Werden die Preise für Wohnimmobilien weiter steigen? Und wie entwickeln sich die Preise für Büroimmobilien und Detailhandelsliegenschaften?
Seit Jahren erfreuen sich Wohnimmobilien grosser Beliebtheit – sei es im Eigenheim-, Stockwerkeigentums- oder Mietsektor. Die Leerstandsquoten sind tief geblieben. Gerade an den zentralen und urbanen Standorten trifft eine hohe Nachfrage auf ein beschränktes Angebot.
Die vor oder während der Corona-Krise eingeführten hybriden Arbeitsmodelle haben auch weniger zentrale Wohnlagen attraktiver gemacht. So verzeichnen vor allem die urbanen Hotspots mit attraktiver Umgebung, guter Erschliessung in der Nähe von Wirtschaftszentren sowie auch entsprechend attraktive Tourismusdestinationen jährliche Kaufpreiswachstumsraten von zwischen 5 und 15 Prozent. Bei Mehrfamilienhäusern als Anlageobjekte wird für gute Qualitäten die Nettorendite von 1 Prozent bereits mehrfach getestet.
Die Pandemie ging auch an Büroimmobilien nicht spurlos vorbei. An peripheren Lagen haben die Leerstände zugenommen. Die Flächennachfrage hat sich jedoch weniger stark als die künftige Flächenzusammensetzung verändert. In den Innenstädten verschieben sich teilweise die Entwicklungszentren, was zu attraktiven Flächen und erhöhter Nachfrage führt. So zu beobachten in Genf und Zürich.
Die Mietpreise sind daher relativ stabil. Je nach Lage sind daher die Preisentwicklungen bei Büroimmobilien unterschiedlich. An sehr guten Lagen werden tiefe Nettorenditen von 1 bis 2 Prozent gehandelt. An peripheren oder weniger attraktiven Lagen sind die Renditen nicht selten 1 bis 2 Prozentpunkte höher.
Im Detailhandel konnte der Online-Verkauf während der Corona-Krise stark zulegen. Gerade die grossen, bekannten Retailer erreichten in diesem Bereich Zuwachsraten von bis zu 40 Prozent. Der gesamte Online-Handel in der Schweiz beträgt nun bereits 12 Prozent des jährlichen Transaktionsvolumens im Detailhandel und dürfte in den nächsten Jahren auf 16 bis 18 Prozent ansteigen.
In den Shoppingcentern erholte sich der Umsatz 2021 gegenüber 2020; allerdings verharrt er noch leicht unter dem Umsatz im Jahr 2019. 2020 verloren die Shoppingcenter rund 1 Milliarde Franken Umsatz gegenüber dem Vorjahr. Vor diesem Hintergrund bleiben sowohl die Miet- als auch die Immobilienpreise insbesondere bei peripher gelegenen Retailliegenschaften unter Druck.
Die indirekten Schweizer Immobilienanlagen zeigen mittlerweile Agios von durchschnittlich 30 Prozent, wobei das langfristige Mittel in etwa bei der Hälfte liegt. Die anziehende Inflation, mangelnde alternative Investitionsgelegenheiten und der robuste Mietermarkt in der Schweiz lassen daher vermuten, dass die Preise auch in den kommenden Monaten tendenziell steigen werden – dies jedoch abhängig von der Lage und den jeweiligen Teilmärkten.
«Die Miet- und Immobilienpreise bleiben bei peripher gelegenen Retail-Liegenschaften unter Druck.»
Droht der Immobilienmarkt durch eine rasche Zinserhöhung in Schieflage zu geraten?
Eine rasche, substanzielle Zinserhöhung hätte wohl einen gewissen Bremseffekt beziehungsweise würde Rückschlagpotenzial bieten. Allerdings scheint die Schweizerische Nationalbank eine eher sanfte Anhebung des Zinsniveaus in kleinen Schritten anzupeilen, sodass wir 2022 immer noch rund um die 0 Prozent sein werden. Bei einer Inflation von 1 Prozent ist dies nach wie vor eine attraktive Ausgangslage für Immobilien.
Welche Art von Detailhandelsfläche ist in Zeiten des Online-Handels noch gefragt? Ist die Suche nach neuen Mietern schwieriger geworden?
Während der Pandemie profitierten eher regionale, kleinere Nahversorgungszentren mit hohem Food-Anteil. Gerade Fachmärkte wie Bau und Hobby, Garten- oder Sportfachmärkte waren sehr gefragt. Shoppingcenter waren ebenfalls ganz oder teilweise von den Lockdowns betroffen.
Es ist aber zu erwarten, dass sich diese temporäre Situation wieder auflöst. Daher ist die klare Positionierung, beispielsweise als Urban Entertainment Center, Nahversorger oder Fachmarkt, wichtig – und auch die Attraktivität der Lage, die Grösse und der Mietermix eines Centers sind positiv hervorzuheben. Alsdann ist auch die Suche nach geeigneten Mietern einfacher. Innenstadtlagen bleiben für Retailer weiterhin attraktiv, wie die Liegenschaftsumbauten sowie die Ansiedlung namhafter Brands im Luxus- aber auch tieferpreisigen Segment in den Grossstädten zeigen.
