Fredy Hasenmaile, welche Auswirkungen hat die gegenwärtige Situation auf dem Immobilienmarkt auf institutionelle Anleger wie Pensionskassen und Versicherungen?

Wir bei der Raiffeisen beobachten, dass sich für viele institutionelle Anleger wie etwa Pensionskassen allmählich wieder eine Situation des Anlagenotstands einstellt.

Die Pensionskassen sehen ja nicht nur den Immobilienmarkt, sie haben immer das ganze Anlagespektrum vor Augen. Man hat jahrelang den Shift Richtung Obligationen gesehen. Inländische Obligationen haben letztes Jahr eine gute Performance gebracht. Aber jetzt sind die Kupons gesunken, und auch Unternehmensanleihen werfen nicht mehr so viel ab wie noch vor kurzer Zeit.

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Was bedeutet das für institutionelle Anleger?

Es entsteht wieder ein Druck für die Assetmanager von Pensionskassen: Woher kommt die nötige Rendite? In einem tiefen Zinsumfeld richtet sich der Blick vermehrt auf Sachwerte. Immobilien gehören in diese Anlageklasse, aber auch Aktienanlagen. Doch dort haben wir schon sehr hohe Bewertungen plus höhere Risiken.

Also bleibt nur Betongold?

Im gegenwärtigen Umfeld ist das Immobiliensegment sehr dankbar. Wir beobachten bereits, dass die Institutionellen wieder zurückkommen. Sie hatten sich vorübergehend an die Seitenlinien verschoben.

Wir sehen dies bereits bei indirekten Immobilienanlagen. Hier verzeichnen wir wieder sehr hohe Werte, nicht zuletzt getrieben vom grösseren Interesse von Institutionellen. Der Grund: Indirekte Investitionen lassen sich am schnellsten realisieren.

Schlägt das Pendel nun auch bei direkten Investitionen zurück?

Ja, auch bei den Direktanlagen spüren wir das am Markt. Einzelne institutionelle Anleger bedauern gewisse Verkäufe, die sie in den letzten zwei, drei Jahren tätigten: Heute wünschen sie sich, man hätte gar nicht verkauft. Teilweise wird sogar probiert, einst veräusserte Liegenschaften wieder zurückzukaufen.

Rechnen Sie aufgrund der besseren Rahmenbedingungen, Stichwort gesunkene Hypo-Zinsen, mit einer stärkeren Bautätigkeit?

Für die Institutionellen ist die Refinanzierung kaum entscheidend. Sie verfügen meist über sehr viel Eigenkapital und investieren das dann. Doch für Pensionskassen sind Wohnliegenschaften und Geschäftshäuser ein Thema, weil ihnen andere Renditebringer regelrecht wegbrechen.

Dadurch erfährt auch die Entwicklungstätigkeit wieder Auftrieb. Drei Faktoren haben diese in den letzten Jahren stark gehemmt: Das eine ist die hohe Bauteuerung, das zweite sind die erhöhten Zinskosten.

Die ersten beiden Faktoren sind mehr oder weniger wieder verschwunden. Die Zinsen bewegen sich wieder auf tiefem Niveau. Die steigenden Baukosten haben sich beruhigt. Trotzdem liegen sie heute etwa 20 Prozent höher als noch vor Corona.

Und der dritte Faktor?

Das sind strukturelle Veränderungen, die sehr langfristig wirken. Der Verdichtungsprozess beziehungsweise die Anpassung bei der Raumplanung führen dazu, dass man als Bauherr oder Investor mit komplexen Situationen konfrontiert ist. Gebaut wird heute nicht mehr auf der grünen Wiese, sondern oftmals im städtischen Gebiet, zumeist ein Ersatzneubau. Da hat man sehr viele Nachbarn und oft sehr viel Widerstand.

Könnte man von einem erneuten Immobilienboom sprechen? Von einer Goldgräberstimmung?

