US-Präsident Donald Trump (78) hat mit seinem Handelskrieg die gesamte Welt in Geiselhaft genommen. Doch seine Unberechenbarkeit hat bereits zu einer Retourkutsche geführt. Die Renditen für US-Staatsanleihen sind innert weniger Tage deutlich gestiegen. «Das sind erste Anzeichen dafür, dass die Anleihen bei Investoren nicht mehr so gefragt sind, was die Schulden der USA verteuert», sagt Raiffeisen-Chefökonom Fredy Hasenmaile (58). Genau das kann sich Trump nicht leisten.
Es halten sich hartnäckige Gerüchte, dass Länder wie Japan und China im grossen Stil US-Staatsanleihen verkauft haben und Trump so in die Knie gezwungen haben. Die beiden Länder halten im Ausland die meisten US-Staatsanleihen. Der US-Präsident hat beim Pausieren der Mega-Zölle am Mittwoch selbst eingeräumt, dass die Entwicklung bei den Staatsanleihen ein Faktor gewesen sei.
Dabei hat der US-Präsident die Probleme in seinem Land eigentlich richtig erkannt: Der starke Dollar schwächt die eigene Exportwirtschaft und fördert die Abwanderung von Fabriken ins Ausland. Der gewaltige Schuldenberg muss schrumpfen. Einige Handelspartner behandeln die USA tatsächlich unfair. Und das seit Jahrzehnten bestehende Handelsbilanzdefizit ist ein Problem.
Defizit ist auf «lange Sicht nicht nachhaltig»
Das Handelsbilanzdefizit ist im letzten Jahr auf beinahe 920 Milliarden US-Dollar gestiegen. Das heisst, dass in diesem Umfang mehr Güter aus dem Ausland in die USA importiert wurden als umgekehrt. «Ein Handelsbilanzdefizit ist erstmal nicht so schlimm, wie man immer hört. Doch es ist ein Zustand, der auf lange Sicht nicht nachhaltig und durchhaltbar ist. Die Verschuldung kann nicht einfach immer weitersteigen», sagt Raiffeisen-Chefökonom Fredy Hasenmaile (58). Es bestehe Handlungsbedarf. Derart akut, wie Trumps Aussenpolitik vermuten lässt, sei dieser aber nicht. «Im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt der USA von 28,8 Billionen US-Dollar ist das Aussenhandelsdefizit überschaubar.»
Normalerweise würde sich eine negative Handelsbilanz mittelfristig von allein ausgleichen. Der Bedarf nach den Währungen der Handelspartner steigt, beim Dollar entsteht ein Überangebot und er wertet ab. Dadurch werden Importe teurer und die US-Firmen können günstiger ins Ausland exportieren. Der Wirtschaftsstandort gewinnt an Wettbewerbsfähigkeit, lockt neue Firmen an und der Export wächst zusätzlich. In den USA funktioniert jedoch genau das nicht.
Der Sonderfall mit dem Dollar
«Die USA ist mit dem Dollar als Weltwährung ein Sonderfall. Der Grossteil des Welthandels erfolgt in der US-Währung und US-Staatsanleihen gelten als sicher», so Hasenmaile. So fliesst viel Geld in die USA und die Nachfrage nach dem Dollar ist gross. «Trump hat also recht, der Dollar ist überbewertet», führt er aus. Für die wirtschaftliche Standortattraktivität ist das grundsätzlich ein Nachteil. Dieser wird weiter verschärft, weil beispielsweise die EU höhere Zölle auf US-Autos erhebt als umgekehrt oder China die eigene Wirtschaft übermässig mit Subventionen stützt.
Der starke Dollar schafft für die USA aber auch Vorteile: «Dank dem vielen Kapital, das ins Land fliesst, sind die Kredite günstig», sagt Hasenmaile. So profitieren einerseits die Privathaushalte und auch der Staat von tiefen Zinsen. Doch günstiges Geld verlockt dazu, mehr auszugeben. «Die USA leben über ihre Verhältnisse. Und beim hohen Defizit im Staatshaushalt wird auch klar, woher das starke Wachstum der US-Wirtschaft der letzten Jahre kommt», so Hasenmaile.
Dieses Haushaltsdefizit lässt die Verschuldung laufend anwachsen – mittlerweile liegen diese bei über 36 Billionen US-Dollar. «Das geht auf Kosten der Zukunft der USA», so Hasenmaile. Im letzten Jahr mussten die USA für den Schuldenberg rund 1 Billion an Zinsen berappen – Tendenz steigend. Das sind fast 15 Prozent des Staatshaushalts und mittlerweile gar mehr als die Ausgaben fürs Militär. Geld, das für wichtige Staatsaufgaben fehlt.
«Trump macht den Schaden mit jedem Tag grösser»
Die Staatsausgaben sollen mit dem von Tech-Milliardär Elon Musk (53) angeführten Doge-Team reduziert werden. Doch gleichzeitig plant Trump grosse Steuersenkungen auf Löhne und für Firmen, die Trump mit Zolleinnahmen gegenfinanzieren will. Am Mittwoch hat er die Mega-Zölle gegen 75 Handelspartner für 90 Tage ausgesetzt und praktisch für alle einen Basiszoll von zehn Prozent eingeführt. Mit den Einnahmen daraus dürfte er aber nicht einmal die geplanten Steuersenkungen decken können und erst recht nicht das Haushaltsdefizit von im letzten Jahr zwei Billionen US-Dollar senken.
«Das aktuelle Vorgehen von Trump ist amateurhaft und unausgegoren. Mit jedem Tag, an dem er an der Macht ist, macht er den Schaden grösser. Es steckt kein durchdachter Plan dahinter und die weltweite Verunsicherung ist riesig», sagt Hasenmaile.
Dieser Artikel erschien zuerst bei Blick unter dem Titel «Trumps grosser Poker um das US-Handelsbilanzdefizit».