Panzergrenadiere der deutschen Bundeswehr nennen Munster «das Grab meiner Jugend». Das Militär ist in der Kleinstadt in der Lüneburger Heide allgegenwärtig. Wöchentlich finden auf den umliegenden Sperrgebieten Schiessübungen statt. Der Geschützlärm ist dann kilometerweit zu hören. Ausserhalb des Dienstbetriebs gibt es kaum Abwechslung.
Die örtliche Wirtschaft ist unterentwickelt, die Bevölkerungszahl stagniert. Immerhin zählt Munster seit letztem Juli einen neuen Investor: Die Schweizer Luxusimmobilienentwicklerin Peach Property. Sie hat dort 376 Wohneinheiten erworben. «Im Einzugsgebiet der beiden Grossstädte Hamburg und Hannover», wie die Firma damals in einer Pressemitteilung schrieb.
Der Kauf fällt aus dem Rahmen. Peach Property ist bekannt für ihre ultraluxuriösen Bauvorhaben an bester Lage in Hamburg, Berlin und am Zürichsee. Gemäss Peach-Chef Thomas Wolfensberger ist Munster jedoch Teil der neuen «bipolaren Strategie.» Mit den Mieterträgen soll das Firmenergebnis verstetigt werden.
Das ist dringend nötig. 2011 wird Peach Property nach eigenen Angaben mit einem Verlust abschliessen. Der Aktienkurs ist entsprechend unter Druck. Seit dem Börsengang Ende 2010 haben die Papiere von Peach Property zwei Drittel ihres Werts verloren.
«Haben uns zu jeder Zeit wohlgefühlt»
Neulich fiel der Kurs erneut. Es wurde bekannt, dass juristische Streitereien den Bau einzelner Vorzeigeprojekte in Wädenswil ZH verzögern (siehe Kasten). Der «führende Entwickler von hochwertigem Wohneigentum im deutschsprachigen Europa» (Eigenwerbung) kommt einfach nicht los von seiner wechselvollen Geschichte grosser Würfe, aber ebenso grosser Verluste, verzögerter Projekte und seltsamer Geschäftspraktiken.
Der Aufstieg zur Grösse gelang Peach Property mit einem Coup. Im Sommer 2009 übernahm sie für 13 Millionen Euro Luxusimmobilienprojekte mit einem Vertriebswert von damals rund 300 Millionen. Verkäuferin war die in Liquiditässchwierigkeiten steckende deutschen Vivacon. Doch nach dem Kickstart verlor das Unterfangen an Fahrt. Der Baubeginn des Projekts «H36/A43 Hamburg» verzögerte sich um ein halbes Jahr. Ein weiteres Entwicklungsprojekt in Düsseldorf wurde gleich wieder veräussert. Käuferin war – was Peach Property damals nicht wusste – eine Schattenfirma von Betrügern.
Verschiedene Personen berichten über jene Zeit, es sei schlicht zu wenig investiert worden, um die Arbeiten an den deutschen Projekten voranzutreiben. Es gab offenbar Querelen mit der Belegschaft. Ein Mitarbeiter in Deutschland drohte mit rechtlichen Schritten, falls ihm nicht 600 000 Euro Bonus ausbezahlt würden; inzwischen wurde ein Vergleich gefunden. Ein Lieferant aus Hamburg wiederum erzählt, Rechnungen seien monatelang offen geblieben.
Peach-Chef Thomas Wolfensberger sagt, neben dem Kaufpreis habe man kein weiteres Eigenkapital in die deutschen Projekte eingbringen müssen. «Alle übernommenen Vivacon-Projekte mit Ausnahme von H36 in Hamburg waren nach Abschluss der Transaktion voll durchfinanziert.» Trotzdem verschlechterte sich bei der Gruppe in Zürich die Liquidität. Betrug der Cashflow 2008 noch knapp 4 Millionen Franken, lag er Ende 2009 bei minus 0,3 Millionen und rutschte Mitte 2010 gar 2,2 Millionen ins Minus. In der Bilanz halbierten sich die flüssigen Mittel im ersten Halbjahr auf 2,7 Millionen Franken. Die Schulden erreichten 102,5 Millionen Franken. «Wir haben uns zu jeder Zeit wohlgefühlt, finanziell genügend Flexibilität gehabt», erklärt Wolfensberger.
