Brazilian – so lautet der Name des Lieblingssingletrails von Nina Arquint im Wallis. Dieser besticht durch perfekte Kurven sowie eine traumhafte Aussicht auf die umliegenden 4000er. Dass man sich die Abfahrt zuerst durch eine Stunde Bike-Hochstossen verdienen muss, ist für Arquint das Sahnehäubchen obendrauf. Biken ist für sie ein Sinnbild für gelebtes Risk Management. «Ich bin mir der Risiken bewusst und bereite mich und mein Material gezielt darauf vor.» Und genau wie beim Biken sieht sie Risiken auch als Risk Managerin immer wieder als Opportunität, Neues zu entdecken und Dinge anders anzugehen.
Dass sie sich beruflich mit Risiken auseinandersetzt, ist jedoch dem Zufall geschuldet. «Während meiner Studienzeit nahm ich einen Job im Rechtsdienst des Bundesamts für Privatversicherungen im Bereich Regulierung an.» Alles andere als Zufall war aber die Studienwahl – bereits als Jugendliche war für sie klar, dass sie ein Jus-Studium absolvieren will: «Ich war fasziniert von der Idee, durch das Verständnis und die Anwendung des Rechts Gerechtigkeit zu erreichen.»
Anwältin in einer Kanzlei wollte sie aber nicht werden. «Ich merkte schnell, dass ich mich in grösseren Organisationen extrem wohl fühle, mir gefiel das breite Spektrum.» Wohl fühlte sie sich auch sofort bei ihrer ersten Arbeitsstelle im Bereich Versicherungsregulierung, da es sie anspornte, die Regeln für die Zukunft des Versicherungsmarkts Schweiz mitgestalten zu können. 2009 übernahm sie zuerst die Leitung des Generalsekretariats der Finma und vier Jahre später wechselte sie in deren Geschäftsleitung. «Während dieser Zeit habe ich realisiert, wie wichtig für Firmen der Dialog mit der Aufsichtsbehörde ist.» Als Vorsitzende des Enforcement-Ausschusses habe sie zudem erfahren, welchen Einfluss die Risikokultur und Anreizsysteme auf das Verhalten von Menschen in Unternehmen haben kann.
Aus dieser Erkenntnis wuchs der Wunsch, Risk Management nicht nur als Konzept und von der regulatorischen Seite her einzusetzen, sondern ein Unternehmen dabei zu unterstützen, eine proaktive Risikokultur zu leben.
Good Governance ist für Nina Arquint auf jeden Fall eine wichtige Voraussetzung für ein nachhaltiges Risk Management. Dazu gehört aber auch, dass die Risikokultur in einer Organisation verstanden wird und verankert ist. «Je ernsthafter die Führungskräfte Transparenz und Verlässlichkeit vorleben und je mehr sie den Dialog mit den Mitarbeitenden pflegen, desto mehr Vertrauen entsteht, damit eine offene Risikokultur gelebt wird und Überraschungen vermieden werden können.» Und gegenseitiges Vertrauen und Eigenverantwortung, davon ist die leidenschaftliche Bikerin überzeugt, sind zentrale Grundlagen, um als Firma langfristig auf Erfolgskurs zu bleiben. «Es ist wie beim Biken, schwierige Trails fahre ich nur mit Menschen, denen ich vertraue.»
Genauso wie sie auf kurvigen Bergwegen den Lenker fest in der Hand halten muss, hält Nina Arquint auch das «Steuerrad» in ihrem Bereich klar auf Kurs. «Führen bedeutet vorausschauen und lenken, aber nicht kommandieren; das habe ich im Laufe meiner beruflichen Stationen gelernt.» Als Führungsteam eine gemeinsame Zielsetzung zu haben, ist für sie sehr wichtig. «Ich gebe die groben Linien vor und meine Mitarbeitenden haben den Freiraum, eigenverantwortlich innerhalb dieser Richtlinien zu handeln und die Ziele umzusetzen. Zudem ist meine Türe jederzeit offen und der offene Austausch mehr als willkommen.»
In ihrer Funktion als oberste Risikomanagerin im Bereich Corporate Solutions setzt sich Nina Arquint seit einigen Jahren mit viel Engagement für Nachhaltigkeit, genauer für den Ausstieg der Swiss Re aus dem Geschäft mit der Kohle ein, um die UN-Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Im Juli wurde sie dafür von der Geneva Association mit dem Women in Insurance Award ausgezeichnet. «Die Auszeichnung ist für mich sekundär; weit wichtiger ist, dass wir als Unternehmen einen echten Beitrag zur Minimierung des CO2-Ausstosses leisten.»