Herr Verlingue, 2024 übernehmen Sie von Ihrem Vater Jacques die Führung des Familienunternehmens. Wie fühlen Sie sich dabei und wovor haben Sie Respekt?
Unsere Firma wurde vor 90 Jahren gegründet. Wenn ich nächstes Jahr die Leitung von meinem Vater übernehme, bin ich die vierte Generation, die die Geschicke von Verlingue führen wird. Unsere Unternehmung hat eine klare DNA, einen Spirit. Für mich war von Beginn weg klar, dass ich diese Attribute weiterführen würde – schon als Kind, als mein Vater am Familientisch über die Werte und Grundsätze unserer Firma sprach.
Diese innere Haltung muss man vorleben können, sonst ist man am falschen Ort.
In einem Familybusiness wie unserem kann man nicht einfach rein- und wieder rausgehen. Es ist eine Lebensaufgabe, zu der ich mich mit ganzem Herzen verpflichte. Unser Geschäft ist ein klassisches Peoplebusiness – die Kundschaft steht immer im Zentrum. Diese innere Haltung muss man vorleben können, sonst ist man am falschen Ort.
Die Adelaïde-Gruppe, zu der Verlingue, Génération und Cocoon gehören, hat im Jahr 2022 einen Umsatz von 338 Millionen Euro erzielt, was einer Steigerung von 9,3 Prozent entspricht. Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit dem Strategieziel, bis Ende 2024 einen Umsatz von mehr als 400 Millionen Euro zu erwirtschaften. Der Versicherungsbroker unterhält Niederlassungen in Frankreich, Grossbritannien, der Schweiz, Portugal und Italien.
Ich habe das Glück, auf die Unterstützung meines Vaters Jacques und meiner Schwester, die ebenfalls für das Unternehmen arbeitet, zu zählen. Zusammen mit ihrem Support und meinem persönlichen Effort werde ich unser Unternehmen ab 2024 in die Zukunft führen. Dabei wird es nicht zu einer Abkehr unserer bisherigen Strategie kommen. Die Stabsübergabe wird in geordneten Bahnen erfolgen.
Was sind die Ziele von Verlingue in Europa und insbesondere in der Schweiz?
Mir ist wichtig, zu betonen, dass wir für unsere Kundschaft ein gutes Werteversprechen abgeben. Das ist in erster Linie deshalb möglich, weil unsere hervorragenden Mitarbeitenden diese Werte vorleben. Während der letzten zehn Jahre wuchs Verlingue um das Dreifache seiner Grösse auf etwas über 1200 Mitarbeitende. Allein in diesem Jahr haben wir drei Akquisitionen getätigt. Wobei wir ein nachhaltiges und gesundes Wachstum verfolgen. Unser Managementteam ist gut darin, die Wachstumspläne von Verlingue nach unseren Familienwerten und Strategien gezielt voranzutreiben. Wichtig ist uns, dass wir europäisch bleiben. Wir sind ein Broker, der in Europa, insbesondere in Frankreich, der Schweiz, Grossbritannien, Portugal und Italien, tätig ist. Unsere Ambition war und ist immer dieselbe: Messbare Mehrwerte für unsere Kundschaft zu schaffen. Dank unserer multinationalen Struktur sind wir in der Lage, die besten Lösungen im Sinne unserer Klientel zu verhandeln.
Ich verpflichte mich, das zu liefern, was wir als Familienunternehmen versprechen.
Wenn wir in einen neues Marktfeld wie im 2016 in der Schweiz mit inzwischen sechs Standorten, achten wir darauf, die Eigenheiten des lokalen Markts fortzuführen und nachhaltig darin zu investieren. Wir werden weiter expandieren. Noch sind wir in der Romandie nicht präsent – daran arbeiten wir. Und wenn wir auf eine Präsentation den Namen Verlingue schreiben, dann setze ich damit auch meinen eigenen Namen drauf – ich verpflichte mich, das zu liefern, was wir als Familienunternehmen versprechen.
Wie möchten Sie Verlingue neben Ihren Mitbewerbern positionieren? Wodurch unterscheiden Sie sich von Ihren Mitbewerbern?
Die DNA unserer unabhängigen Familienunternehmung ist Garant für das Werteversprechen, welches wir unserer Kundschaft abgeben. Damit grenzen wir uns gegenüber den global agierenden Mitbewerbern ab. Unsere Industrie kennt derweil verschiedene Akteure. Gerade die global agierenden Broker, die aufgrund ihrer finanziellen Stärke kleinere Mitbewerber verdrängen und einverleiben, bleiben letztlich doch relativ weit von der Kundschaft entfernt. Unsere Strategie ist klar: Der persönliche Kontakt zu Kundinnen und Kunden im KMU-Bereich hat für Verlingue einen sehr hohen Stellenwert. Ferner wägen wir die Risiken bei neuen Märkten genau ab. Wir gewichten nicht nur finanzielle Risiken, sondern wägen wie gesagt auch kulturelle und gesellschaftliche Begebenheiten sorgfältig ab.
Die Marke Verlingue ist seit gut drei Jahren am Schweizer Markt vertreten. Hervorgegangen ist es aus der Fusion der drei Unternehmen Advantis Versicherungsberatung, S&P Insurance Group und Meex Versicherungsbroker. Warum ist der Schweizer Markt für Sie attraktiv?