Dann glückte ihm ein zweites Husarenstück. Am 12. November 2010 brachte er Peach Property an die Schweizer Börse. Dort löste er 50 Millionen Franken frisches Kapital. Partner war die Bank am Bellevue. Wolfensberger: «Wir wählten die Bank am Bellevue, weil die Leistungen hervorragend sind und wir das Corporate-Finance-Team, das ursprünglich von der KPMG kommt, schon lange aus der Zusammenarbeit schätzen.» Ein Deal unter Freunden.
Bellevue ihrerseits freute sich über die Chance, hatte die Bank doch nach dem Abgang mehrerer bewährter Spezialisten schon länger keinen Börsengang mehr begleitet. Dennoch verlangte Bellevue einen stolzen Preis für ihre Dienste. Weil sie Risiken witterte? Im Prospekt jedenfalls weist Peach Property Kosten von 4 Millionen Franken für die Publikumsöffnung aus, ohne die genaue Kommission an das Geldinstitut zu nennen. 4 Millionen auf 50 Millionen Franken Volumen ergeben eine Gebühr von 8 Prozent. Unter Experten wird das als reichlich viel angesehen.
Ronald Sauser, Chef der Bank Leonardo & Co. und einer der erfahrensten Investmentbanker in Zürich, sagt, dass damals für einen kleineren Börsengang Gebühren von 3 bis 4 Prozent des Emissionsvolumens gebräuchlich waren. Peter Dauwalder, Partner beim Wirtschaftsprüfer Ernst & Young, findet 8 Prozent für einen kleinen Börsengang ebenfalls relativ teuer. Natürlich seien darin die Kosten für Anwälte, den Revisor und für die Kommunikation enthalten. «Die Gebühren für die Investmentbank machen aber immer den Löwenanteil aus.» Die Bank am Bellevue nimmt zu den Gebühren beim Peach-Property-Börsengang keine Stellung.
Bank am Bellevue warnt
Mit einem Startpreis von 32 Franken schien die Publikumsöffnung geglückt. Doch bald stürzte der Kurs ab. Wenig hilfreich war dabei, dass ein Analyst der Bank am Bellevue schon im Februar 2011 eine Gewinnwarnung für das 2. Halbjahr 2010 ausgab. Die Studie, die nur an ausgewählte Investoren ging, liegt der «Handelszeitung» vor. «Es ist ziemlich klar, dass Peach Property einen Verlust nach IFRS ausweisen wird», heisst es dort. Peinlicherweise lag der Experte mit seiner Warnung falsch – die Firma beendete das Semester mit einer Null. «Aus unserer Sicht war die Gewinnwarnung überstürzt», sagt Wolfensberger. Doch der Schaden war angerichtet. Der Kurs fiel weiter.
Weitgehend unbehelligt davon blieb Norbert Ketterer. Der deutsche Financier und Gründer von Helvetic Financial Services in Wollerau SZ machte schon beim Börsengang Kasse. Er wurde 2009 bei Peach Property in den Verwaltungsrat gewählt und investierte über den deutschen Stratos Fonds mit nachrangigen Darlehen in Projekte des Unternehmens. Im «Zusammenhang mit der Vivacon-Akquisition» teilte ihm Peach Aktienoptionen zu, wie der Prospekt zum Börsengang festhält.
Eine so erworbene Aktientranche durfte Ketterer beim Börsengang platzieren. Sein Gewinn: 1,3 Millionen Franken. Der Deutsche schied bereits 2011 wieder aus dem Verwaltungsrat aus. Er hält aber weiter 3Prozent an Peach. «Bei diesem Preis werde ich sicher nicht verkaufen», sagt Ketterer auf Anfrage. Wolfensberger hielt ebenfalls an seinem Anteil von 16 Prozent fest. 2010 bezog er 1,1 Millionen Franken Lohn.
2011 kamen die Projekte in der Schweiz, Deutschland und Österreich voran. So konnte «Living 106» in Berlin vollständig verkauft werden. 7,5 Millionen Euro Eigenmittel flossen dabei an Peach Property zurück. Trotzdem schrieb das Unternehmen Verluste. Die Idee wurde geboren, die Erträge mit dem Zukauf von Bestandesliegenschaften aufzubessern. Im Juli erstanden die Schweizer das Portefeuille in Munster. Verkäuferin war Alpha Real Estate mit Sitz in Frankfurt, eine Tochter von Larmag Realty in Amsterdam.
