Vor dem Hintergrund des Handelskrieges mit den USA und hausgemachter Probleme erreichte die zweitgrösste Volkswirtschaft im vergangenen Jahr nur noch ein Wachstum von 6,6 Prozent. Wie das Statistikamt am Montag in Peking mitteilte, fiel das Quartalswachstum Ende 2018 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sogar auf nur noch 6,4 Prozent – ähnlich langsam wie zuletzt 2009 nach Ausbruch der globalen Finanzkrise.
Die Aussichten für das angelaufene Jahr sind damit ungünstig. Die Weltbank und Experten rechnen damit, dass das Wachstum unter 6,5 Prozent fallen wird. Wie stark die Marke unterschritten wird, hängt davon ab, ob der Handelskrieg mit den USA noch weiter eskaliert oder eine Einigung gefunden werden kann.
«Der Handelskrieg macht sich derzeit vor allem in einer wachsenden Unsicherheit bemerkbar», sagt Max Zenglein, Leiter des Programms Wirtschaft beim China-Institut Merics. Schwächelnde Exporte und Zurückhaltung bei Investitionen wirkten sich bereits auf das Wachstum aus. «Richtig ernst dürfte es aber erst werden, wenn es bis März keine Lösung gibt und es zu weiteren Zollerhöhungen kommt.»
Die USA haben China eine Frist bis 1. März gesetzt und drohen bei mangelndem Entgegenkommen mit einer weiteren Eskalation. US-Präsident Donald Trump fordert eine stärkere Marktöffnung und einen wirksamen Kampf gegen den Diebstahl geistigen Eigentums und erzwungenen Technologietransfer.
Regierung in Peking besorgt
Chinas Wachstum ist den neuen Zahlen zufolge so langsam wie seit 1990 nicht mehr – lag 2018 aber noch knapp über der amtlichen Zielvorgabe von 6,5 Prozent für das Gesamtjahr. Trotzdem ist die Regierung in Peking «besorgt», wie informierte Kreise berichteten, die von höchster Stelle über die Lage unterrichtet wurden. «Es sind Stimulusmassnahmen geplant.» Im neuen Jahr sollen möglicherweise nur noch 6,0 bis 6,5 Prozent als Wachstumsziel vorgegeben werden.
Nicht nur der Handelskrieg bremst die Wirtschaft. Experten verweisen auch auf den Kampf gegen das ausufernde Kreditwachstum und andere Faktoren. «Die Stimmungslage im Land hat sich grundsätzlich verändert», sagt Merics-Ökonom Zenglein. Das mache sich sowohl in einer grösseren Zurückhaltung aufseiten der Konsumenten als auch aufseiten privater Unternehmen bemerkbar, die weniger investierten.
Erst vergangene Woche hatte Chinas Statistikamt die Wachstumszahl für 2017 nach neuen Berechnungen nachträglich von 6,9 auf 6,8 Prozent korrigiert. Um die Konjunkturschwäche aufzufangen, greift China eher zu alten Methoden. Angekündigt wurden schon massive Neuinvestitionen im Infrastrukturbereich, etwa beim Ausbau der Eisenbahn, sowie Steuererleichterungen für Haushalte und Unternehmen.
Stagnierende Löhne
Die kommunistische Führung ist besonders besorgt über den Arbeitsmarkt, auf dem die Löhne schon langsamer steigen. Unternehmen zögern aber auch bereits bei Neueinstellungen.
Experten argumentieren, dass der Handelskrieg die Schwachstellen der Wirtschaft offenlege, die stark von hoher Verschuldung und dem Bauboom abhängig ist. Auf dem hoch spekulativen Immobilienmarkt steht aber nach Berichten jede fünfte Wohnung leer.
Experten verwiesen auch darauf, dass es einen Widerspruch zwischen der wachsenden staatlichen Kontrolle der Wirtschaft und der Notwendigkeit gebe, ein dezentrales und verbrauchergetriebenes Wirtschaftssystem zu schaffen, um nachhaltiges Wachstum zu erreichen. Ausländische Unternehmen beklagen, dass lange angekündigte Reformen, die eigentlich dem Markt eine grössere Rolle geben sollten, bislang nicht umgesetzt worden sind.
(sda/ise)