Sie haben in Ihrem Ausblick «Divergent Paths at an Inflection Point» Immobilienanlagen unter die Lupe genommen. Was sind aus Ihrer Sicht die wesentlichen Erkenntnisse?

Nun, die letzten zweieinhalb, drei Jahre waren eine echte Herausforderung für die Anlageklasse Immobilien, da sich die Bewertungen an ein neues und höheres Zinsumfeld angepasst haben. Nach dieser Zeit befinden wir uns jetzt aber in einem viel besseren Umfeld, an einem Wendepunkt. Die Bewertungen von Immobilien, insbesondere in den Märkten, in denen Zurich Insurance Group (Zurich) tätig ist, spiegeln das aktuelle Zinsumfeld und das aktuelle Investitionsumfeld besser wider.

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Aus diesem Grund sind wir zunehmend optimistisch, was die weiteren Aussichten anbelangt. Und wenn wir uns die Daten von Märkten in der ganzen Welt - insbesondere in den USA - ansehen, können wir feststellen, dass die Aussichten für die nächsten fünf Jahre, nachdem die Werte ihren Tiefpunkt erreicht haben, eine grosse Chance für attraktive Immobilienrenditen darstellen.

Der Gesprächspartner

Andrew Angeli ist seit Februar 2023 Global Head of Real Estate Research & Strategy der Zurich Insurance Group. Er ist Autor des Berichts «Real Estate Outlook 2025: Divergent Paths at an Inflection Point».

Welche Faktoren tragen zu diesem Wandel bei?

Erstens: Die Bewertungssicherheit. Auf den privaten Märkten dauert es ein wenig, bis sich die Bewertungen anpassen, da sie nicht so häufig vorgenommen werden, wie auf dem Aktien- oder Anleihemarkt.

Zweitens: Es gibt wieder ein grösseres Vertrauen in die Zinsaussichten. Mit anderen Worten: Wir sind überzeugt, dass wir uns in einem niedrigeren Zinsumfeld befinden werden, als in den Jahren zuvor. Das gilt insbesondere für Europa und die Schweiz, die für uns sehr wichtige Märkte sind.

Und der dritte Punkt ist die Dynamik von Angebot und Nachfrage. Vor wenigen Jahren war die Finanzierung teurer und es herrschte Unsicherheit, so dass es nicht viele neue Angebote gab. Die Nachfrage hat sich im Allgemeinen gut gehalten, und das ist, was jetzt die Immobilienperformance antreibt. Insgesamt sind wir also in einer viel besseren Position als vor zwei, drei Jahren.

Welche Regionen oder Immobilienteilbereiche bieten derzeit die besten Renditechancen?

Der Sektor, der uns als weltweitem Immobilieninvestor am besten gefällt, ist der Wohnsektor, insbesondere Wohnimmobilien zur Miete. Die attraktivsten Märkte sind dafür die Schweiz, Deutschland und die USA. Dieser Sektor hat jedenfalls sehr gut performt, wir erwarten hier auch in Zukunft gute Renditen. Warum ist das so? Nun, es gibt ein
grundlegendes Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage. In vielen Städten, in denen wir tätig sind, fehlt es an bezahlbarem Wohnraum der Kategorie A. Der Wohnungssektor liefert also weiterhin stabile Renditen. Das ist etwas, das wir als Versicherungsgesellschaft natürlich besonders mögen. 

Es gibt ein grundlegendes Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage.

Andrew Angeli

Wie ist die Entwicklung im Büroimmobilien-Sektor, nachdem Home Office in der Post-Coronazeit mittlerweile zum Alltag geworden ist? Birgt das nicht Unsicherheit?

Das stimmt, seit Beginn der Pandemie herrschte im Bürosektor grosse Unsicherheit und eine sehr negative Stimmung. Aber, und das sage ich im Brustton der Überzeugung: Wir sind auch hier an einem Wendepunkt angelangt. Immer mehr Unternehmen verlangen von ihren Mitarbeitenden, dass sie mehr Zeit im Büro verbringen. Das begann bei den grossen Wall Street-Banken, zieht sich aber inzwischen durch alle Wirtschaftszweige. Das dämpft die negative Stimmung auf dem Büromarkt und wirkt sich positiv auf die Nachfrage aus. Für uns als Büroinvestor ist das eine gute Sache. Die allgemeine Stimmung für diese Anlageklasse verbessert sich jedenfalls zusehends.

Welche Arten von Bürokonzepten werden in Zukunft gefragt sein - können Sie dazu auch Aussagen treffen?

