Die «Handelszeitung» stellt die Immobilienwirtschaft ins Schaufenster: Jeden Freitag kommt eine spannende Persönlichkeit aus der Branche zu Wort und schildert ihre Sicht auf den Markt. Diese Woche lesen Sie die Einschätzungen von Nadia Loosli. Sie verschickt seit zwanzig Jahren das Immomailing.

Sie betreiben Ihren Newsletter mit Immobilieninseraten seit mehr als zwanzig Jahren. Wie gross ist die Nachfrage nach Wohnungen in der Stadt Zürich derzeit? 

Die Nachfrage nach Wohnungen, insbesondere in der Stadt, wird jedes Jahr grösser. Trotz der regen Bautätigkeit in den letzten Jahren wird die Menge der zahlbaren Wohnungen von Jahr zu Jahr kleiner und damit der Druck vieler Suchenden immer grösser. 

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Darum empfehle ich den Inserenten von guten Inseraten auf dem Mailing, Nachname, Telefonnummern, Strassennummer oder sogar Strassennamen wegzulassen und keine Bilder der Hausfassade oder persönliche E-Mail-Adressen zu publizieren. So vermeiden sie, dass verzweifelte Suchende vor der Haustüre stehen oder dass sie auf Social Media «gestalkt» werden.

Nadia Loosli betreibt seit über zwanzig Jahren den Stadtzürcher Wohnungs-Newsletter Immomailing.

Nadia Loosli verschickt seit über zwanzig Jahren wochentags das Immomailing. In dem Immobilien-Newsletter finden Wohnungssuchende freie Objekte im Grossraum Zürich.

Quelle: Linda Pollari 2022

Die Nebenkosten steigen explosionsartig. Wie wirkt sich das auf die Wohnungssuche aus?

Viele Mietende sind sich dieser Situation nicht oder noch nicht bewusst und haben ihre Suche entsprechend noch nicht angepasst.

Der eine oder die andere Mietende wird in eine ungemütliche Situation geraten, wenn die Nebenkostenabrechnung des kommenden Winters kommt oder die Hypothekarzinsen steigen. 

Einige Leute zahlen über ihre Verhältnisse Miete, um in der Stadt leben zu können. Ein Indiz dafür ist die steigende Zahl der Angebote in der Rubrik «Befristet und möbliert» auf meinem Mailing. Dort werden immer mehr Wohnungen während der Ferien angeboten – sicher auch, um die hohen Kosten etwas abzufedern. Oder als Weg, damit man sich überhaupt noch Ferien leisten kann. 

Auch die Rubrik «Tausch» wird sehr rege genutzt – häufig, um sich etwas Günstigeres zu suchen. Ein Zimmer unterzuvermieten ist eine andere beliebte Methode, um eine zu teure Wohnung zu finanzieren – am liebsten an einen Wochenaufenthalter.

Was sind Ihre fünf Tipps für die Wohnungssuche?

  • 1. Alle Kanäle aktivieren, vor allem persönliche. Jedem und jeder sagen, dass man auf Wohnungssuche ist, aber auch auf verschiedenen Plattformen gleichzeitig suchen. Auf meiner Website hat es eine lange Liste mit Links: https://immomailing.ch/wohnungssuche-links/
  • 2. Geografisch möglichst breit suchen – nicht nur in einem Quartier, allenfalls auch ausserhalb der Stadt. Offen bleiben für Neues.
  • 3. Kurze, aber unbedingt persönliche Bewerbungsschreiben schicken, auch online. «Ich würde gerne Ihre Wohnung besichtigen» reicht meist nicht, um ausgewählt zu werden.
  • 4. Wenn man bereits eine Wohnung in Zürich hat: einen Wohnungstausch probieren.
  • 5. Gute Nerven behalten, nett bleiben, Absagen nicht persönlich nehmen. Und positiv bleiben, nach der Devise: «Jede Wohnung wird von jemandem gemietet, warum soll das nicht mal ich sein?»

Und welche fünf Eigenschaften zeichnen eine attraktive Wohnung aus?

Es gibt eigentlich nur eine Eigenschaft, die zählt: der Preis.

Spass beiseite: Natürlich ist nicht nur der Preis relevant, aber es ist ein sehr wichtiger Punkt. Grundsätzlich gilt für die Wohnungssuche: Je weniger Miete ich zahlen kann, desto mehr Kompromisse einzugehen muss ich bereit sein.

Ich möchte die Frage daher lieber umkehren und die Bedürfnisse ins Zentrum stellen: Es erleichtert die Wohnungssuche, wenn man weiss, was man braucht.

