Es war für viele nicht ganz nachvollziehbar, warum die SNB im März erneut die Leitzinsen senkte. Der kleine 0,25er-Schritt folgte auf einen grossen im Dezember, der ebenfalls schon als sehr sportlich angesehen worden war. Klar, die Inflation war weiter gesunken und die Konjunktur lief seit längerem nur schleppend, bei leicht zunehmender Arbeitslosigkeit. Aber an der Währungsfront war es im ersten Quartal still. Der Euro hatte sich zum Franken sogar wieder deutlich vom Tiefstand im Dezember erholt.
Ein schwächerer Franken macht Importe teurer, was die Inflation via die importierten Preise anschiebt. Die geldpolitischen Rahmenbedingungen, wie die SNB sie nennt, werden dadurch lockerer. Auch Deutschlands Einigung auf ein schuldenfinanziertes Infrastruktur- und Rüstungspaket, die an den Finanzmärkten für höhere Konjunkturerwartungen in der Euro-Zone sorgte, liess die SNB-Spitze kalt. Stattdessen betonte SNB-Präsident Martin Schlegel die Abwärtsrisiken für die Konjunktur. Besonders handels- und geopolitische Risiken könnten die Situation schnell und markant verändern, sagte Schlegel. Gemeint war damit natürlich der unberechenbare US-Präsident mit Hang zum Protektionismus. Und dann haben sich diese Abwärtsrisiken tatsächlich materialisiert. Schlegel hat den Braten gerochen, während viele andere Experten noch immer an den Sieg der Vernunft geglaubt hatten. Das ist ihm hoch anzurechnen.
Doch die Kehrseite dieser korrekten Einschätzung und der übervorsichtigen Politik ist, dass das Pulver nun praktisch verschossen ist. Der Leitzins liegt bei 0,25 Prozent. Zu wenig hoch, um mit einem starken Signal einem zu starken Franken und der damit verbundenen Rezessions- und Deflationsgefahr entgegenzuwirken. Ausser die SNB wagt wieder den Schritt unter die Nulllinie. Obwohl wir damit Erfahrung haben, sollte diese Notmedizin aber nicht leichtsinnig verschrieben werden.
Die Lage wäre definitiv komfortabler, wären die Zinsen noch etwas höher. Das weiss auch Schlegel. Aber er ist der Überzeugung, dass Zuwarten in der Geldpolitik nichts bringt; das hat er schon mehrfach betont. Und womöglich wäre der Franken tatsächlich viel stärker, hätte Schlegel nicht so früh gehandelt.
Auf das zweite geldpolitische Instrument verzichtet die SNB derzeit. Soweit Daten verfügbar sind, ist sie seit einem Jahr kaum mehr am Devisenmarkt aktiv. Im vierten Quartal 2024 hat sie nur für rund 100 Millionen Franken Fremdwährungen gekauft – das sind Peanuts im Vergleich zu den zig Milliarden in früheren Aufwertungsphasen. Devisenkäufe zur Schwächung des Frankens sind ein wichtiger Pfeiler der Schweizer Geldpolitik, können aber von den USA als Währungsmanipulation interpretiert werden. Das erklärt wohl die Zurückhaltung. Genützt hat sie bisher aber wenig. Diesen Braten hat Schlegel nicht gerochen.