Ja, wir sehen in unserem eigenen Portfolio, dass die Nachfrage an denjenigen Standorten am grössten ist, die in der Nähe von öffentlichen Verkehrsmitteln liegen und gut erreichbar sind - und vor allem nach Gebäuden, die modern sind und ihren Mitarbeitenden Annehmlichkeiten bieten. Das bedeutet, dass es künftig eine Polarisierung geben wird: «Best versus the rest», so haben wir es in der Vergangenheit formuliert.

Diejenigen Bürostandorte, die die von mir genannten Kriterien erfüllen, werden sich gut entwickeln, eine gute Nachfragedynamik aufweisen und ein Mietwachstum verzeichnen. Aber wenn Sie ein Objekt besitzen, das diese Kriterien nicht erfüllt, das ausserhalb der Stadt liegt, das veraltet und nicht komfortabel ist, dann wird diese Art von Flächen weiterhin herausgefordert bleiben. Zu unserem Glück haben wir in der Vergangenheit nicht in solche Objekte investiert, aber sie stellen einen Teil des Marktes dar, in dem wir tätig sind.

Es wird künftig eine Polarisierung geben: 'Best versus the rest'.

Andrew Angeli

Wie wirken sich die geopolitischen Spannungen auf die Immobilienmärkte aus - und welchen Einfluss hat das auf die Schweiz?

In meinem Ausblick gehe ich darauf ein, dass die Versuchung derzeit gross ist, nur die Krisenherde zu betrachten. Aber die sind weit weg von unserem Investitionsumfeld. Die Realität ist, dass die Geopolitik die Einstellung der Anleger in den Märkten, in die wir investieren, beeinflusst. Ich finde es sehr interessant, wie sich das in der Schweiz auswirkt, die oft als «sicherer Hafen» bezeichnet wird. Diese Formulierung mag als positiv empfunden werden.

Wir sehen jedoch auch die andere Seite der Medaille in Form von höheren Vermögenspreisen. Diese beginnen, die Einstellung der Investoren zu beeinflussen. Weil der Franken so stark ist, weil die Vermögenspreise in der Schweiz so hoch sind, weil sie einen sicheren Hafen darstellt, wird es für einige mittlerweile schwierig, in diesen Markt zu investieren.

Ein Blick in die Glaskugel: Welche langfristigen Megatrends werden den Immobilienmarkt in den nächsten 5 bis 10 Jahren prägen?

Wenn wir uns die Welt vor 15 Jahren anschauen, dann sieht die Art und Weise, wie wir investiert haben, ganz anders aus als die Welt, in die wir in Zukunft investieren werden. Zu den wichtigsten Trends zählt sicher der demografische Wandel, der eng mit dem Thema Wohnungsbau zusammenhängt. Denn wir sehen steigende Haushaltsgründungsraten trotz der allgemeinen Bevölkerungsprobleme in einigen Ländern und trotz des mangelnden Angebots. Deshalb sind wir überzeugt, dass das investierbare Universum der Wohnimmobilien wachsen und eine grössere Rolle in den Anlageportfolios spielen wird.

Der zweite Punkt ist sicherlich die Digitalisierung und wie dieser den Bedarf an Flächen beeinflusst, sei es für Büros, Logistik oder Rechenzentren. Rechenzentren sind einer der am meisten diskutierten Immobiliensektoren im Moment, der durch das Aufkommen der Künstlichen Intelligenz unterstützt wird. Und schliesslich gibt es noch das Themenfeld Regulierung, die die Einstellung der Anleger beeinflusst, zum Beispiel durch Mietpreisbremsen im Wohnungssektor oder durch die Besteuerung im Allgemeinen.

Immobilien kann man nicht verschieben. Sie sind also ein leichtes Ziel für die Besteuerung. Da immer mehr Länder mit Haushaltsdefiziten zu kämpfen haben, ist die Aussicht auf höhere Steuern im Immobilienbereich wahrscheinlich.

Nach einigen schwierigen Jahren freuen wir uns auf ein besseres operatives Umfeld.

Andrew Angeli

Was bedeutet die derzeitige Situation für Zurich als institutioneller Investor?

Wir investieren in Immobilien, um eine berechenbare, attraktive Rendite zu erzielen. Und wir sind der Ansicht, dass in den kommenden fünf Jahren die Mieterträge bei Wohnimmobilien der wichtigste Faktor für die Rendite sein werden. Deshalb investieren wir auch weiterhin in diesen Sektor. Nach einigen schwierigen Jahren freuen wir uns auf ein besseres operatives Umfeld, in dem die Renditen generell in etwa das Niveau erreichen, das sie in der Vergangenheit bereits hatten.