SNB-Chef Thomas Jordan (61) machts erneut – und er selbst ein allerletztes Mal: Er senkt den Leitzins um 25 Basispunkte auf 1 Prozent. Das kann sich die Nationalbank leisten. Denn: Die Teuerung in der Schweiz ist eine der niedrigsten unter den grossen Volkswirtschaften. Seit Mitte 2023 liegt sie wieder im Zielbereich der SNB von null bis zwei Prozent.

Der Entscheid wurde von Beobachtern erwartet. Sie machen vor allem die wirtschaftlichen Probleme in wichtigen Exportmärkten wie Deutschland, der Eurozone und China als einen der Beweggründe für die Zinssenkung aus. Die Experten stellen klare Abwärtsrisiken für die Schweizer Wachstumsaussichten dar.

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Leitzinsen
Quelle: Handelszeitung

«Der Inflationsdruck in der Schweiz ist gegenüber dem Vorquartal nochmals deutlich zurückgegangen. Dieser Rückgang spiegelt unter anderem die Aufwertung des Frankens über die letzten drei Monate wider», schreibt die Nationalbank in der Mitteilung am Donnerstagmorgen.

Besonders der nächste Satz im Communiqué dürfte die Anlegerinnen und Anleger aufhorchen lassen: «In den nächsten Quartalen können weitere Zinssenkungen erforderlich werden, um die Preisstabilität in der mittleren Frist zu gewährleisten.»

Leise Enttäuschung an der Börse

Mit einer Zinssenkung der SNB von 25 Basispunkten haben die Anlegerinnen und Anleger gerechnet. Der Schweizer Leitindex SMI startete am Donnerstag 0,95 Prozent im Plus. Offenbar gab es leise Hoffnungen, dass Thomas Jordan einen Überraschungscoup landen könnte – und die Zinsen gar um 50 Basispunkte senken würde. Die Börsianer wurden leise enttäuscht. Der SMI drehte nach Bekanntgabe des Entscheids nicht ins Minus, büsste aber 0,5 Prozent ein und steht aktuell noch 0,4 Prozent im Plus.

Thomas Jordan informiert am Donnerstag um 10 Uhr die Schweizer Öffentlichkeit über die Beweggründe für die Zinssenkung. Die Inflation sei seit der letzten Lagebeurteilung tiefer ausgefallen als erwartet, so Jordan. Sie lag im August bei 1,1 Prozent, gegenüber 1,4 Prozent im Mai. «Zum Rückgang haben insbesondere importierte Waren und Dienstleistungen beigetragen. Insgesamt wird die Inflation in der Schweiz gegenwärtig vor allem von der Teuerung der inländischen Dienstleistungen bestimmt.»

«Unsere neue bedingte Inflationsprognose liegt deutlich unter jener von Juni. Zur Abwärtsrevision tragen der stärkere Franken, der tiefere Erdölpreis und die für kommenden Januar angekündigten Strompreissenkungen bei», sagt Jordan

«Zufrieden» mit Entwicklung in der Schweiz

Jordan sagt bezüglich der internationalen Wirtschaftsaussichten: «Unser Szenario für die Weltwirtschaft unterliegt nach wie vor bedeutenden Risiken. So könnten die geopolitischen Spannungen zunehmen und eine schwächere Entwicklung der Weltwirtschaft zur Folge haben.» Gleichzeitig sei nicht auszuschliessen, dass die Inflation in einigen Ländern länger erhöht bleibe.

Mit der Entwicklung in der Schweiz ist Jordan zufrieden: «Das Bruttoinlandprodukt (BIP) wuchs im zweiten Quartal 2024 solide. Besonders die chemisch-pharmazeutische Industrie entwickelte sich dynamisch, während das Wachstum in vielen anderen Branchen moderat war. Die Arbeitslosigkeit stieg weiter leicht an.» 