Verlingue ist gemäss unserer Unternehmensstrategie ein starker, europäisch geprägter Broker. Wir erhalten viele Anfragen auch von ausserhalb Europas, etwa aus Asien und den USA, von Akteuren, die uns ihr Geschäft verkaufen möchten. Doch da sagen wir nein, weil es nicht zu uns passt. Unser Fokus ist und bleibt Europa. Hier zählen wir zu den erfolgreichsten Akteuren im Broker-Geschäft.
Der Schweizer Markt ist für uns deshalb attraktiv, weil das Land politisch stabil ist, eine hohe Arbeitsmoral vorherrscht und die Mitarbeitenden sehr gut ausgebildet sind. So war die Schweiz auch das zweite Land nach Grossbritannien, wo Verlingue Akquisitionen durchgeführt hatte. Mit den drei getätigten Zukäufen konnte Verlingue in der Schweiz eine gute Position im Markt einnehmen.
Dabei ist interessant, dass ein Beratungsunternehmen wie Marsh McLennan höher bewertet wird als der Versicherungsriese Axa – daran lässt sich ablesen, welchen Stellenwert der Vertrieb aufweist. Ein direkte Kundenkontakt über das Distributionsnetz ist enorm wichtig. Ich sehe es so: Die Schlacht um den direkten Kundenkontakt ist noch in vollem Gang. Und solange ein Broker einen Mehrwert bieten kann, kann uns niemand das Wasser reichen. Denn wir verstehen das Kundengeschäft wie kein Zweiter.
Im Verlauf der letzten 90 Jahre hat Ihre Gruppe Innovationsarbeit geleistet, Wachstum erzielt und sich ein neues Image gegeben. Sie sind zu einem der Hauptakteure in der Versicherungsvermittlung in Frankreich geworden und verfügen mit Verlingue, Génération und Cocoon über drei erfolgreiche Unternehmen. Was können wir als Nächstes erwarten?
Ich habe Ideen. Aber es gibt viel Konkurrenz. Deshalb muss ich aufpassen, was ich hierzu sage. So viel kann ich bereits verraten: Wir werden innovative Lösungen auf den Markt bringen. Das war vor 90 Jahren schon so und wird auch in Zukunft der Fall sein. Ab 2024 tritt unsere neue Strategie in Kraft. Auf diesen Zeitpunkt hin können wir präziser werden. Etwa entscheiden, in welche neuen Märkte wir expandieren möchten. Eben erst haben wir eine weitere Akquisition in Grossbritannien vollzogen. In der Zwischenzeit führen wir unseren Weg fort, uns um unsere Kundinnen und Kunden bestmöglich zu kümmern. Das Schöne an unserem Geschäft ist, dass wir als Familienunternehmen machen können, was wir für richtig erachten, und zu lassen, was wir als falsch empfinden.
2022 erwirtschafteten Sie über Ihre Adelaïde-Gruppe einen Umsatz von rund 338 Mio. Euro. Wie viel davon entfällt auf den Schweizer Markt?
Auf das Schweizer Geschäft mit CEO Marco Buholzer entfallen rund 30 Millionen Franken an Umsatz.
Als Familienunternehmen stehen Sie regelmässig im Visier Ihrer Mitbewerber. Bei welchem Preis würden Sie das Unternehmen verkaufen?
Nie. So lautet meine Antwort hierzu kurz und knapp. Es gibt keinen Preis, zu dem ich das Familienunternehmen verkaufen würde. In anderen Worten: Ich möchte nicht im Alter von 36 Jahren in Rente gehen.
Um künstliche Intelligenz (KI) kommt heute niemand mehr herum. Wo und wie werden Sie bei Verlingue und in der Adelaïde-Gruppe künstliche Intelligenz einbinden und mit welchen Innovationen ist zu rechnen?
Unsere Adelaïde-Gruppe verfügt über eine sehr gut aufgestellte IT-Infrastruktur und wir tätigen hohe Investitionen darin. Darunter fällt zum Beispiel die kontinuierliche Aus- und Weiterentwicklung unserer ERP-Lösung sowie die Sicherheit aller unserer IT-Systeme, bevor wir gross über den Einsatz künstlicher Intelligenz nachdenken. Auch hier gilt: Verlingue stellt sicher, dass auch via IT für unsere Kundinnen und Kunden ein Mehrwert resultiert – darunter fällt auch der Einsatz von KI-Tools, wie wir sie bereits in unserer Gruppe vereinzelt einsetzen.
Verlingue Schweiz
Der Versicherungsbroker Verlingue ist spezialisiert auf die ganzheitliche Beratung von Unternehmen in allen Risiko-, Versicherungs- und Vorsorgefragen. Mit Standorten in Bern, Burgdorf, Langenthal, Kriens, Zofingen und Zürich setzt sich Verlingue mit ausgeprägter Kundennähe dafür ein, die Zukunft der Unternehmen zu schützen. Verlingue versteht ihre Risiken und erarbeitet gemeinsam mit ihnen wirksame Präventionsmassnahmen und massgeschneiderte Versicherungslösungen. Dazu vereint Verlingue fundiertes Know-how mit hoher Servicebereitschaft. Die Geschäftsleitung der Verlingue AG besteht aus Marco Buholzer, CEO, Urs Schär, CCO, Sandro Wyss, CFO, Paul Berchtold, LeiterNiederlassung Zürich und Jean-Marc Barth, Leiter Niederlassung Bern.