Der Euro fiel in den vergangenen Tagen dramatisch. Sowohl zum Dollar, der Leitwährung der Welt, als auch zum Franken. Seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs fiel der Euro zum Dollar auf den niedrigsten Stand seit Mai 2020. Gegenüber dem Schweizer Franken notiert er auf einem Siebenjahrestief. Er schwankt nunmehr um die Parität herum, also 1,00 Euro für 1 Franken und umgekehrt.
Das ist etwas, das die Schweiz seit der Euro-Krise nicht mehr gesehen hat. Diesmal ist der Grund ein anderer, und zwar der bewaffnete Konflikt mit Russland, welcher die Risiken für die Wirtschaft des Euro-Raums erhöht hat. Im Fokus stehen nun die beiden Fluchtwährungen Dollar und Franken. Und die Inflation.
Der Zusammenhang ist folgender: Die Stärke oder Schwäche einer Währung gibt Auskunft darüber, zu welchen Preisen Waren und Güter exportiert werden können. Und zu welchen Preisen sich ein Land Rohstoffe leisten kann. Gas und Öl geben hier den Ton an. Europa ist stark von den Lieferungen dieser Energieträger aus Russland abhängig.
Die Inflation wiederum ist der Spiegel für im Wettbewerb stehende Unternehmen am Markt. Mehr Inflation im eigenen Land – hier sind allen voran die USA und die Euro-Zone betroffen –, das bedeutet für die Unternehmen höhere Produktionskosten und in der Folge höhere Verkaufspreise, was den Absatz der Produkte im Ausland erschwert. Wettbewerbsfähigkeit, Umsätze und Gewinne der Unternehmen sinken. Bei einer Aufwertung des Frankens ist die Mechanik für Schweizer Exporteure ähnlich.
Was die Anleger nervös macht
Die jüngste Besorgnis nahm insbesondere zu, nachdem berichtet worden war, dass ein ukrainisches Kernkraftwerk Feuer gefangen hatte. Es stand vorher unter russischem Beschuss. Die Anlage ist das grösste Kernkraftwerk Europas. Nach den jüngsten Meldungen kontrolliert Russland nun das Kraftwerk.
«Das zeigt, welche Risiken mit diesem geopolitischen Konflikt verbunden sind. Das macht die Anleger nervös», sagt UBS-Ökonom Alessandro Bee. Die Flucht von einer Währung in die andere, beispielsweise in den Franken, bedeutet Umschichtungen vom Euro in den Franken. So steigt der Aufwertungsdruck auf den Franken in Richtung Parität zum Euro.
Womit nun darüber hinaus zu rechnen ist, verheisst nichts Gutes. Es wird erwartet, dass die Auswirkungen der steigenden Energie- und Gaspreise die Aussichten für das europäische Wirtschaftswachstum trüben werden. Der Euro bleibt daher im Epizentrum der Risikoaversion.
Die SNB rückt in den Fokus
Ein wenig überraschend ist, was die SNB bislang – nicht – getan hat. Die Nationalbank intervenierte bis dato nicht in einem Ausmass, von dem man glauben könnte, dass im SNB-Direktorium bereits die Alarmglocken schrillen.
«Wir haben gesehen, dass die SNB bis letzte Woche kaum interveniert hat. Wie es heute ist, wissen wir nicht, aber wir denken, dass sie inzwischen im Markt sind», sagt Ökonom Bee.
Der Grund: Zwar drückt die Flucht aus dem Euro und in den Franken die Schweizer Währung in Richtung Parität. Aber die Inflation in der Euro-Zone und in den USA macht die Exportprodukte aus diesen Wirtschaftsräumen teurer. Sprich: Die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Unternehmen leidet noch nicht so stark, dass eine dringende Intervention grösseren Ausmasses durch die SNB nötig wäre. Zudem rechnen Europas Wirtschaftsakteure nach wie vor mit einer weiterhin deutlichen Erholung nach der Corona-Pandemie.
Psychologische Wirkung
Gerät die Paritätsgrenze stärker unter Druck, wird ein Kursverhältnis 1:1 zur wichtigen, psychologischen Marke für Anleger und Unternehmen, die es auf jeden Fall zu stützen gilt. Darunter darf es keinesfalls gehen.
Eine Aufwertung unter Parität würde die Glaubwürdigkeit des Frankens als sicherer Hafen stärken. Aber es würde die Glaubwürdigkeit der SNB-Aussage schwächen, dass sie sich gegen einen zu starken Franken zur Wehr setzt.
Und an der Interventionskraft der SNB sollte der Markt nicht zweifeln müssen, denn das würde zusätzliche Unsicherheit für Unternehmen und Ausschläge auf dem Konjunkturbarometer bedeuten.