Darum geht's
  • Das EU-Recht hat sich in den vergangenen Jahren jedoch weiterentwickelt, vor allem in Bezug auf nachhaltige Unternehmensführung
  • Wegen der engen wirtschaftlichen Verflechtungen sind sowohl grosse als auch kleine Schweizer Unternehmen von den neuen EU-Regeln betroffen
  • Für die betroffenen Unternehmen ist das mit Aufwand und Kosten verbunden
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Der Ansatz ist löblich und nachhaltig: Grosse Schweizer Unternehmen müssen Transparenz zu ihrer Geschäftstätigkeit schaffen, so auch zu Risiken in den Bereichen Umwelt, Sozialbelange, Arbeitnehmerbelange, Menschenrechte und Bekämpfung der Korruption. Dazu kommt die sogenannte Nachhaltigkeitsberichterstattung über die ergriffenen Massnahmen. Mit dieser Regelung hat sich die Schweiz für eine international abgestimmte Gesetzgebung entschieden.

Der Hintergrund: Im November 2020 wurde die Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt» an der Urne abgelehnt und der indirekte Gegenvorschlag des Parlamentes angenommen. Der Anfang 2022 in Kraft getretene Gegenvorschlag enthält nun im Obligationenrecht (OR) Bestimmungen zur «Transparenz über nicht finanzielle Belange» und über «Sorgfaltspflichten und Transparenz bezüglich Mineralien und Metallen aus Konfliktgebieten und Kinderarbeit». Mit einem Vorentwurf sollen die Normen jetzt an das verschärfte EU-Recht angepasst werden, denn der Bundesrat will bei der nachhaltigen Unternehmensführung international abgestimmt bleiben.

Abweichung zum EU-Recht

Das EU-Recht hat sich in den vergangenen Jahren jedoch weiterentwickelt. Dies vor allem in Bezug auf die nachhaltige Unternehmensführung mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), welche dazu geführt hat, dass es zu erheblichen Abweichungen zwischen Schweizer Recht und EU-Recht gekommen ist. Das Problem für die Schweiz: Wegen der engen wirtschaftlichen Verflechtungen sind sowohl grosse als auch kleine Schweizer Unternehmen von den neuen EU-Regeln – direkt oder indirekt – betroffen. Die entsprechende Regulierungsfolgeabschätzung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (RFA) geht derzeit von bis zu 50’000 betroffenen Unternehmen aus.

Diesen Sommer hat der Bundesrat nun die Vernehmlassung zu den neuen Bestimmungen im OR eröffnet. Der Plan: Künftig soll analog zu den Regeln in den Staaten der EU eine grössere Anzahl Unternehmen über die Risiken ihrer Geschäftstätigkeit in den Bereichen Umwelt, Menschenrechte und Korruption sowie die dagegen ergriffenen Massnahmen Bericht erstatten müssen. Konkret will der Bundesrat in Zukunft rund 3500 Unternehmen in die Pflicht nehmen.

Analog zur EU sollen auch in der Schweiz (neben den Publikumsgesellschaften) Unternehmen mit einer Grösse ab einer Belegschaft von 250 Mitarbeitenden, 25 Millionen Franken Bilanzsumme und 50 Millionen Franken Umsatz zur Berichterstattung verpflichtet werden, allerdings nur, wenn sie zwei von drei Schwellen während zwei aufeinanderfolgenden Jahren erreichen. Heute gilt diese Pflicht erst ab 500 Mitarbeitenden – ab 20 Millionen Franken Bilanzsumme und 40 Millionen Franken Umsatz – und trifft rund 300 Unternehmen. Ausserdem muss die Berichterstattung neu von einem externen Revisionsunternehmen oder einer Konformitätsbewertungsstelle überprüft werden.

Es versteht sich von selbst, dass die neuen Regeln für die betroffenen Unternehmen mit Aufwand und Kosten verbunden sind. Der Bundesrat prüft daher, wie er Schweizer Firmen Hilfsmittel für die Umsetzung der neuen Vorgaben bereitstellen könnte. Im Unterschied zu den Unternehmen in der EU sollen jene in der Schweiz jedoch die Wahl haben, sich bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung entweder am EU-Standard oder an einem anderen gleichwertigen Standard zu orientieren. Der Bundesrat wird diese Standards dereinst in der entsprechenden Verordnung festlegen.

Kritische Wirtschaft

Die grossen Dachverbände der Wirtschaft begrüssen zwar die Überprüfung der bestehenden Regeln und stemmen sich nicht grundsätzlich gegen eine Weiterentwicklung der Vorgaben. Doch wenn es ins Detail geht, stossen die bundesrätlichen Vorschläge auf Kritik. Etwa beim Verband Economiesuisse, welcher die Interessen der «wettbewerbsorientierten, international vernetzten und verantwortungsbewussten Schweizer Wirtschaft» vertritt. Obwohl die Wirtschaft die Revision des Schweizer Rechtsrahmens zur Sicherung der internationalen Kompatibilität bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung unterstütze, so der Dachverband der Schweizer Wirtschaft, «verfehlt die Vorlage dieses Ziel deutlich». Der Entwurf müsse daher umfassend überarbeitet werden.

