Mikro- und Kleinunternehmen setzen klare Prioritäten, wenn es um die Einschätzung von Versicherungsprodukten und Zusatzdienstleistungen geht. Wie die neue Versicherungsstudie der ZHAW zeigt, spielen digitale Lösungen beim Abschluss von Versicherungen eine untergeordnete Rolle. Wichtiger sind gute Versicherungsdeckungen sowie die Qualität der Beratung.
Der Preis muss stimmen
Der Preis kommt bei einer Entscheidung für eine Versicherungslösung an dritter Stelle. Auf Rang vier folgt der Kundenwunsch, für alle Finanzthemen eine Ansprechperson zu haben.
Weniger wichtig sind offensichtlich einfache digitale Zugänge. Bei den Befragten rangiert digitale Convenience erst auf Platz fünf der wichtigen Bedürfnisse. Zugänge zu Produkten von Drittanbietenden oder zu Zusatzdienstleistungen werden dabei als wenig relevant wahrgenommen.
«In der Tendenz gewichten Dienstleistungsunternehmen die Bedeutung digitaler Zugänge höher als Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe oder der Landwirtschaft. Letztere schätzen dafür eher die Möglichkeit, alle Finanzthemen mit einer einzigen Ansprechperson behandeln zu können», analysiert Studienleiter Lukas Stricker vom Institut für Risk & Insurance der ZHAW die Ergebnisse. «Deshalb ist ein sehr gezieltes und bedarfsgesteuertes Vorgehen angebracht.»
Für die aktuelle Versicherungsstudie befragte die ZHAW School of Management and Law im März 2023 online insgesamt 250 Klein- und 1’189 Mikrounternehmen aus unterschiedlichen Branchen. Unterstützt wurde die Umfrage von Zühlke Engineering AG und Synpulse Schweiz AG.
Persönlich geht vor digital
Die geringe Präferenz für einfache digitale Zugänge beim Abschluss einer Versicherung spiegelt sich auch in den bevorzugten Kommunikationskanälen und Ansprechpersonen während der Vertragslaufzeit wider. Über 52 Prozent der Befragten wünschen sich als primären Kontakt eine persönliche Ansprechperson in der Versicherungsagentur oder im Callcenter.
Etwa 33 Prozent der Befragten ziehen es vor, direkt zu ihrer Maklerin oder ihrem Makler zu gehen. Lediglich knapp 5 Prozent gehen online via Portal oder Website. Der bevorzugte Kommunikationsweg ist an erster Stelle Telefon und E-Mail sowie das persönliche Gespräch. Die Präferenzen für die Kommunikationskanäle variieren je nach Branche.
Grundsätzlich zufrieden – und loyal
Die meisten Befragten zeigen sich mit ihren bestehenden Versicherungslösungen zufrieden, aber nicht begeistert. Die Zufriedenheit mit den gekauften Versicherungen ist bezüglich der zwei wichtigsten Prioritäten, nämlich gute Deckungen und hohe Beratungsqualität, am höchsten. «Überraschend hingegen ist, dass die doch stark bevorzugten nicht-digitalen Zugänge leicht kritischer beurteilt werden als die weniger bevorzugten digitalen Zugänge», so Lukas Stricker.
Jeder Versicherer hat Vor- und Nachteile
Entgegen der weitverbreiteten Meinung, dass sich die Versicherer in den Augen der Kunden kaum differenzieren, zeigt die Umfrage für jede beurteilte Versicherungsgesellschaft ein sehr differenziertes Profil: Kein Versicherer vermag bei allen Kriterien obenaus zu schwingen. Es zeichnen sich stattdessen klare Unternehmensprofile ab – zum Beispiel Versicherer mit guten Preisen aber schlechterer Beratung und wenig Zusatzdienstleistungen – oder umgekehrt.
Auch Mittelmass wird Versicherern des öfteren bescheinigt. Die Unterschiede in den Beurteilungen sind dabei erheblich. Lediglich bei der Frage nach den Versicherungsdeckungen scheint die Differenzierung zumindest nach unten limitiert zu sein. «Versicherer, die bei diesem zentralen Kriterium unter die Schwelle von ‹eher zufrieden› fielen, wären wohl nicht mehr marktfähig», meint Lukas Stricker.
Überraschend für die Studienautoren fielen allerdings die deutlichen Unterschiede in der Beurteilung der verschiedenen Versicherer bei den nicht-digitalen Zugängen sowie der Qualität der Beratung aus. Hier zeichnet sich ein erhebliches Differenzierungspotenzial ab.
Limitierte Wechselbereitschaft
Die Studienergebnisse belegen auch: Versicherte sind in der Regel loyal und bleiben in den meisten Fällen bei ihrer Versicherung. «Es besteht nur eine limitierte Wechselbereitschaft, wobei diese in den ersten Jahren nach dem Abschluss am höchsten ist», erläutert Lukas Stricker.
Ein umfassenderer Bericht, der auch die Resultate der Experteninterviews mit den Versicherern beinhaltet, erscheint im Herbst 2023.