Wer mit der Firma sprechen will, muss den Umweg über eine Düsseldorfer Anwaltskanzlei nehmen. Diese verbindet in die Niederlande, wo einem barsch beschieden wird, für Informationen solle man sich ans Handelsregister halten. Das ist aufschlussreich. Der Geschäftsbericht für das Jahr 2010 weist einen Verlust von 737646 Euro aus; zudem hält ein Vermerk fest, dass die Firma «bilanziell überschuldet» sei. Alpha Real Estate verkaufte − wie zuvor Vivacon − offensichtlich unter Druck.
Peach Property zahlte nach eigenen Angaben 9 Millionen Euro für die Liegenschaften. Die Schweizer Immobilienspezialistin Wüest & Partner setzte den Marktwert bei knapp 14 Millionen Franken fest. Das erlaubte es, die Wertänderungsrendite von 4 Prozent dem Gewinn gutzuschreiben. Wolfensberger: «Bei den 9 Millionen Euro Kaufpreis sind die Abwärtsrisiken für uns gering und die Rendite sehr gut.»
Rendite in der Schlafstadt
Anfang 2012 wurde der nächste Bestand erworben – diesmal in der Erkrath-Hochdahl, einer Schlafstadt nahe Düsseldorf. Über den Preis für die 143 Mietwohnungen und 9300 Quadratmeter Gewerbefläche am Hochdahler Markt wird Stillschweigen gewahrt. Wüest & Partner legte den Verkehrswert bei 36,4 Millionen Franken fest. Die Rendite aus der Differenz zum Kaufpreis beträgt gemäss Wolfensberger 9 Prozent. Die Verkäuferin, der Fonds Nummer 47 der Rheinisch-Westfälischen Immobilien-Anlagegesellschaft, wurde inzwischen liquidiert. Wolfensberger ist sichtlich zufrieden. Die Strategie werde fortgesetzt. «Ab Anfang 2012 werden wir aus dem Bestand schon 4,6 Millionen Franken an Mieteinnahmen generieren.» Zudem werde sich bei Peach Property schon dieses Jahr der Cashflow verbessern – ab 2013 markant, wenn die Grossprojekte in Hamburg und Berlin abschlossen sind.
Die Investoren werden Wolfensberger beim Wort nehmen.
Urteil Giessen-Halbinsel: «Am Fahrplan ändert sich nichts»
Prestigeprojekt Wädenswil
Das Vorhaben auf der Halbinsel Giessen ist das Prestigestück von Peach Property in der Schweiz. Es umfasst die Abschnitte Beach House, Aquatica, Mansion, Dockside, Kölla und Mews & Gardens. Peach hofft, die Projekte für 346 Millionen Franken zu verkaufen. Doch der Zürcher Heimatschutz und der Verein Rives Publiques haben Rekurs gegen einzelne Bauvorhaben eingereicht. Nun ist das Baurekursgericht zu einem Urteil gelangt. Es zwingt zu Konzessionen.
Gang durch die Instanzen
Zwei bestehende Bauten auf dem Areal wurden vom Gericht geschützt. Peach Property darf sie nicht abreissen und müsste allenfalls beim Teilprojekt Aquatica 2000 Quadratmeter Wohnfläche einsparen. Chef Thomas Wolfensberger: «Unsere Anwälte raten, das Urteil nötigenfalls bis vor Bundesgericht weiterzuziehen.»
Die Gegner
Auch die Gegenseite ist mit dem Urteil unzufrieden. Dem Heimatschutz stösst sauer auf, dass das Gericht dem Projekt Mews & Gardens zu einem Etappensieg verhalf. «Wir werden demnächst entscheiden, ob wir den Entscheid vors Verwaltungsgericht weiterziehen», sagt Ulrich Ruoff, Präsident des Zürcher Heimatschutzes.
Die Folgen
Wolfensberger rechnet bereits mit einem weiteren Rekurs der Gegner. Würden weitere Instanzen bemüht, verzögere sich der Baubeginn von Aquatica um maximal zwei Jahre, jener von Mews & Gardens um ein Jahr. «Das entspricht unserer langfristigen Planung, am Fahrplan ändert sich nichts.»