So turbulent ging es schon lange nicht mehr zu, als sich die Notenbanker aus aller Welt im amerikanischen Jackson Hole trafen. Der Handelskonflikt zwischen den USA und China und die Währungskrise in der Türkei verunsichern die Finanzmärkte. Gleichzeitig stellt sich die grosse Frage, wie sich die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) angesichts dieser Risikofaktoren in Hinblick auf die anstehenden Zinsanhebungen verhalten wird.
Die Rede von Fed-Präsident Jerome Powell wird daher mit besonderer Spannung erwartet. Am Freitagmorgen spricht er über die weitere Entwicklung der Leitzinsen und die Konsequenzen für die Schwellenländer. Von steigenden Zinsen ist US-Präsident Trump alles andere als begeistert und hat die unabhängige Fed gerade heftig dafür kritisiert. Dabei hatte er ihren Präsidenten Jerome Powell vor einigen Monaten erst selbst für den Posten ausgewählt.
Doch nicht nur seit Präsident Trumps Kritik bekommt die Fed Gegenwind. Die jüngste Währungskrise in der Türkei hat die Anfälligkeit einiger Schwellenländer mit einer hohen Verschuldung in US-Dollar in den Fokus gerückt. Wenn die USA die Zinsen weiter anheben, kämen diese Staaten nämlich unter Druck, weil es für sie teurer würde, ihre Schulden zurückzuzahlen. Ob die Fed ihren Zinskurs mit Rücksicht auf die Türkei ändert, ist fraglich, vor allem solange es nicht zu einer breiteren Krise in de Schwellenländern kommt, die das US-Finanzsystem belasten würde.
Zudem hebt die Fed als einzige grosse Zentralbank bereits seit Ende 2015 die Zinsen in kleinen Schritten an. Und zwar um eine Überhitzung der US-Konjunktur zu verhindern. Derzeit liegen sie zwischen 1,75 und 2 Prozent. Bis Ende 2018 plant die Fed noch zwei weitere Zinsschritte, denn die Wirtschaft in den USA läuft gut: Das Wachstum wird dieses Jahr voraussichtlich 4,1 Prozent erreichen, die Arbeitslosigkeit ist auf einem Rekordtief von 3,9 Prozent.
Konjunktur in Europa
In Europa hingegen gibt es erste Anzeichen für eine schwächere Konjunktur: Die Wirtschaft im Euro-Raum wuchs im letzten Quartal nur noch um 0,4 Prozent – so langsam wie seit zwei Jahren nicht mehr. Für dieses Jahr rechnen Experten laut einer Umfrage von «Reuters» mit 2,1 Prozent Wachstum – 2019 könnten es nur noch 1,8 Prozent sein. Eine Zinsanhebung durch die EZB im kommenden Jahr würde damit wieder unwahrscheinlicher. Damit wäre die Fed die einzige grosse Notenbank, die in dieser unsicheren Lage ihre Geldpolitik anzieht.
Die grösste Gefahr für den Zinskurs der Fed wäre nach Meinung einiger Ökonomen allerdings eine Eskalation des von Donald Trump initiierten Handelskonflikts. Der Internationale Währungsfonds (IWF) warnte im Juli vor einer Zuspitzung, welche schlimmstenfalls das globale Wirtschaftswachstum ein halben Prozentpunkt kosten könnte.
Auf den Finanzmärkte werden die Stimmung und die möglichen Ankündigungen in Jackson Hole daher sehr genau beobachtet. Das Zentralbanken-Treffen hatte in den vergangenen Jahren ohnehin immer mehr an Bedeutung gewonnen. Mittlerweile ist es eine der wichtigsten globalen Wirtschaftskonferenzen.
Jackson Hole wird politischer
Gleichzeitig scheint das Treffen in Jackson Hole politischer zu werden. Denn die Top-Notenbanker werden sich diesmal nicht mehr nur mit reiner Geldpolitik beschäftigen. So sollen die Ursachen für die weltweit anhaltende niedrige Inflation, das langsame Lohnwachstum und die kaum steigende Produktivität diskutieren. Denn diese veränderten Rahmenbedingungen legen seit Jahren das Wachstum in der industrialisierten Welt lahm und beeinflussen somit die Geldpolitik.
Offiziell gibt die Federal Reserve Bank of Kansas City, die seit 1982 zum Symposium lädt, das Programm erst zum morgigen Start bekannt. Doch wie die Regionalnotenbank mitteilte, geht es vor allem um die Fragen, inwiefern die zunehmende Marktkonzentration in vielen Branchen Produktivität und Lohnwachstum bremst, und wie der zunehmende Online-Handel den Spielraum von Unternehmen für Preiserhöhungen einschränkt.
Der Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB), Thomas Jordan, wird in diesem Jahr nicht selbst in Jackson Hole sein. Vor drei Jahren musste er noch seine Geldpolitik verteidigen – auch damals stand die bevorstehende Zinserhöhung der Fed im Mittelpunkt des Treffens. Die SNB vertritt diesmal Vizepräsident Fritz Zurbrügg.