Die Preise von Schweizer Immobilien, insbesondere von Renditeimmobilien, sind am Sinken. Wie weit gehen sie runter in den nächsten eineinhalb Jahren?
Im Markt für Renditeimmobilien wirken aktuell zwei gegenläufige Kräfte: Einerseits führen die steigenden Zinsen zu einer Reduktion der Immobilienwerte, anderseits wirken die aufgrund der hohen Nachfrage und der Koppelung an den Referenzzinssatz anziehenden Mietzinsen wertsteigernd.
In der Summe schätze ich den ersten Effekt als gewichtiger ein und erwarte daher ein Aufwertungspotenzial im mittleren einstelligen Prozentbereich für Wohnimmobilien im Bestand an mittlerer bis guter Lage in der Schweiz.
Welche Entwicklung erwarten Sie bei den börsengehandelten Schweizer Immobilienfonds? Der Zugewinn seit Jahresbeginn an der Schweizer Börse fällt ja ziemlich bescheiden aus.
Die Werte der börsenkotierten Immobilienfonds in der Schweiz wurden in den letzten Jahren stark durch das historisch tiefe Zinsniveau getrieben. Die Börsenwerte lagen oft 20 bis 30 Prozent über dem Nettoinventarwert der Fonds (Anm. d. Red.: Fondsvermögen).
Im Zusammenhang mit dem gestiegenen Zinsniveau haben die Börsen korrigiert, und dieser Effekt hat die kotierten Immobilienfonds hart getroffen. Zudem mussten viele institutionelle Investoren, die in börsengehandelte Immobilienfonds investiert waren, ihre Vermögensverteilung aufgrund der Wertkorrekturen in allen Anlageklassen neu ausrichten.
Die Korrekturen der Schweizer Immobilienfonds dürften inzwischen aber weitgehend abgeschlossen sein. Vermutlich setzt nun eine Seitwärtsbewegung der Kurse ein. Sobald sich im Markt die Erwartungen eines nachhaltig sinkenden Zinsniveaus durchsetzen, werden die Kurse wieder steigen.
Sie schaffen mit Implenia unter anderem Wohnraum auf ehemaligen Gewerbearealen. Gibt es in der Schweiz noch viele grosse, zentrale ehemalige Firmengelände, wo Wohnungen entstehen können?
Die Zahl der Industrie- und Gewerbeareale an zentralen Lagen hat während der letzten zehn Jahre stark abgenommen. Mit dem Sulzer-Areal – der heutigen Lokstadt – in Winterthur, das Implenia 2010 erworben hat, durften wir eines dieser interessanten Projekte erfolgreich entwickeln.
Es gibt in den Regionen Basel, Zürich, Genf und Luzern jedoch noch immer einige attraktive, etwas kleinere Industrie- und Gewerbeareale, die in den nächsten Jahren transformiert werden können.
Die «Handelszeitung» gibt der Immobilienbranche das Wort: Jeden Freitag liefert eine Expertin oder ein Experte Einschätzungen zu den wichtigsten Entwicklungen im Markt. Lesen Sie hier einige der Gespräche aus den vergangenen Wochen:
- «Die Preise von Wohneigentum sind emotional gesteuert»
- «Im Moment wird viel zu wenig Wohnraum gebaut»
- «Wir kaufen nach wie vor zu»
Immobilien sind ein Pfeiler der Schweizer Volkswirtschaft – die «Handelszeitung» macht sie zu einem Schwerpunkt in der Berichterstattung.
Welche Art von Wohnung ist derzeit besonders gefragt?
Das ist sehr unterschiedlich, je nach Bedürfnissen und Möglichkeiten der jeweiligen Zielgruppe. Abgesehen vom Luxussegment nimmt der Bedarf an effizient gestalteten Wohneinheiten jedoch stetig zu, getrieben von der hohen Nachfrage nach Wohnraum und den dadurch steigenden Mietzinsen.
Zudem sind Effizienzsteigerung und Optimierung auch zentral für die Erreichung der vermehrt geforderten ESG-Kriterien (zum Beispiel CO2-Fussabdruck in der Entstehungs- und Betriebsphase, Angebot an preisgebundenem Wohnraum und so weiter).
Neue Wohnungen sollen neu vor allem durch Verdichten entstehen – welche Chancen bieten dabei Hochhäuser in Städten?
Hochhäuser sind eine Möglichkeit, zu verdichten, mit der allerdings auch diverse Herausforderungen verbunden sind: Die Grundfläche eines Hochhauses und die zulässige Gebäudehöhe müssen in einem optimalen Verhältnis stehen, sonst nehmen die vertikalen Erschliessungszonen, inklusive der Fluchtwege, zu viel Platz weg, und eine wirtschaftliche Umsetzung wird schwierig.
Eine weitere Herausforderung bei der Entwicklung von Hochhausprojekten ist das Stakeholder-Management, da für solche Projekte oft viel Überzeugungsarbeit geleistet werden muss.
Hochhäuser sind eine Möglichkeit zur Verdichtung, mit der auch attraktive städtebauliche Akzente gesetzt werden können – in der Schweiz aufgrund der kulturellen Gegebenheiten jedoch nur in überschaubarem Umfang.
Steigende Baukosten bremsen den Wohnbau. Wie gelingt es Implenia, die Kosten tief zu halten?
Aufgrund der Bauteuerung, hoher Anforderungen an die architektonische Qualität und der steigenden Nachhaltigkeitsbestrebungen ist es eine grosse Herausforderung, die Baukosten tief zu halten. Unsere Antwort darauf sind standardisierte «Immobilienprodukte»: Wir entwickeln standardisierte, vorgefertigte Elemente, aus denen sich mittels spezialisierter Software auf dem jeweiligen Grundstück das ideale (Wohn-)Gebäude konfigurieren lässt.
Durch Skaleneffekte sowie optimierte Beschaffung können die Baukosten und gleichzeitig der CO2-Fussabdruck in der Entstehungsphase reduziert werden. Weiter sieht unser Konzept die künftige Wiederverwertung der meisten Gebäudeelemente vor. Abgerundet wird das Ganze durch die Optimierung von Energieverbrauch und -gewinnung während der Betriebsphase.
Der deutsche Wohnbaukonzern Alder ist durch die steigenden Zinsen ins Strudeln geraten. Könnten auch Schweizer Immobiliengesellschaften durch die steigenden Finanzierungskosten Schwierigkeiten bekommen?
Deutsche Projektentwickler haben sich während der letzten Jahre mit einem hohen Fremdkapitalanteil zu oft kurzen Laufzeiten finanziert. Die Zinswende hat sie daher vor grosse Herausforderungen gestellt, die möglicherweise in nächster Zeit zu vermehrten Kreditausfällen führen werden.
In der Schweiz ist das anders: Einerseits sind die Wertkorrekturen durch die steigenden Zinsen geringer als im deutschen Immobilienmarkt, anderseits ist die Finanzierungspraxis der Banken in der Schweiz deutlich konservativer. Zudem gab und gibt es in der Schweiz weitaus weniger Anbieter von nachrangigen Darlehen. Und das war einer der Hauptgründe für den exzessiven Einsatz von Fremdkapital im deutschen Markt.
Reimer Siegert beantwortete die Fragen schriftlich.