Grosse Pensionskassen, gelistete Immobilienfirmen, Immobilienfonds und mit der Swiss Life auch die grösste Lebensversicherung der Schweiz sind Grossgrundbesitzer. Allein die Swiss Life besitzt Immobilien im Gesamtwert von mehr als 116 Milliarden Franken – fast doppelt so viel wie der grösste Immobilienfonds der Welt, wie Analysten und Analystinnen der Bank Vontobel berechnet haben. In Europa ist die Swiss Life damit die zweitgrösste Immobilienbesitzerin, weltweit die Nummer 15. Aber was passiert, wenn jetzt die Zinsen steigen? Drohen dann die gleichen Probleme wie bei einigen grossen chinesischen Immobilienunternehmen? Die Fachleute beruhigen: Die grossen Versicherungen und Immobilienunternehmen kaufen Objekte, weil sie an den laufenden Mieteinnahmen interessiert sind, wie die Vontobel-Analysten Simon Fössmeier und Pascal Furger erklären.
Immobilien als Ersatz für Obligationen
Grosse Versicherungen hatten ihre Immobilienbestände in den vergangenen Jahren (auch) als Ersatz für die Erträge aus auslaufenden Obligationen aufgestockt. Temporäre Veränderungen bei der Wertentwicklung bräuchten die grossen Immobilienunternehmen nicht zu kümmern, beruhigen die Vontobel-Spezialisten. Für sie sind deshalb Firmen wie die Swiss Life sowie «reine» Immobilienunternehmen wie Investis oder PSP weiterhin günstig bewertet.
Auch der Anteil der Immobilienanlagen in den Portfolios von Schweizer Pensionskassen stieg über die letzten Jahre hinweg kräftig an und liegt gemäss dem Credit Suisse Schweizer Pensionskassen Index für das zweite Quartal bei rekordhohen 25,7 Prozent. «Entsprechend sind die Ausbaumöglichkeiten einiger Akteure und Akteurinnen eingeschränkt», kommentiert Ulrich Braun, Leiter Immobilienstrategien und -beratung bei Credit Suisse Asset Management. «Die grossen institutionellen Immobilienportfolios sind in relativ stabilen Händen und auf lange Frist ausgelegt», so Braun weiter. «Historisch waren Immobilienmärkte immer Zyklen unterworfen. Entsprechend können Phasen der Wertkorrektur dazu genutzt werden, Opportunitäten wahrzunehmen.» Denn die Wertentwicklung von Immobilienportfolios ist von vielen Faktoren abhängig. Dazu gehören die Qualität der Lage, die Nutzung der Liegenschaft oder das Gebäudealter. «Generelle Prognosen sind daher schwierig», so Braun.
Die Wertentwicklung basiert auf Immobilienbewertungen, die von externen Sachverständigen mit der Discounted-CashflowMethode (DCF) ermittelt werden. Bei diesem Vorgehen wird der Marktwert einer Immobilie durch die Summe aller in Zukunft zu erwartenden, auf einen Stichtag diskontierten Nettoerträge bestimmt. Diskontiert wird pro Liegenschaft unter Berücksichtigung von individuellen Chancen und Risiken.
Mietobjekte sind resistent
Entsprechend sind laut Braun viele unterschiedliche Einflussfaktoren zu berücksichtigen. Unter anderem muss man sich folgende Fragen stellen: Wie entwickeln sich die Diskontsätze beziehungsweise die Renditen von Liegenschaften bei Transaktionen? Wie entwickeln sich die Mieteinnahmen in Zukunft? Und wie die Leerstände? Es gibt derzeit im Grossraum Zürich einige grössere Büroliegenschaften, bei denen es abends dunkel bleibt – und Homeoffice der Belegschaft nicht der Grund dafür ist. «Aktuell befindet sich die Schweizer Volkswirtschaft in einer turbulenten Phase, wobei das Risiko einer volkswirtschaftlichen Abschwächung besteht», sagt Braun.
Gleichzeitig ist die Inflation stark angestiegen. Deshalb hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) einen Zinsschritt durchgeführt, und in Zukunft werden weitere erwartet. «Attraktiv sind in diesem Umfeld langfristig vermietete kommerzielle Liegenschaften mit bonitätsstarken Mieterinnen und Mietern», so Braun. «In diesem Segment kommt die Inflationsindexierung zum Tragen, wodurch die Mieteinnahmen wachsen. Unverändert gesucht sind Wohnimmobilien, weil sie in Phasen von wirtschaftlichen Schwankungen sehr resistent sein können.»
Dieser Artikel ist erstmals erschienen in der Handelszeitung Nr. 38 vom 21. September 2022 unter dem Titel «Nur die Regulierung setzt Grenzen»