Die globalen Zentralbanken sollten die Zinsen weiterhin auf das Niveau vor der Krise anheben, damit sie die Zinsen senken könnten, falls eine erneute Rezession zuschlägt. Dazu rät Agustín Carstens, Generaldirektor der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel.
Die Zinsen sind auch ein Jahrzehnt nach der globalen Finanzkrise noch auf einem Tiefstand – wie eigentlich nur für den Notfall vorgesehen. Die Notenbanker müssten wieder «normalere Bedingungen» schaffen, sagt Carstens auf einer Finanzkonferenz in Zürich. Denn nur so könnten sie auf künftige Rezessionen reagieren. Allerdings kein einfaches Unterfangen, bei dem viel Vorsicht geboten sei – fügt Carstens auch hinzu. Denn würde die Geldpolitik zu schnell gestrafft, wäre die Finanzstabilität gefährdet. Bleibt sie zu locker, käme die Preisstabilität unter Druck. Eine Balance zwischen beiden Zielen – Finanz- und Preisstabilität – zu erreichen, sei ein «enger Weg».
Die US-Notenbank Fed geht seit einiger Zeit voran – in diesem Jahr hat sie bereits dreimal die Zinsen auf die Spanne von 2,0 bis 2,25 Prozent erhöht. Bis Ende 2019 könnten noch vier weitere Zinsschritte erfolgen. Zuletzt hatte Fed-Chef Jerome Powell sogar angedeutet, dank der guten US-Konjunktur die Zinsen noch schneller zu erhöhen. Den Dollarkurs haben diese Massnahmen beflügelt, doch unter dem stärkeren Dollar leiden Schwellenländer wie die Türkei und Argentinien.
Allerdings habe sich dieser Druck noch verstärkt durch die Untergrabung der Unabhängigkeit von Zentralbanken, so der BIZ-Chef. Damit kritisiert er wohl die Einflussnahme des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan auf die Notenbank bei der Bekämpfung der Währungskrise. Aber auch in den USA hatte jüngst Präsident Donald Trump die Geldpolitik der Fed kritisiert und damit deren Unabhängigkeit in Frage gestellt. «Die Märkte wollen nicht, dass die Zentralbanken dem Willen eines Finanzministeriums unterworfen werden», sagt Carstens.
Und die SNB?
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ebenfalls einen Schritt in Richtung Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik gemacht – allerdings ein sehr langsamer Prozess. In ihrer letzten Sitzung haben die europäische Währungshüter einen Zeitplan für die umstrittenen Anleihekäufe festgesetzt, der finale Ausstieg ist jedoch noch nicht klar. Doch die Zinsen liess die Notenbank der Eurozone auf dem Rekordtief von 0 Prozent. Auch die Bank of England (BoE) hat die Zinsen trotz der hohen Inflation von 2,5 Prozent in Grossbritannien nicht angefasst – sie liegen derzeit bei 0,75 Prozent.
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hält vorerst auch an ihrem geldpolitischen Kurs fest: «Negativzins» und «Interventionsbereitschaft» tastete sie auf ihrer letzten Sitzung im September nicht an. Der Zins von -0,75 Prozent sollen Anlagen in Schweizer Franken weniger attraktiv machen und somit den Druck auf die Währung verringern. Denn infolge des internationalen Handelsstreits, der Situation in Italien und der Krise in einigen Schwellenländern habe der Franken als «sicherer Hafen» weiter an Wert gewonnen.
Angesichts der guten Konjunktur in der Schweiz wird sich die SNB weiter an der Geldpolitik der EZB orientieren. Den ersten Zinsschritt erwarten Experten in der zweiten Jahreshälfte 2019. Allerdings sei dieser gefährdet, sollte es zu einer Eskalation im Handelskonflikt oder einem Aufflammen der europäischen Schuldenkrise kommen, schreiben die Ökonomen der ETH-Konjunkturforschungsstelle (KOF) in ihrer Konjunkturprognose. Das internationale Umfeld schätzen die KOF-Experten so ein, dass die SNB agieren muss.
Handelskonflikt und globales Wachstum
Der Chef der «Zentralbank der Zentralbanken» betont, dass die Zentralbanken gerade angesichts des sich verschärfenden Handelskonflikts und der Abschwächung des globalen Wachstums handeln müssen, um einen Abschwung zu bekämpfen. Dazu stünden ihnen heute auch mehr Mittel zu Verfügung als früher. Agustín Carstens kann daher nicht verstehen, warum sie «nicht in der Lage sein sollten, alles zu tun, was sie tun müssen».
In Bezug auf den internationalen Handel zeigt sich BIZ-Chef Carstens erleichtert, dass die USA gerade eine Einigung mit Kanada zur Neuauflage eines neuen Freihandelsabkommens mit Mexiko geeinigt haben. Wünschenswert sei ein ähnliches Ergebnis zwischen den USA und China. «Ein offener Handelskriegs zwischen den USA und China würde die Weltwirtschaft destabilisieren».