(schüttelt den Kopf) Nein, ich würde nicht so weit gehen. Zwar stehen wir am Anfang eines neuen Immobilienzyklus. Man merkt, dass die Transaktionspreise wieder steigen. Doch wir haben hohe Preise, da kaum eine Preiskorrektur stattgefunden hat. Einen Bauboom wie in den Jahren 2016 bis 2020 haben wir daher noch lange nicht.

Es wird viel zu wenig gebaut. Woran liegt das?

An strukturellen Bremsfaktoren wie etwa immer mehr Regulierung und zunehmenden Einsprachen. Zwei Bundesgerichtsentscheide, 2011 und 2017, sind massgeblich dafür verantwortlich. Der erste hat die Einspracheberechtigung massiv ausgedehnt, der zweite die Kostenfolgen massiv reduziert. Hier wäre der Gesetzgeber gefordert, die gesetzlichen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass diese bremsende Einspracheflut wieder abebbt.

Als Investor muss man heute sehr eng rechnen, damit es aufgeht – und genau prüfen, welche Mietzinsen noch bezahlt werden. Das ist letztendlich ja die Aufgabe der Projektentwickler und Investoren.

Die Preise von Liegenschaften steigen seit Jahrzehnten. Ist da nicht irgendwann das Ende der Fahnenstange erreicht? Mieten sind ja bald kaum mehr bezahlbar …

Nein, die Entwicklung geht weiter. Knappheit heisst steigende Mieten, und zwar so lange, wie ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Markt herrscht. Daher führt kein Weg am Bau von zusätzlichen Wohnungen vorbei, will man den Mietpreisanstieg zum Halten bringen.
 
Der Mietpreisanstieg belastet breite Mieterschichten. Doch die Menschen in den untersten 10 bis15 Prozent der Einkommensschicht haben wirklich grösste Mühe, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Sie können zum Teil schlicht nicht noch mehr bezahlen. Für diese Bevölkerungsgruppe müssen wir Lösungen haben.

Was schlagen Sie als Ökonom vor?

Preisgünstigen Wohnraum bereitstellen mit klaren Kriterien – oder noch besser: direkte Subjektförderung. Für die anderen 85 bis 90 Prozent der Bevölkerung stellt sich der Mietpreis nicht so viel anders dar als in der Vergangenheit. Der Anteil am Haushaltsbudget bleibt mehr oder weniger gleich.

Zusammengefasst sagen Sie: Die professionellen Investoren würden gerne investieren, können aber nicht so, wie sie es gerne wollen. Und das Geld dazu ist eigentlich auch da …

Sie sagen es richtig, das notwendige Kapital wäre grundsätzlich da. Doch Versicherungen und andere Institutionelle machen stets eine Abwägung. Was ist meine Rendite, und wie viel Aufwand habe ich?

An der Rendite wird es wohl kaum liegen, wohl eher am Aufwand, oder?

(nickt) Wenn der Aufwand zu gross wird oder sich eine gewisse Rechtsunsicherheit ergibt, muss man sich nicht wundern, wenn sich die Investoren für Alternativen entscheiden. Solche Alternativen wird es auch in Zukunft geben, etwa Infrastrukturvorhaben oder Private Equity weltweit.

Und schöne Renditen gibt es auch andernorts. Darum muss man die Anreize so setzen, dass es für mehr Investoren wieder aufgeht, Wohnungen zu bauen.

Sie sprechen die Regulierung und andere Hemmnisse an?

Nichts gegen eine sinnvolle und massvolle Regulierung, doch gegenwärtig sind Auflagen, Einsprachen, Ortsbildschutz, Lärmschutz et cetera zum eigentlichen Hemmschuh geworden. Diese Situation gilt es abzumildern respektive anzupassen.

Dazu kommt die notwendige Rechtssicherheit. Wer will schon Millionen in ein Grossprojekt investieren, um dann zu erfahren, dass er es nun doch nicht umsetzen kann?
 

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