Das Bewahren der Preisstabilität ist das oberste Ziel der Geldpolitik der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Preisstabilität definiert sie als eine Inflationsrate zwischen 0 und 2 Prozent.
Die Inflation und vor allem die Inflationsprognose sind deshalb die entscheidenden Grössen, wenn es darum geht, die Leitzinsen und die Devisenpolitik festzulegen.
Doch wie schwierig das Voraussagen der Teuerung ist, zeigt die heutige Grafik der Woche.
Seit der letzten Zinserhöhung im Juni hat die SNB die bedingten Inflationsprognosen zweimal gesenkt. Ging sie im Sommer noch über eine längere Zeit von einer hartnäckig hohen Teuerung von mehr als 2 Prozent aus, liegt die neueste Inflationsprognose über den ganzen Zeitraum «im Bereich der Preisstabilität», wie es SNB-Präsident Thomas Jordan formuliert. Das heisst: Nach einem Aufbäumen auf 2 Prozent im kommenden Jahr dürfte die Inflation ab 2025 nur noch 1,6 Prozent betragen.
Bei einer solchen Inflationsprognose gibt es keinen Grund mehr, die Leitzinsen zu erhöhen. Die SNB will zwar von Zinssenkungen noch nichts wissen, aber sie hält es nicht mehr für nötig, den Franken zu stützen, um den ausländischen Inflationsdruck zu vermindern.
Von der Realität eingeholt
Doch was hat zu dieser Revision geführt? «In der kurzen Frist ist dies auf die zuletzt tiefer als erwartet ausgefallene Teuerung zurückzuführen», sagt Jordan. Die Prognose vom Sommer wurde also von der Realität eingeholt. Die Inflation ist viel schneller zurückgegangen als erwartet. Im dritten Quartal lag sie bei 1,7 Prozent, im November ist sie sogar auf 1,4 Prozent gefallen.
Der Ausgangspunkt für die neue Prognose ist deshalb tiefer.
Aber warum sinkt die erwartete Inflation auch längerfristig? Wegen des tieferen Inflationsdrucks aus dem Ausland und etwas geringeren Zweitrundeneffekten, erklärt Jordan.
Von Zweitrundeneffekten spricht man, wenn die Unternehmen wegen der höheren Kosten die Preise und Löhne erhöhen. Und der tiefere Inflationsdruck aus dem Ausland hat mit der Annahme zu tun, dass das Wirtschaftswachstum im Ausland eher schwach ausfallen wird.
Prognosen basieren auf Annahmen und Wahrscheinlichkeiten
Das zeigt: Makroökonomische Prognosen sind keine exakte Wissenschaft. Die Modelle mögen hochkomplex sein und unzählige Variablen beinhalten. Aber letztlich schreiben sie bloss die aktuellen Trends fort und nutzen statistische Zusammenhänge, um die Richtung in den nächsten Quartalen zu schätzen. Und sie sind nicht frei von Annahmen, die ebenfalls einer Unsicherheit unterworfen sind.
Gewisse Dinge lassen sich eher voraussagen, etwa dass die Mieten wegen des höheren Referenzzinssatzes mit etwas Verzögerung steigen oder dass die Strompreise für die Haushalte ab Januar angepasst werden, nachdem die Anbieter die Tarife schon im September bekannt gegeben haben. Deshalb steigt die Inflation nächstes Jahr zuerst leicht an.
Was aber in einem Jahr passiert, ist unmöglich zu prognostizieren. Vielleicht gibt es einen neuen Ölschock oder sonst ein unvorhersehbares Ereignis. Die Modelle zeigen deshalb nur den wahrscheinlichsten Weg. Dazu gehört auch die Tendenz, dass sich Wachstumsraten, wie die Inflation eine ist, über die Zeit normalisieren und zum Mittelwert hin bewegen.