Wincasa ist die grösste Immobilienbewirtschafterin der Schweiz. Welche Probleme beschäftigen Ihre Mieterschaft am stärksten?
Im Bürosegment beschäftigen uns die Fragen der zukünftigen Flächenflexibilität aufgrund von Homeoffice sowie Fragen der nachhaltigen Nutzung in Bezug auf Luftqualität, Energieersparnis oder sozialen Interaktion auf der Fläche beziehungsweise im Quartier. Im Retailmarkt stellt sich die Frage, wie sich die Umsätze 2022 und 2023 nach den Lockerungen der Corona-Massnahmen entwickeln.
Wohnungsmieterinnen und Wohnungsmieter verbrachten mehr Zeit zu Hause, richteten sich teilweise Büros in den eigenen vier Wänden ein und haben daher sicherlich gestiegene Erwartungen an die Qualität ihrer Räume und Dienstleistungen.
Was verändert die zunehmende Telearbeit im Markt für die Wohnimmobilien?
Die Corona-Pandemie hat die Digitalisierung sowohl von Firmen als auch bei Privatpersonen dynamisiert. Standortunabhängiges Arbeiten hat zugenommen und wird bis zu einem gewissen Grad auch bleiben. Die Vorzüge der täglichen Reisezeiteinsparung sowie das flexiblere Gestalten des Tages wurden von den Nutzern und Nutzerinnen der Telearbeit erkannt. Wie viel davon bleiben wird, wird sich zeigen.
Die teilweise hohen Preisanstiege bei den Zweitwohnungen in Berggebieten oder im Tessin sind eine Folge der unmittelbar damit verbundenen Nachfragesteigerung. Am Erstwohnsitz benötigt man plötzlich ein Zimmer mehr für ungestörte Bürotätigkeit. Der Zweitwohnsitz soll Komfort in den Innenräumen und idealerweise den Einbezug von Aussenräumen und die Erholung vom Alltagsstress in der Natur kombinieren. Ältere Wohnungen werden dabei von neueren Angeboten verdrängt, wobei dafür oft auch ein höherer Preis zu entrichten ist.
«Im Jahr 2017 haben wir einen Piloten für die digitale Mietkaution auf Blockchain-Basis getestet.»
Wegen des Booms beim Bau von Mehrfamilienhäusern stehen viele Wohnungen leer. Ist der Leerstand für Wincasa ein Problem – und wie dürfte sich der Leerstand schweizweit entwickeln?
Wincasa betreut ein schweizweites Immobilienportfolio institutioneller Investoren mit vielen Nutzungen im Wert von beinahe 76 Milliarden Franken. Die rund 70’000 Wohneinheiten machen fast 40 Prozent des Portfoliowerts aus.
Die Wohnungsleerstandsrate betrug 2021 circa 4,7 Prozent und war gegenüber dem Vorjahr leicht rückläufig. Der Leerstand in dem von uns betreuten Wohnportfolio wird abhängig sein von der Portfolioentwicklung bei unseren Immobilieneigentümerkunden. Da diese mehrheitlich auf attraktive Standorte fokussieren, gehen wir von einer konstanten Entwicklung aus.
Was halten Sie von der Tokenisierung von Immobilien, also der neuen Möglichkeit, digitale Anteile an einer Liegenschaft zu kaufen?
Innerhalb von Swiss Prime Site verfolgen wir die Trends und die Startup-Szene seit Jahren aktiv. Im Jahr 2017 haben wir bereits einen Piloten für die digitale Mietkaution auf Blockchain-Basis getestet. 2021 haben wir die Tokenisierung von Immobilienaktiva und -anteilen untersucht. Diese Idee ist spannend, da sie theoretisch die Immobilie und ihre digitalen Anteile liquid, jederzeit verfolg-, zuordnungs- und einfacher handelbar machen könnte.
Auch hat der Bundesrat im August letzten Jahres das DLT-Gesetz (Distributed Ledger Technologie) mit der Möglichkeit von DLT-Handelssystemen in Kraft gesetzt. Die Schweiz gilt als weltweit fortschrittlich in dieser Technologie und hat schon früh das «Crypto Valley» in Zug entwickelt.
Die Transaktionsabwicklung im direkten oder indirekten Immobilienmarkt mittels Digital-Assets beziehungsweise DLT ist jedoch durch die grundbuchrechtlichen Auflagen zum Eigentumsübertrag sowie durch andere Rahmenbedingungen eingeschränkt.
Bisher haben in der Schweiz erst wenige Transaktionen stattgefunden und mussten teilweise über Hilfskonstrukte mit Einbringung der Aktiva in eine Gesellschaft sowie durch die Digitalisierung der Anteile dieser Gesellschaft erfolgen. Das ist aber noch zu kompliziert, bringt weder Automatisierung noch wesentliche Vorteile. Wir stehen noch am Anfang dieser Entwicklung.
Oliver Hofmann beantwortete die Fragen schriftlich.