Werden die Preise für Wohnimmobilien weiter steigen und wie dürften sich die Preise für Detailhandelsflächen und Büroräumlichkeiten entwickeln?
Beim Wohneigentum erwarte ich 2022 ein schweizweites Preiswachstum im mittleren einstelligen Prozentbereich. Die Zahl angebotener Mietwohnungen hat deutlich abgenommen, die Angebotsmieten sinken daher nur noch geringfügig.
Im stationären Detailhandel bleibt die Vermietungssituation als Folge des Strukturwandels nach wie vor eine Herausforderung, der Druck auf die Mieten hält an.
Bei Büroflächen erwarte ich, dass nur die Mieten in den Zentren stabil bleiben werden, da nach wie vor ein Überangebot in den periphereren Lagen besteht.
Könnte der Immobilienmarkt durch eine rasche Zinswende in Schieflage geraten?
Ein plötzlicher Zinsanstieg dürfte zwar zu Wertkorrekturen in allen Immobiliensegmenten führen. Einen nachhaltigen Einbruch wie Anfang der 1990er Jahre in der Schweiz oder nach der Finanzkrise in den USA erwarte ich aber nicht. Die Kriterien für eine Hypothekenvergabe sind nach wie vor streng, und die Kapitalpuffer der Banken sollten grössere Preisrückgänge und allfällige Kreditausfälle absorbieren können.
Die Preise für Bauland an zentralen Lagen sind sehr hoch. Finden Sie als Geschäftsführer von Hiag noch ausreichend Grundstücke, um Bauvorhaben zu realisieren?
Hiag ist im Vergleich zu anderen institutionellen Immobilieninvestoren in der privilegierten Lage, auf den eigenen Grundstücken über enormes Wachstumspotenzial zu verfügen. Unsere Entwicklungsreserven für die nächsten 15 Jahre umfassen ein potenzielles Investitionsvolumen von fast 3 Milliarden Franken in über sechzig Projekten.
Deshalb tätigen wir, wie im letzten Geschäftsjahr gezeigt, nur Akquisitionen, die auch preislich in unsere Strategie passen.
«Die Kapitalpuffer der Banken sollten grössere Preisrückgänge und allfällige Kreditausfälle absorbieren können.»
Was sind die drei wichtigsten Folgen von Corona im Immobilienmarkt?
Die Pandemie löste in der Schweiz eine grosse Nachfrage nach Wohneigentum aus, was zur aktuellen Angebotsknappheit mit markantem Preiswachstum führte.
Sodann ist bei Büroflächen wegen des Trends zu mehr Homeoffice mit einer höheren Marktliquidität und Volatilität zu rechnen. Weiter haben Angebotsknappheit und Lieferverzögerungen die Preise für Baumaterialien verteuert und ich erwarte, dass die Baukosten aufgrund der geopolitischen Lage und massiv höherer Energiepreise auch 2022 steigen.
Der Baustoff Holz ist im Trend. Setzen Sie auch zunehmend auf Holz – und wenn ja, wieso?
Die Ursprünge von Hiag liegen im Import und der Verarbeitung von Holz. Einige unserer Areale stammen aus dieser Zeit. Sofern technisch und wirtschaftlich sinnvoll, realisiert Hiag schon seit Jahren Wohn- und Gewerbegebäude in Holz.
Es kommen aber auch Holzhybridbauten zum Einsatz, bei denen Aspekte der Kreislaufwirtschaft und die Vermeidung von grauer Energie ebenso zentral sind. Eine weitere Stärke von Holz ist der hohe Vorfabrikationsgrad, der es erlaubt, schneller und präziser zu bauen.
Wie merken Sie die Teuerung – und ist sie für Hiag ein Problem?
Hiag verfügt über das gesamte Geschäftsmodell über einen robusten Inflationsschutz. Da laufende Werkverträge Pauschalen oder ein Kostendach vorsehen, belastet die Preisentwicklung Hiag nicht unmittelbar.
Neue Werkverträge enthalten Indexklauseln, mit denen wir die Baukostenrisiken mit unseren Partnern teilen. Weiter sind die Erlöse aus Geschäftsmietverträgen zu einem sehr hohen Anteil an die Inflationsentwicklung gekoppelt. Das erlaubt uns, die Mieten im Rahmen der Teuerung anzupassen.
Der Immobilienmarkt wird durch die Raumplanung immer strenger eingeschränkt. Behindert die zunehmende Regulierung Hiag in ihrer Geschäftstätigkeit?
Das Ziel der Raumplanung, eine innere Verdichtung in Siedlungsgebieten zu erreichen, ist sinnvoll. Durch weitere Anforderungen entstehen aber zusätzliche Zielkonflikte. Projektentwicklung kann daher mit einem Hürdenlauf über Marathondistanz bei sich laufend verändernden Rahmenbedingungen verglichen werden.
Hiag kommt deshalb zugute, dass ein gewichtiger Teil unseres Geschäftsmodells die Entwicklung grosser ehemaliger Industrieareale ist und wir über ein sehr grosses Know-how in der Umsetzung von komplexen planungsrechtlichen Prozessen verfügen.
Marco Feusi beantwortete die Fragen schriftlich.