EZB-Präsident Jean-Claude Trichet schlägt ein neues Kapitel auf: Der Leitzins in der Eurozone steigt erstmals seit Beginn der Finanzkrise an. Es geht um 25 Basispunkte nach oben. Doch nicht überall begrüsst man den Schritt. Denn auch wenn die Inflationsgefahr in der Eurozone durch die Anhebung des Leitzinses  reduziert wird – das Wohl der einen geht auf Kosten der anderen: Der PIGS.

Portugal, Irland, Griechenland und Spanien (die PIGS-Staaten) haben nämlich ein ganz anderes Problem. Von Expansion und Inflation sind die Krisenländer weit entfernt: Sie kämpfen gegen Rezession und Deflation. „Es gibt in der EU grosse Ungleichgewichte zwischen den einzelnen Volkswirtschaften“, sagt Anastassios Frangulidis, Ökonom der Zürcher Kantonalbank (ZKB). „Griechenland, Spanien oder Portugal werden daran ganz bestimmt keine Freude haben.“  Die hoch verschuldeten Länder haben jetzt mit höheren Refinanzierungskosten zu kämpfen.

Bankensektor könnte Probleme machen

Und auch der Bankensektor in den Krisenländern könnte Probleme machen. „Auf der Bankenseite herrscht ohnehin viel Unsicherheit“, sagt etwa Credit-Suisse Analystin Christine Schmid. Kreditnehmer, die bereits jetzt in Schwierigkeiten seien, könnten nun zusätzlich unter Druck geraten.  So habe etwa die Spanische Bank Santander auf der Morgan-Stanley-Finanzkonferenz vor längeren Kreditausfällen im Falle einer Zinserhöhung gewarnt.

Euro-Volkswirtschaften wie Deutschland, Holland oder Frankreich, in denen es gut läuft, profitieren jedoch von einer Zinssteigerung. Zwar haben 25 Basispunkte direkt nur wenig Auswirkungen. Frangulidis von der ZKB hebt aber den vorbeugenden Effekt des Schrittes hervor: Die hohe Inflationsrate in Deutschland  etwa sei momentan hauptsächlich auf gestiegene Rohstoffpreise zurück zu führen, die Kerninflation sei mit einem Prozent noch gering. Aber in Kombination mit dem niedrigen Zinssatz rege das trotzdem die Erwartungen der Konsumenten an: „Sie rechnen mit weiter  steigenden Preisen, dadurch auch mit höheren Löhnen. Das kann dann zu Zweitrundeneffekten führen, die die Rate langfristig anheben“, so Frangulidis.

Geldpolitik für die gesamte Eurozone

Hier zeigt sich die Zwickmühle der EZB-Geldpolitik: Die Schere zwischen den florierenden und den verschuldeten Wirtschaften öffnet sich jetzt –zumindest kurzfristig - weiter. „Wenn man Geldpolitik für die gesamte Eurozone betreibt, kann man nicht auf jeden einzelnen Staat Rücksicht nehmen“, so Frangulidis. Die Schwegewichte wie Deutschland oder Frankreich hätten da nun einmal Priorität. Und: „Schlussendlich ist es nicht die Aufgabe der Geldpolitik, die fiskalischen Probleme der einzelnen Länder zu lösen“, so Ursina Kublis von der Bank Sarasin.

Auch die Schweizer Nationalbank dürfte bald nachziehen:  „Wir erwarten, dass die SNB ihren Leitzins im Juni ebenfalls um 25 Basispunkte erhöht“, so Kublis. Die Leitzinserhöhung sei hier sehr willkommen. Da die EZB als zuerst gehandelt hat, ist auch der Euro-Franken-Wechselkurs dadurch nicht zusätzlich belastet.  Und auch der Immobiliensektor dürfte sich durch einen Zinsschritt der SNB deutlich entspannen. „Nach dem Boom am Schweizer Immobilienmarkt befürchten viele nun eine Blase.“  Diese dürfte durch eine Zinserhöhung laut Sarasin-Ökonomin Kublis abgewehrt werden.

(tno)

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