Die «Handelszeitung» stellt die Immobilienwirtschaft ins Schaufenster: Jeden Freitag kommt eine spannende Persönlichkeit aus der Branche zu Wort und schildert ihre Sicht auf den Markt. Diese Woche lesen Sie die Einschätzungen von Rainer Jöhl. Er ist Geschäftsführer und Mehrheitsaktionär des Makler-Netzwerks Remax in der Schweiz.
Wie werden sich die Preise für Schweizer Wohneigentum entwickeln, nachdem die Schweizerische Nationalbank (SNB) gestern Donnerstag die Zinsen erhöhte?
Wohneigentum ist ein Investitionsgut und es muss langfristig beurteilt werden. Vier Punkte sind wichtig:
- Die Geldpolitik der Nationalbank hat während der letzten Jahrzehnte zu einer überdurchschnittlichen Preissteigerung bei Sachanlagen wie Aktien und Immobilien geführt.
- Die Arbeitseinkommen blieben stabil. Das führte dazu, dass sich heute Normalverdiener Wohneigentum ohne Erbschaftsanfall kaum mehr leisten können.
- Die Raumplanung macht Boden zu einem knappen Gut. Solange das Bevölkerungswachstum anhält, bleibt die Nachfrage danach hoch.
- Die Baukosten sind aktuell am Explodieren.
Aus diesen Gründen werden insgesamt die Preise für Schweizer Wohneigentum langfristig weiter steigen. Der Zinsentscheid von dieser Woche ändert wenig an diesem Bild – noch liegt der Leitzins ja im negativen Bereich.
Könnte der Markt in Schieflage geraten, wenn die Zinsen weiter stark steigen?
Die kurze Antwort lautet: Nein, denn in den 1990er Jahren hatten wir auch schon Zinsen von teilweise weit über 5 Prozent. Von diesem Niveau sind wir noch weit entfernt.
Aufgrund der Eigenmittelvorschriften bei den Banken, der Eigenkapitalanforderungen, Tragbarkeitsrechnungen sowie der Amortisationsverpflichtungen sollte ein Zinsanstieg im Markt für private Eigentümer für viele gut verkraftbar sein.
Kommt hinzu: Viele Schuldner haben auch Festzinshypotheken abgeschlossen und verfügen über Vorsorgegelder, welche im Notfall für eine Amortisation der Schulden und somit zu einer Reduktion der Zinslast eingesetzt werden können.
Bei den Wohnimmobilien, bei denen die Tragbarkeitsrechnungen sehr grosszügig ausgelegt wurden – oder gar nicht zur Anwendung kamen –, kann es allerdings problematisch werden. Dennoch: Steigende Zinsen werden den Markt für privates Wohneigentum als Ganzes nicht in Schieflage bringen.
Anders sieht es für Luxusobjekte, Renditeliegenschaften oder Büroflächen aus. Auch betroffen sind Mieterinnen und Mieter: Sie werden stark steigende Zinsen spüren, wenn nicht gleichzeitig die Löhne steigen. Aktuell hat meines Wissens aber niemand ein Interesse, die Zinsen stark steigen zu lassen. Die neue Zinserhöhung der SNB wird den Markt für privates Wohneigentum nicht in Schieflage bringen.
Buy to let, wenn Private eine Wohnung kaufen, um sie zu vermieten, war dank den tiefen Zinsen lange beliebt. Ziehen solche privaten Investorinnen und Investoren auch Makler zu Hilfe – und wie attraktiv ist Buy to let aktuell mit Blick auf die Entwicklung der Zinsen?
Effektiv haben vermögende Privatpersonen in den letzten Jahren einen Anlagenotstand erlebt. Diese Entwicklung wird wohl auch so bleiben, denn langfristig sind Immobilien immer auf der Gewinnerseite. Eine Investition in Immobilien lohnt sich auch bei steigenden Zinsen, wenn man einen langfristigen Planungshorizont hat.
