hervor, dass sich die meisten Versicherer beim Thema Ökosysteme auf den Vertrieb konzentrieren. Dort ist aber die Konkurrenz zwischen den Versicherern am stärksten. Keine möchte austauschbar sein. Deshalb wird es in diesem Teil der Customer Journey ungleich schwieriger, eine zentrale Plattform einzuführen, über die alle Versicherer mit den Versicherten interagieren können. Dies aber ist die Voraussetzung für ein gut funktionierendes Ökosystem.

Der Fokus auf den Schaden war Teil des Erfolgsrezeptes?

Absolut! Interessant ist, dass wir von diesem Startpunkt aus immer mehr Dienstleistungen und Services anbieten können. Neuestes Beispiel ist die Integration des digitalen Marktplates Mira, HZ Insurance hat darüber berichtet. Damit können wir Deckungsprüfungen automatisieren, aber letztlich auch die Produktgestaltung und das Underwriting verbessern. So rutschen wir in der Customer Journey nach vorne.

Was waren und sind die grössten Hürden?

Interessanterweise sind diese kaum technischer Natur. Schwierig war der Start. Den ersten Versicherer auf die Plattform zu bringen, wenn diese noch recht dünn mit Dienstleistern besiedelt ist, war nicht einfach. Hier half unsere gute Vernetzung in der Branche. 

Heute treffen wir bei Versicherern auf operativer Stufe hin und wieder auf Veränderungsängste. Im Sinne von: Was passiert mit meinem Job, wenn wir hier automatisieren? Aus meiner Sicht unterstützt die Jarowa-Plattform bei den administrativen Aufgaben und bietet somit mehr Raum für komplexere Tätigkeiten. 

Auf Managementebene hingegen gibt es ein gewisses Trauma mit IT-Projekten, die allzu oft Millionen verschlungen und wertvolle Ressourcen gebunden haben, ohne dass Resultate folgten. Die Führungsstufe kann oft gar nicht glauben, dass man unsere Plattform einfach so stand-alone installieren kann. Sollte sich zeigen, dass die Nutzungszahlen eine tiefere Integration rechtfertigen, lässt sich dies später immer noch anpassen.


Ein letzter Tipp für andere Plattformbauer ...

Unbedingt die Nutzerinnen und Nutzer von Anfang an einbinden! Auf beiden Seiten schafft man so eine gewisse Verbindlichkeit. Bevor wir auch nur eine Zeile Code programmiert haben, haben wir intensive Workshops mit Versicherern und Dienstleistern organisiert, um deren Bedürfnisse, aber auch deren rote Linien zu verstehen. Dazu ist es natürlich sehr nützlich, wenn man eine gewisse Fachexpertise mitbringt und den Zugang zu Experten hat, um glaubwürdig zu sein.

Zusätzlich macht es Sinn, schon bei der Konzeption und dann auch bei Umsetzung der Plattform einen starken Fokus auf das Thema Datenschutz und Datensicherheit zu legen. Das ist ein zentraler Erfolgsfaktor für eine Plattform, die auch sensitive Daten verarbeitet. 

 


 

Zur Person

Christian Akeret ist Country Manager Switzerland der 2017 gegründeten Jarowa AG mit Sitz in Zug. Er ist seit der Gründung an Bord und hat in den ersten Jahren das Netzwerk Gesundheitswesen in der Schweiz aufgebaut. Vor seiner Zeit bei Jarowa war Chistian Akeret als CFO in internationalen Unternehmen tätig.