Paul Donovan, Chief Economist UBS Wealth Management, bringt es auf den Punkt: «Heute wird eine Gruppe von Leuten mit einem Abschluss in Journalismus versuchen, die Worte eines Juristen zu interpretieren, zu Themen, die eigentlich nur Leute mit einem Wirtschaftsabschluss interessieren. Mit anderen Worten: Es ist der Tag der Entscheidung der Federal Reserve.»
Die US-Notenbank Federal Reserve stimmt die Finanzmärkte heute Mittwoch voraussichtlich auf eine baldige Zinswende ein. Zum Abschluss der zweitägigen geldpolitischen Sitzung wird sie den Schlüsselsatz sehr wahrscheinlich zwar noch in der Spanne von null bis 0,25 Prozent belassen. Fed-Chef Jerome Powell will jedoch angesichts der starken Inflation in den USA bald eingreifen.
Die Preise seien weit über den Zielwert der Notenbank hinausgeschossen. Die «sehr konjunkturstimulierende Geldpolitik» habe wohl ausgedient, sagte Powell Mitte Januar vor einem Senatsausschuss.
«Wirtschaft und Inflation stabilisieren»
Zwar gebe es wenig, was die Fed tun kann, «um den Preis eines 2001 Honda Civic zu beeinflussen», schreibt Donovan in seinem Marktkommentar. Doch: «Die Fed möchte die Wirtschaft und die Inflation stabilisieren, wenn der aussergewöhnliche Nachfrageschock der Welt nach der Pandemie wieder zur Normalität zurückkehrt.»
Mehrere Fed-Führungsmitglieder haben den März als Zeitpunkt für eine Zinserhöhung ins Spiel gebracht. An den Märkten wird mit drei weiteren Anhebungen im laufenden Jahr gerechnet. Powell dürfte die Pressekonferenz nach der Zins-Sitzung nutzen, um die geldpolitische Straffung kommunikativ vorzubereiten.
In einem Negativszenario für die Märkte befürchten manche Anleger sogar vier Zinserhöhungen und einen Sprung auf 0,5 Prozent bei der ersten Anhebung.
Turbulenzen an der Börse
Die erwartete Zinswende sorgt an den Börsen schon seit Tagen für hohe Volatilität. Besonders Tech-Aktien mussten in diesem Jahr Federn lassen. Der Nasdaq-100 gab 2022 bisher fast 15 Prozent seines Wertes ab.
Vor allem Kurse von Firmen, die noch kein Geld verdienen und sehr stark von den Erwartungen leben, drohen durch höhere Zinsen Probleme zu bekommen. Ganze Sektoren des spekulativen «Story Stocks»-Universums würden fallengelassen, schrieb Mike Santoli, Chef-Kommentator des Finanz-Senders CNBC (mehr dazu hier bei «Cash»). Auch Digitalwährungen wie Bitcoin und Ether verloren im Vorfeld der Sitzung massiv.
Analysten gehen indes inzwischen davon aus, dass die möglichen Zinserhöhungen bereits in die Kurse eingepreist sind. Dafür spricht auch die deutliche Erholung der europäischen Titel am heutigen Mittwoch (Stand 13 Uhr).
Aufgeblähte Bilanz abschmelzen
Laut Powell wird die Fed dieses Jahr wohl auch damit beginnen, ihre in der Krise auf fast neun Billionen Dollar aufgeblähte Bilanz abzuschmelzen.
Anlagestratege François Rimeu vom Vermögensverwalter La Française erwartet laut der Agentur «Reuters», dass die Fed nun noch eher vage bleiben und keinen Zeitplan nennen wird, um eine Panikreaktion an den Finanzmärkten zu vermeiden. Viele Experten gehen davon aus, dass die Notenbank den Bilanzabbau im Sommer und damit nach der Zinswende angehen wird.
(mit Material von Reuters)