So schnell können sich die Vorzeichen ändern. Noch vor nicht allzu langer Zeit musste sich die SNB fragen, wie sie die Inflation in den Griff bekommt – ob mit höheren Zinsen oder einem starken Franken, der die Importpreise zu senken hilft.
Tempi passati. Die Inflation ist weltweit auf dem Rückzug. Vor allem Europa hat ganz andere Sorgen: Regierungs- und Wirtschaftskrisen in Deutschland und Frankreich, dazu Zoll- und Handelskriegsdrohungen von Donald Trump.
Dieses toxische Gemisch wirft die SNB zurück ins alte Fahrwasser: Die erhöhte Nachfrage nach sicheren Währungen wie dem Franken und die Aussicht auf fallende Eurozinsen erhöhen den Druck auf den Euro-Franken-Kurs. Die Inflationsrate könnte schneller, als der SNB lieb ist, unter null fallen.
Seit Anfang Jahr senkt die SNB die Leitzinsen, die Frage ist nur noch, wie weit. Bereits wird an den Märkten wieder über Negativzinsen spekuliert. Der Leitzins liegt heut bei 1 Prozent. Die Renditen zehnjähriger Staatsanleihen sind bereits bei 0,2 Prozent angelangt.
Es erstaunt deshalb nicht, dass auch der neue SNB-Präsident Martin Schlegel offen über Negativzinsen spricht. Man werde bereit sein, das Instrument wieder einzusetzen, wenn es nötig ist, erklärte er.
Natürlich ist bei solchen Aussagen auch Kalkül dabei. Spätestens seit Mario Draghis «whatever it takes» weiss man, wie stark Worte in der Geldpolitik wirken können. Schlegels Drohung mit Negativzinsen könnte die Flucht in den Franken eindämmen, wodurch sie gar nicht erst nötig werden. Seit Schlegels Auftritt ist der Euro-Franken-Kurs auf jeden Fall nicht mehr gesunken.
Dass sich die SNB alle Optionen offenhält, ist richtig und wichtig. Da gehören zur Not auch Negativzinsen dazu. Diese mag zwar niemand, wie auch Schlegel sagt, doch die acht Jahre Erfahrung damit haben gezeigt, dass sich damit leben lässt und sich auch die Banken damit arrangieren. Die Gelackmeierten sind die Sparerinnen und Sparer. Und auch die Immobilienpreise werden weiter aufgebläht, wenn Hypotheken fast gratis sind.
Doch was sind die Alternativen? Statt über tiefe oder negative Zinsen kann die SNB den Franken auch über Interventionen am Devisenmarkt unattraktiver machen. Doch auch das hat seinen Preis: Wenn die SNB Euro und Dollar kauft, nehmen die Devisenreserven und die Notenbankbilanz wieder zu. Ob das per se ein Problem ist, ist schwierig zu beurteilen. Fakt aber ist, dass mit einer grossen Bilanz auch das Verlustrisiko gross ist.
Die dritte Option wäre, die Aufwertung zuzulassen und toleranter zu sein gegenüber dem allgemeinen Absinken des Preisniveaus. Bis zu einem gewissen Grad kann das funktionieren, wenn die Unternehmen sich anpassen können. Doch es ist ein Spiel mit dem Feuer. Wenn wegen des Preisverfalls Konsumentscheide vertagt werden und in der Exportwirtschaft haufenweise Jobs wegfallen, ist die Rezession nicht mehr weit.
Verglichen damit wirken Negativzinsen und Devisenberge als das kleinere Übel.