  • Preis: Was kann ich mir maximal leisten, was bedeutet es für mein Portemonnaie, falls es doch etwas teurer wird (tolle Wohnung, die über meinem Budget liegt, steigende NK oder Hypothekarzinsen)?
  • Sicherheit: Wenn ich etwas Günstiges, Nichtrenoviertes finde, jedoch das Risiko einer Kündigung ständig über mir hängt: Kann ich mit einer solchen Situation leben?
  • Lage: Wie wichtig ist die wirklich? Kann die Wohnung nicht auch ein bisschen weiter weg sein? Wie sind die ÖV-Anbindungen? Ist ein Schulwechsel meinen Kindern wirklich nicht zumutbar?
  • Lärm/Bauweise: Bin ich lärmempfindlich? Hört man die Nachbarn im Haus, hört man die Strasse, Menschen auf der Strasse? 
  • Platz/Zimmerzahl: Wie viel Platz benötige ich für mich, für die Familie, Kinder, die Arbeit? Und: Wie kann sich meine Situation allenfalls verändern in den nächsten Monaten und Jahren?
  • Komfort: Neubau, eigene Waschmaschine, zwei Bäder, Lift, Parkplätze, Platz für Velos, Kinderwagen – welche dieser Annehmlichkeiten könnte für mich wichtig sein oder wichtig werden? 

Werden viele Wohnungen unter der Hand vergeben?

Ich bin immer wieder erstaunt, wenn gute, günstige Wohnungen für mein Mailing kommen. «Haben die keine Freunde?» ist da jeweils mein erster Gedanke.

Dann passiert es häufig, dass kurze Zeit später ein Mail kommt, dass sie doch bereits jemanden gefunden hätten, der die Wohnung wolle, und dass ich das Inserat doch bitte gar nicht erst aufs Mailing nehmen soll.

Was mich dann immer ein bisschen traurig stimmt, da ich mich schon gefreut habe, jemanden glücklich machen zu können.  

Vor allem bei bezahlbaren Wohnungen mit 5+ Zimmern und Wohnungen unter 2000 Franken kommt vermutlich ein grosser Teil gar nie auf einen öffentlich zugänglichen Markt, da solche Wohnungen mittlerweile schon fast als «Einhörner» angesehen werden – etwas, das es nur noch in den Träumen gibt. Für solche Schnäppchen findet sich dementsprechend schnell einen Nachmieter. 

Wie beliebt sind luxuriöse Wohnungen?

Da antworte ich mit einer Gegenfrage: Was genau bedeutet luxuriös? 

Eine Wohnung im Stadtzentrum? Eine renovierte Wohnung ohne Schimmel in den Ecken? Eine ruhige Wohnung im Stadtzentrum? 

Für mich bedeutet luxuriös vor allem eines: zu teuer – und dieser Markt interessiert mich nicht. 

Bei meinem Mailing habe ich die Devise, dass eine Wohnung mit zwei mittleren Stadtzürcher Einkommen bezahlbar sein muss: 3-Zimmer-Wohnungen 3500 bis 4000 Franken und grosse, familientaugliche Wohnungen bis maximal 5000 Franken. Ich empfinde eigentlich beide Mieten bereits als exorbitant teuer.

Wohnungen für 7000, 8000 oder mehr im Monat, egal wie chic, zentral, mondän, empfinde ich als frech. Solche Inserate will ich nicht auf meinem Mailing. 

Die Stadt Zürich setzt stärker auf Hochhäuser. Wie stark gefragt sind Wohnungen in luftiger Höhe – und was halten Sie persönlich vom Hochhausbau in der Stadt?

Um diese Frage zu beantworten, fehlen mir die Erfahrungswerte. Ich hatte noch nicht allzu viele solche Inserate.

Grundsätzlich finde ich es interessant, auf wenig Bodenfläche viel Wohnraum zu erstellen; mit den aktuellen Landpreisen können jedoch auch in Hochhäusern keine zahlbaren Wohnungen erstellt werden.  

Mieten oder Kaufen – was rechnet sich im Raum Zürich stärker?

Ich habe den Kaufmarkt nicht im Blickfeld, da sich mein Mailing fast ausschliesslich auf den Mietmarkt von Zürich und Umgebung konzentriert. 

Sofern man genügend Startkapital und Einkommen hat, lohnt sich Kaufen im Grossraum Zürich vermutlich fast immer, da man sein Geld relativ sicher investieren kann. Im Gegensatz zu den Tausenden Franken Miete, die weg sind, wenn sie denn mal bezahlt sind.

Allerdings findet man nicht mehr viel, das bezahlbar ist: Für den Mittelstand ist es in Stadtnähe schon fast unmöglich, ein zahlbares, familientaugliches Heim zu finden. 

Nadia Loosli beantwortete die Fragen schriftlich.