Die Aussichten sind etwas durchzogen: «In den kommenden Quartalen dürfte das Wachstum in der Schweiz aufgrund der jüngsten Aufwertung des Frankens und der moderaten weltwirtschaftlichen Entwicklung eher verhalten ausfallen. Wir erwarten für dieses Jahr ein BIP-Wachstum von rund 1 Prozent. In diesem Umfeld sollte die Arbeitslosigkeit weiter leicht ansteigen, während die Auslastung der Produktionskapazitäten leicht sinken dürfte.»

Weitere Senkungen 

Vor eineinhalb Monaten stürzten die globalen Aktienmärkte ab. Thomas Jordan sagt zum Börsen-Beben von Anfang August: «Es kam es zu einem markanten Rückgang der Zinserwartungen in den grossen Währungsräumen. Auch die Zinserwartungen für die Schweiz gingen zurück, allerdings weniger stark als im Ausland. In der Folge gewann der Franken spürbar an Wert.» 

Auf die Frage eine Medienvertreters hin, ob weitere Zinssenkungen folgen werden, sagt Jordan. «Weitere Zinssenkungen könnten notwendig sein, um die Inflation zu stabilisieren», antwortet Jordan. «Die heutige Zinssenkung bestätigt, dass unsere Entscheidung von Anfang 2024 richtig war.»

Auswirkungen für Immobilienmarkt

Jordan-Nachfolger Martin Schlegel wird zum Immobilienmarkt gefragt. «Die Zinssenkung hat zwei Effekte auf die Immobilienpreise», sagt Schlegel und führt aus: «Das Risiko einer Korrektur ist kurzfristig kleiner geworden, aber langfristig, wenn die Preise weiter steigen, könnte die Verwundbarkeit auf dem Immobilienmarkt weiter zunehmen.»

Und dann sagt er einen Satz, der aufhorchen lässt: «Die Preise auf dem Immobilienmarkt sind nicht mehr erklärbar.»

«Die Übergabe wird gut über die Bühne gehen»

Nach zwölf Jahren an der Spitze der Nationalbank ist für Thomas Jordan nächste Woche Schluss. Er wird gefragt, wie die Übergabe ablaufen wird. «Am Montag werde ich die Schlüssel zu meinem Büro übergeben. Martin Schlegel wird dann die Verantwortung übernehmen», antwortet er. Sie hätten in den letzten Monaten «intensiv» miteinander gesprochen. «Die Übergabe wird gut über die Bühne gehen», ist sich Jordan sicher und lächelt.

Martin Schlegel ist ebenfalls zuversichtlich: «Ich bin seit über 20 Jahren bei der Nationalbank. Ich kenne die SNB recht gut», sagt er. «Sie sehen hier das Direktorium, aber wichtig sind die 1000 Mitarbeitenden, die jeden Tag in die Bank kommen und sich für unser Land einsetzen. Ich freue mich sehr auf diese Aufgabe.»

Schlegel überrascht sichtlich gerührten Thomas Jordan

Thomas Jordan wollte die Pressekonferenz schon abmoderieren und beenden, da ergreift sein Nachfolger Martin Schlegel nochmals das Wort: «Heute ist etwas Besonderes, es ist fast eine Zäsur», sagt er direkt an Jordan gerichtet. «Thomas, das ist dein 42. Mediengespräch. Du hast zum 42. Mal heute die Frage nach dem nächsten Zinsschritt geduldig beantwortet.» 

Und weiter: «Thomas, deine Liste der Verdienste für die Nationalbank und dieses Land ist sehr lang. Über all die Jahre hast du dich für eine Geldpolitik im Gesamtinteresse des Landes eingesetzt. Wir schätzen dich als klugen Ökonomen aber natürlich auch als sehr guten Kollegen.»

Jordan ist sichtlich gerührt: «Ich weiss gar nicht recht, wie ich darauf reagieren soll. Danke für diese netten Worte.» Er wünscht seinem Nachfolger Schlegel alles Gute. «Für mich war es ein grosses Privileg und eine grosse Ehre. Vielen Dank!»