Eine Studie von PwC und Morningstar zeigt: Das Angebot an grünen Fonds steigt. Treiber dieser Entwicklung ist die Regulierung, doch auch Anleger fordern verstärkt nachhaltige Finanzprodukte. Der Fondsvertrieb beklagt mangelnde Transparenz und Informationsdefizite. Was kann verbessert werden?

Der Hauptkritikpunkt für Endkunden ist die Zugänglichkeit von Informationen. Es ist einfach immer noch schwierig, konkrete Informationen über die ESG-Performance eines Produkts zu finden, die über vage Aussagen hinausgehen. Oftmals findet man nur statische PDF-Dateien mit einer groben Beschreibung der ESG-Strategie eines Produkts. Für einen Endkunden ist es schwer, anhand der derzeit verfügbaren Informationen zu verstehen, welche tatsächlichen Auswirkungen sein Geld hat, zum Beispiel, wie es zur Begrenzung der globalen Erwärmung beiträgt oder wie es soziale Vorhaben unterstützt. Ein besserer Weg wäre die interaktive Anzeige von Informationen und die Darstellung der realen Auswirkungen der Investition auf eine Weise, die für den Kunden greifbarer ist. 

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Wie können Anleger prüfen, welche tatsächlichen Umwelteffekte das von ihnen gewählte ESG-Produkt hat?

Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Anleger ihre Finanzdienstleister um detaillierte Informationen über die angebotenen Produkte bitten, wenn die Informationen, die sie online finden, nicht ausreichend sind. Zwar gibt es noch keine Garantie oder Kennzeichnung für Produkte mit realen Auswirkungen, aber ein Anbieter eines Produkts, das messbare reale Auswirkungen hat, ist höchstwahrscheinlich auch in der Lage, detaillierte Informationen darüber zu liefern. Die Kunden sollten solche Informationen verlangen, da dies den Druck für detailliertere und konkretere Informationen über die ESG-Leistung von Finanzprodukten erhöht.


Bereits ein Drittel des europäischen Fondsvermögens gilt als nachhaltig klassifiziert. Wie wird Nachhaltigkeit bewertet und gemessen für eine solche Einstufung? 

Die Aussage zur Nachhaltigkeit bezieht sich auf europäische Fonds, die gemäss der Verordnung über die Offenlegung nachhaltiger Finanzinstrumente als Artikel 8 (fördert unter anderem ökologische oder soziale Merkmale) und Artikel 9 (hat eine nachhaltige Investition zum Ziel) eingestuft werden. Die PwC-Studie ergab, dass die Fondsemittenten bei der Einstufung ihrer Fonds als nachhaltig sehr unterschiedliche Ansätze verfolgten. Wobei einige konservativer waren als andere – was auch darauf zurückzuführen ist, dass die Level-1-Anforderungen der Sustainable Finance Disclosure Regulation der EU (kurz SFDR) bisher nur wenig Orientierung boten. Die Level-2-Anforderungen sind detaillierter, sodass wir erwarten, dass die Unterschiede in Bezug auf die ESG-Leistung innerhalb einer Produktkategorie etwas geringer ausfallen werden. Die Einstufung nach Artikel 8 oder 9 kann als Hinweis auf die ESG-Merkmale eines Produkts dienen, ist aber sicherlich kein Label oder eine Garantie für seine allgemeine Nachhaltigkeit.

Sind die EU-Regelungen und Klassifizierungen eine Gewähr, dass Greenwashing vermieden wird? 

Die Klassifizierungen und Verordnungen sind keine Garantie dafür, dass Greenwashing nicht mehr vorkommt, aber geben eine richtige Stossrichtung vor, indem sie Transparenz und eine formale Offenlegung erfordern. Das Bewusstsein dafür, dass Aussagen über ESG-Eigenschaften von Finanzprodukten auf Fakten und messbaren Daten beruhen müssen, nimmt sicherlich zu – ebenso wie das Bewusstsein dafür, dass Prozesse und Kontrollen implementiert werden müssen, um sicherzustellen, dass ESG-Strategien konsequent verfolgt werden und jederzeit mit den öffentlich gemachten Aussagen übereinstimmen.

Von grünen Anlageprodukten sind laut PwC-Studie vor allem die Jungen und die Frauen fasziniert. Welchen Einfluss übt diese neue Generation von Investoren aus?

Diese Personengruppen, insbesondere die Generationen Y und Z, sind die Kapitaleigner der Zukunft und werden eher als die ältere Generation einen Anbieter wechseln, wenn sie feststellen, dass dieser nicht mit ihren Werten übereinstimmt. Daher ist es für Finanzdienstleister wichtig, sicherzustellen, dass die Bedürfnisse dieser Kundengruppe gehört und berücksichtigt werden. Da auch immer mehr Fintechs auf den Markt drängen, laufen sie sonst Gefahr, Kunden an Wettbewerber zu verlieren, die die Bedürfnisse dieser Kunden besser verstehen und bedienen.

Ab Juli 2022 werden Fondsanbieter gesetzlich verpflichtet, noch detailliertere Informationen rund um Nachhaltigkeit zur Verfügung zu stellen. Was bringt dies mit sich? 

Die Level-2-Anforderungen beinhalten neben detaillierteren Anforderungen an die offenzulegenden Informationen auch verpflichtende Vorlagen, um die ESG-Informationen offenzulegen und damit die Daten zu strukturieren und vergleichbarer zu machen. Die genauen Anforderungen können im Final Report on the Regulatory Technical Standards nachgelesen werden, der von der ESMA veröffentlicht wurde.

Wie anspruchsvoll ist die Datenerhebung für eine ESG-Klassifizierung? 

Die Datenverfügbarkeit ist definitiv eine Herausforderung, vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen sind die Daten nicht immer verfügbar und müssen teilweise manuell erhoben werden, was mit viel Aufwand auf beiden Seiten, sowohl aufseiten des Investors als auch aufseiten des zu investierenden Unternehmens, verbunden ist. Anstatt jedoch nach Perfektionismus zu streben, sollten wir uns nach besten Kräften bemühen, Datenlücken zu schliessen und allfällige derzeit nicht zu behebende Datenlücken transparent offenzulegen.

Wie geht man mit Risiken in einem komplexen Umfeld um, die dazu tendieren, auf nicht lineare Weise zuzunehmen?

Ein bewährtes Instrument zur Bewertung von Risiken und Exposition in einer unsicheren Welt ist die Szenario- und Sensitivitätsanalyse, die im Finanzrisikomanagement weit verbreitet ist: Die Anwendung beider Methoden gewinnt auch im Bereich der ESG immer mehr an Bedeutung und kann dazu beitragen, die Exposition gegenüber Risiken zu verstehen, die in einer sich verändernden Welt auftreten. 

Inwieweit ist die Einbeziehung von ESG-Kriterien eine Frage der Technologie und der Rechenleistung?

Technologie und Rechenleistung erleichtern sicherlich die Einbeziehung von ESG-relevanten Daten in Modelle, Berechnungen und Prozesse. Doch selbst, wenn man noch nicht über die neueste Technologie verfügt, sollte dies keine Entschuldigung dafür sein, vorhandene Daten bei der Bewertung von Risiken nicht zu berücksichtigen.