Die Schweiz steht vor einer Erhöhung der Mieten auf breiter Front. Das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) erhöht den hypothekarischen Referenzzinssatz laut einer Mitteilung vom Freitag per 2. Dezember von 1,5 auf 1,75 Prozent. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten dazu.
Um wie viel steigt die Miete, nachdem der Referenzzinssatz von 1,5 auf 1,75 Prozent angehoben wurde?
Nach einer Anhebung um 0,25 Prozentpunkte können die Vermieter die Mieten um 3 Prozent anheben. Voraussetzung dafür ist bei langjährigen Mietverhältnissen aber, dass auch die früheren Senkungen weitergegeben wurden. Es kann sich also lohnen, die Mietzinsbasis im aktuellen Mietvertrag zu kontrollieren.
Warum geht es nun um 3 Prozent aufwärts? Als der Referenzzinssatz gesenkt wurde, lösten gleich grosse Zinsschritte «nur» Senkungsansprüche von je 2,91 Prozent aus.
Das Bundesgericht hat dies so entschieden. Die Überlegung war, dass ein Mietzins, der zum Beispiel 1000 Franken beträgt und um 3 Prozent erhöht wird, 1030 Franken beträgt. Wenn der Referenzzins wieder um 0,25 Prozentpunkte sinkt und der Mieter eine Mietzinssenkung einfordert, dann sollte der Mietzins wieder 1000 Franken betragen. Und um von 1030 wieder auf 1000 zu kommen, braucht es eben nur 2,91 Prozent.
Wie wird der Referenzzinssatz überhaupt erhoben?
Dies macht die Schweizerische Nationalbank im Auftrag des Bundesamts für Wohnungswesen (BWO). Alle Banken, deren auf Schweizer Franken lautenden inländischen Hypothekarforderungen den Gesamtbetrag von 300 Millionen Franken übersteigen, sind zur vierteljährlichen Meldung der Daten verpflichtet. Das aktuelle System ist seit September 2008 in Kraft. Seither gilt für Mietzinsanpassungen infolge von Änderungen des Hypothekarzinssatzes für die ganze Schweiz ein einheitlicher Referenzzinssatz. Er ersetzte den in den Kantonen früher massgebenden Zinssatz für variable Hypotheken.
Neben dem Referenzzinssatz dürfen die Vermieter auch Teuerungseffekte an die Mietenden weitergeben. Wie funktioniert das?
Es dürfen 40 Prozent der aufgelaufenen Teuerung weitergegeben werden. Für die genaue Berechnung muss ein Blick in die Statistik geworfen werden, konkret auf den Landesindex der Konsumentenpreise. Die für die Miete relevante Teuerung wird auf Basis der Veränderung dieses Indexes seit der letzten Mietzinsanpassung berechnet. Wichtig ist dabei, dass die richtigen Monate und die Tabellen mit der richtigen Indexbasis verwendet werden.
Ausserdem dürfen die Vermieter auch «allgemeine Kostensteigerungen» auf die Mieterinnen und Mieter überwälzen. Wie funktioniert das?
Hier wird es definitiv kompliziert. Gemäss Bundesgericht müsste der Vermieter diese Kostensteigerung beweisen. Um die Berechnung zu vereinfachen, wenden viele Schlichtungsbehörden laut Auskunft des BWO aber einen Pauschalsatz an. Diese Pauschalen sind jedoch verschieden, teilweise auch je nach Alter der Liegenschaft abgestuft. Gemäss Auskunft des Hauseigentümerverbands sind in der Praxis weit verbreitet Pauschalen von 0,5 bis 1 Prozent pro Jahr. Im Streitfall verlangt die Gerichtspraxis, dass die Steigerung dieser Kosten durch einen konkreten Nachweis erbracht werden muss.
Per wann gilt die höhere Miete?
Zeitlich dürften die meisten Vermieter die Briefe unmittelbar nach der Publikation des Referenzzinssatzes verschicken, damit die Erhöhung schnellstmöglich gilt – konkret auf den nächstmöglichen Kündigungstermin.
Liegenschaftenverwaltungen spielen auf dem Mietwohnungsmarkt eine wichtige Rolle. Entscheiden diese selbstständig, um wie viel erhöht wird?
Alle angefragten Verwaltungen betonten, dass dies nicht der Fall sei. Ob es eine Mietzinsanpassung aufgrund der Referenzzinssatzanpassung gibt, liege im Ermessen der Eigentümer, hiess es etwa von der Wincasa. Es gebe keine einheitliche Umsetzung. Man sei mit den Eigentümern aber seit Monaten in regem Austausch.
Geht die Mieterinnen und Mieter von Genossenschaftswohnungen das alles auch etwas an?
In der Regel wenden Genossenschaften die Kostenmiete an, welche den tatsächlichen Hypothekarzinssatz zu berücksichtigen hat und nicht den Referenzzinssatz. Teilweise stützen sie sich jedoch trotzdem auf ihn. Kein Thema ist bei den Genossenschaften eine pauschale Weitergabe der Teuerung, weil bei der Kostenmiete nur tatsächliche Kostensteigerungen, etwa für den Unterhalt, weitergegeben werden dürfen.
Was ist zu tun, wenn man eine zu hohe Mietzinserhöhung befürchtet?
Der Mieterinnen- und Mieterverband rät in einem solchen Fall, innerhalb von dreissig Tagen nach Erhalt der Erhöhungsanzeige ein Schlichtungsgesuch bei der Schlichtungsbehörde einzureichen. Vorgängig könne sich ein Blick auf den vom Verband entwickelten Mietzinsrechner lohnen.
Ist das System eigentlich noch zeitgemäss?
Dazu gibt es unterschiedliche Meinungen. Manche halten es für etabliert, von allen Seiten anerkannt und nachvollziehbar. Es gibt aber auch Kritik: Zum Teil wünschen sich Akteure ein einfacheres System. Hingewiesen wird etwa auf die heutige Praxis bei Gewerbemietverträgen, bei welchen der Mietzins jährlich an den Landesindex der Konsumentenpreise angepasst wird. In den vergangenen 25 Jahren wurden zahlreiche Versuche unternommen, das Mietrecht zu revidieren, und verschiedene Modelle wurden diskutiert. Geändert hat sich aber nichts.
(awp/rul/spi/gku)