Darum geht's
  • Die Versicherungsbranche erlebt einen deutlichen Anstieg in der Bedeutung von Daten, insbesondere durch technologische Fortschritte wie generative künstliche Intelligenz und grosse Sprachmodelle.
  • Dies könnte zu einem Umbruch in Kundeninteraktion, Prozessen und Arbeitsweisen führen.
  • Versicherungsunternehmen investieren massiv in Datenanalytik und künstliche Intelligenz, wobei eine ausgewogene Balance zwischen strategischer Vision und praktischer Umsetzung entscheidend ist, um das volle Potenzial von Daten auszuschöpfen und Innovationen zu fördern.
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Das Versicherungsgeschäft basiert wesentlich auf der Verfügbarkeit und Nutzung von Daten, um Risiken zu quantifizieren und Preise festzulegen. Obwohl die effektive Aggregation von Daten und deren Analyse seit jeher zu den Schlüsselkompetenzen der Branche gehören, ist die Bedeutung von Daten als wertgenerierendes Asset im Zuge technologischer Entwicklungen gestiegen. Der Fokus der Datenanalytik verschiebt sich von der reinen Auswertung hin zu Vorhersage (Prädiktion) sowie zu Handlungs- und Entscheidungsorientierung (Präskription). Das geht aus einer aktuellen Studie der ZHAW in Zusammenarbeit mit dem IT-Dienstleister Cognizant hervor.

Die Bedeutung unstrukturierter Daten ist dabei laut den Autorinnen und Autoren der Studie gestiegen. Insbesondere durch das Aufkommen generativer künstlicher Intelligenz (Generative AI) und grosser Sprachmodelle (Large Language Models) könnte den Unternehmen ein Umbruch in Bezug auf Kundeninteraktion, Prozesse und Arbeitsweisen bevorstehen, schreibt das Team um Johannes Gerd Becker, Alecos Efstathiades, Jürg Portmann und Angela Zeier Röschmann in ihrem Management Summary. 

Entwicklungen in Datendynamik

In 25 Gesprächen mit Expertinnen und Experten aus Versicherungsindustrie und Beratung, mittels einer Umfrage unter Mitarbeitenden im Versicherungssektor sowie durch die Analyse von Stelleninseraten sind sie der Frage nachgegangen, was die Entwicklungen in Datenanalytik und  künstlicher Intelligenz für die Versicherungsunternehmen bedeuten. Ihr Fokus lag dabei  insbesondere auf der zunehmenden methodischen und technologischen Komplexität und deren Konsequenzen für Kompetenzen, Rollen, Zusammenarbeit und Arbeitsweisen. 

Es lässt sich feststellen, dass die Branche massiv in Methodik, Werkzeuge und Systeme investiert, wenngleich grundsätzlich eine gewisse Zurückhaltung gegenüber allzu schnellen und radikalen Neuerungen herrscht. Die Covid-19-Pandemie und die Fortschritte in der generativen künstlichen Intelligenz wie ChatGPT werden gleichwohl als Katalysatoren für eine stärkere Datenorientierung in  allen geschäftlichen Funktionen angesehen. Diese Katalysatoren sind insbesondere deswegen effektiv, weil sie nicht nur auf strategischer Ebene («top-down») wirken, sondern unmittelbaren Einfluss auf  die Arbeitsweisen der Mitarbeitenden haben («bottom-up»), schreibt das Forscherteam weiter. 

Umfassendes Verständnis der Risiken

Die Auswertung zeigt ein recht einheitliches Zielbild. Ziel ist nicht der vollautomatisierte Versicherer, so die Forschenden. Angestrebt werde vielmehr ein umfassendes Verständnis der Risiken, durchgehende Kundenorientierung, Kosteneffizienz sowie datenbasiertes, auf objektiven Einsichten fussendes Entscheiden und Handeln. Der Grundstein für die effektive Datenorientierung liege im Zusammenwirken von Fachexpertise mit Datenmanagement, Datenanalytik und künstlicher Intelligenz. Die angestrebte Datenorientierung führe dabei zu einer «Demokratisierung der Datenhaltung und Datennutzung», indem geschäftliche Funktionen die Eigentümerschaft über ihre Daten haben und Auswertungen nach ihren konkreten geschäftlichen Anforderungen erstellen könnten, heisst es weiter. 