Immobilienmakler sind heute immer mehr versierte, ganzheitliche Berater. Neben dem Vermarkten von Immobilien spielen bautechnische und raumplanerische Fragen sowie finanzielle oder steuerliche Aspekte eine zentrale Rolle. Ein Beispiel: Wenn die bisher selber genutzte Wohnung an Dritte vermietet werden soll, findet eine Umnutzung der Wohnung statt. Hier macht es Sinn, eine kompetente Beratung beizuziehen – beispielsweise Remax. Wir sind genau in diesen Themen sattelfest.
Wechseln viele Wohnimmobilien unter der Hand den Besitz – und was sagen Sie als Makler dazu?
In unserer Erfahrung wird rund die Hälfte der gehandelten Immobilien selbstständig durch die Eigentümerschaft, ohne Beizug eines Maklerunternehmens, die Hand wechseln. Wichtig scheint mir, dass sich die Parteien dabei der Folgen der Eigentumsübertragung bewusst sind. Wer hier auf professionelle Hilfe verzichtet, geht grosse steuerliche und rechtliche Risiken ein.
Zudem stellt sich für mich immer auch die Frage, inwieweit mit Verwandten, Freunden, Nachbarn et cetera offen und transparent verhandelt werden kann – beispielsweise, wenn es um den Preis oder die Bausubstanz geht. Gerade bei älteren Einfamilienhäusern sehe ich oft, dass sich die Verkäuferschaft zu wenig mit der kommunalen Nutzungsplanung auseinandersetzt und deshalb vielfach zu zu tiefen Preisen verkauft, weil Ausnutzungsreserven vorhanden sind.
Kurzum: Für die Verkäufer- und Käuferschaft lohnt es sich immer, einen externen Makler als Berater beizuziehen. So kann gewährleistet werden, dass die Verwandtschaften und Freundschaften intakt bleiben – weil sichergestellt ist, dass es im Nachhinein keine Überraschungen gibt.
Remax ist international aktiv. Welche Länder sind besonders attraktiv für Schweizerinnen und Schweizer, die nach der Pensionierung auswandern wollen und dort Wohneigentum suchen?
Remax bietet weltweit Unterstützung an. Oft wollen Menschen auswandern, weil das Geld nach der Pensionierung in der Schweiz für ein angenehmes Leben nicht mehr reicht. Insgesamt entscheiden sich aber nur sehr wenige Menschen für diesen Schritt. Wichtig scheint mir, dass er gut überlegt ist und man sich mit den lokalen Gegebenheiten intensiv auseinandersetzt.
Viele beliebte Zielländer – wie zum Beispiel Thailand – haben in letzter Zeit neue Bestimmungen eingeführt, welche ein Mindesteinkommen und -vermögen für eine Wohnsitznahme verlangen. Aus Erfahrung gibt es keinen erkennbaren Trend für Zielländer, die in Zukunft besonders attraktiv erscheinen. Das ist sehr individuell.
Und welche Länder sind attraktiv für Leute, die eine Ferienwohnung oder ein Ferienhaus zum Kaufen suchen?
In den letzten zwei Jahren haben sich viele einkommensstarke Schweizerinnen und Schweizer vor allem in der Schweiz eine Ferienwohnung oder ein Ferienhaus geleistet. Aktuell ist die Unsicherheit für private Auslandinvestitionen immer noch spürbar.
Vor Corona waren die Küsten von Italien und Spanien, inklusive der Inseln im Mittelmeer, sowie auch Frankreich beliebte Regionen für Ferienwohnungen und Ferienhäuser von Schweizern und Schweizerinnen.
Wer so einen Schritt plant, muss vor einer Investition die rechtliche Situation sowie die finanziellen Folgekosten genau abklären – sehr oft wird zum Beispiel der Unterhalt oder die steuerliche Situation falsch eingeschätzt. Wer sich an eine lokale Immobilienagentur wendet, läuft zudem das Risiko, die steuerlichen Auswirkungen in der Schweiz zu übersehen.
Rainer Jöhl beantwortete die Fragen schriftlich.