Der Punkt sei, dass sich Schweizer Unternehmen an verschiedenen internationalen Regelwerken orientieren müssen, nicht nur an dem der EU. Es sei daher von zentraler Bedeutung, dass die Schweiz eine eigene, prinzipienbasierte und flexibel ausgestaltete Regulierung entwickelt, die nicht nur den EU-Standards folge, sondern auch mit internationalen Standards, wie jenen des International Sustainability Standards Board (ISSB), zu vereinbaren sei, so Economiesuisse.

Globale Ausrichtung

Ins gleiche Horn stösst Swissholdings. Der Vorentwurf orientiert sich aus Sicht des Wirtschaftsverbandes zu starr an der EU-Richtlinie CSRD. «Für unsere Mitglieder ist es entscheidend, dass die Schweiz einen eigenständigen Regulierungsansatz entwickelt, um im weltweiten Wettbewerb konkurrenzfähig zu bleiben», schreibt Swissholdings, der die grossen Industrie- und Dienstleistungsunternehmen in der Schweiz vertritt. Während die Kompatibilität mit dem EU-Ansatz von Bedeutung sei, bedürfe es einer breiteren, globalen Ausrichtung – insbesondere da über 50 Prozent der Exporte der Mitgliedsunternehmen in Länder ausserhalb der EU gehen.

Swissholding lehnt wie auch Economiesuisse eine Ausweitung der neuen Vorschriften auf kleine und mittlere Unternehmen ab und empfiehlt, generell auf eine Revisionspflicht für die Nachhaltigkeitsberichte zu verzichten. Zudem sollte das bewährte «Comply or Explain»-Prinzip beibehalten werden, damit Unternehmen nur relevante Informationen offenlegen müssen.

Nachbesserungen verlangt auch Scienceindustries, der mit seinen rund 250 Mitgliedsunternehmen aus den Bereichen Chemie, Pharma und Life Sciences rund 50 Prozent Anteil an den Schweizer Gesamtexporten als Schwergewicht der Schweizer Wirtschaft gilt. Die Schweiz soll einen flexiblen Ansatz in der Nachhaltigkeitsregulierung entwickeln, um international wettbewerbsfähig zu bleiben, so der Wirtschaftsverband. Zwar sei die Kompatibilität mit der EU wichtig, doch sollte der Fokus globaler ausgerichtet sein.

Die Verpflichtung der chemisch-pharmazeutischen Industrien zur Nachhaltigkeit orientiere sich an der Agenda 2030. «Unsere Industrien verstehen sich als Teil der Lösung und tragen zur Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (SDGs) bei; entsprechende Wichtigkeit hat auch die Nachhaltigkeitsberichterstattung für unsere Industrien», erklärt Scienceindustries.

Das Fuder überladen

Harscher fällt die Reaktion des Schweizerischen Gewerbeverbands aus. Er lehnt die Vorlage in der vorliegenden Form ab. Unter anderem wegen der Liste mit den Erfordernissen, die viel zu umfangreich sei. Über nicht weniger als zehn Punkte müsse ein Unternehmen Rechenschaft ablegen, was den Rahmen vor allem für KMU sprenge.

Sauer stösst dem Gewerbeverband auch die «Kriminalisierung von Unternehmen und ihrer Verantwortlichen» auf. So soll mit einer Busse bis zu 100’000 Franken bestraft werden, wer in den Berichten vorsätzlich falsche Angaben macht, die Berichterstattung unterlässt oder der gesetzlichen Pflicht zur Dokumentation und Aufbewahrung des Berichts nicht nachkommt. Dieses Strafmass sei unverhältnismässig und auf maximal 20’000 Franken zu reduzieren. Scienceindustries verlangt sogar die Streichung der Strafbarkeitsklausel in Bezug auf fahrlässige Verstösse gegen die Berichterstattungspflicht. Das Strafrecht solle nur als «ultima ratio» angewendet werden.

Botschaft ans Parlament

Mitte Oktober war das Vernehmlassungsverfahren abgeschlossen. Dem Bundesrat schlägt also seitens der Wirtschaft keine Fundamentalopposition entgegen. Verlangt wird vielmehr ein pragmatischeres Vorgehen; Politik und Verwaltung sollten der Wirtschaft nicht übermässig Steine in den Weg legen, indem laufend neue Vorgaben entwickelt würden und zu einseitig auf CSRD-Richtlinie der EU abgestützt werde. Die eingegangenen Stellungnahmen werden derzeit ausgewertet. Der Bundesrat wird «zu gegebener Zeit» vom Ergebnis der Vernehmlassung Kenntnis nehmen und zuhanden des Parlaments eine Botschaft verabschieden. Fortsetzung folgt.

Dieser Beitrag ist Teil des am 28. November 2024 erschienenen HZ-Insurance-Print-Specials «Riskmanagement».