Dies bedingt, so die Autorinnen und Autoren der Studie, dass Anwendungen und Instrumente einfach in der Handhabung sind und flexibel angepasst werden können. Es bedingt auch, dass technische Systeme echtzeitfähig sind und über geeignete Schnittstellen verfügen. Es bedingt vor allem jedoch einen verstärkten Fokus auf Data Management und Data Governance – zum einen, um die Verfügbarkeit einer hinsichtlich Qualität, Granularität und Umfang ausreichenden Datenengrundlage sicherzustellen, zum anderen aber auch, um den Anforderungen hinsichtlich Regulierung, Compliance und Ethik nachkommen zu können. Damit rückt die Ausweitung des datenbefähigten Personenkreises in den Vordergrund. 

Verbesserung der Datenqualität und der Data Governance

Die Herausforderungen reichen gemäss dem Forscherteam von der Modernisierung von Altsystemen über die Verbesserung  der Datenqualität und der Data Governance, die bedarfsgerechte Weiterbildung der verschiedenen Funktionen und die Veränderung von Arbeitsweisen bis hin zur Zusammenarbeit in neuen Strukturen. Grosse Herausforderungen werden dabei insbesondere auf die nicht traditionell datennahen Geschäftsfunktionen zukommen, da es besonders dort noch an einer hinreichenden Datengrundlage und entsprechenden Arbeitsweisen fehlt, lautet ein Fazit. Gleichzeitig könnte allerdings gerade dort, etwa im Vertrieb, in der Kundenbetreuung und bei operativen Prozessen, durch Nutzung branchenunspezifischer  Lösungen das Potenzial für die kostengünstige, rasche und wertstiftende Implementierung künstlicher Intelligenz besonders gross sein. 

Während hinsichtlich der Bedeutung von Daten für das Geschäft keine Überzeugungsarbeit bei Mitarbeitenden und Management geleistet werden muss, sind die Versicherer derzeit gefordert, den Nutzen technischer und methodischer Innovationen im konkreten Anwendungsfall aufzuzeigen. Die Entwicklung einer klaren Vision und daraus abgeleiteter strategischer Prioritäten sind dafür wesentliche Grundlagen. Damit die Transformation hin zu interdisziplinären Teams und zur Integration  von Datenanalytik in alle Geschäftsfunktionen gelingt, gilt es gemäss den Autorinnen und Autoren, das Unternehmen in Bezug auf  Kompetenzen, technische und organisatorische Herausforderungen sowie Kultur in die Zukunft zu führen. 

Um das volle Potenzial von Daten und die methodisch-technischen Möglichkeiten auszuschöpfen, Risiken effektiv zu managen und Innovationen zu fördern, lassen sich fünf Handlungsfelder skizzieren: 

  1. Vision mit geschäftlichen Zielen und Prioritäten in Einklang bringen. Angesichts der dynamischen Entwicklungen in Datenanalytik und KI ist es essenziell, eine auf  geschäftlichen Zielen basierende Vision zu entwickeln und Projekte entsprechend zu priorisieren. 
  2. Modelle der Zusammenarbeit und entsprechende Kompetenzen fördern. Eine innovations- und datengetriebene Kultur mit Experimentierfreude und Fehlertoleranz sowie  aktiver Risikokontrolle erfordert gezielte Sensibilisierung und Weiterbildung der Mitarbeitenden. 
  3. Organisatorische und technische Voraussetzungen für Analytik und künstliche Intelligenz schaffen. Versicherer stehen nicht auf einer grünen Wiese. Es ist essenziell, die notwendigen  Voraussetzungen für datengetriebene Arbeitsweisen und den Einsatz von künstlicher Intelligenz zu  schaffen. 
  4. Datenanalytik, KI und Generative AI als Unternehmensfähigkeit wertschöpfend implementieren. Während die Wichtigkeit von Daten für den Versicherungsbetrieb allgemein anerkannt wird,  müssen Umgang und Nutzen konkret in Prozessen und Arbeitsabläufen aufgezeigt werden. 
  5. Awareness schaffen, um Arbeitsweisen neu zu gestalten, und «Tone from the Top». Es sind nicht nur Richtlinien und Strukturen für Datenmanagement, Datenqualität, Datensicherheit  und Compliance zu schaffen. Um diese mit Leben zu füllen, müssen sich Vorgesetzte und  Mitarbeitende der geschäftlichen Bedeutung dieser Themen bewusst sein.
     

Die Studie kann hier angefordert werden. (pd/hzi/hoh)

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Karin Bosshard, Chefredaktorin von HZ Insurance, und ihr Versicherungsexpertenteam liefern Ihnen die Hintergründe zu Themen, welche die nationale und internationale Versicherungswelt bewegen. Jeden Tag (werktäglich) in Ihrem E-Mail-Postfach. Jetzt kostenlos zum Newsupdate für Insurance-Professionals anmelden.
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