Mit dem Rücktritt von Thomas Jordan verlieren die SNB und die Schweiz eine prägende Figur. Sein Leistungsausweis ist bemerkenswert: Dank ihm blieb die Inflation bei anhaltendem Wirtschaftswachstum unter Kontrolle. Er half 2008 noch als Direktionsmitglied bei der Rettung der UBS mit und führte die Schweiz als SNB-Präsident durch zahlreiche Krisen. Selbst beim Niedergang der Credit Suisse geriet der Finanzmarkt nicht aus den Fugen.
Doch eine Sache trübt das Bild: der Zeitpunkt seiner Demission. Jordan geht drei Jahre vor dem Ende seiner zweiten Amtsperiode, zu der er 2020 vom Bundesrat wiedergewählt wurde. Jordan ist gesund und hat eigenen Aussagen zufolge keine anderen Pläne.
Er begründet seinen vorzeitigen Rücktritt schlicht damit, dass der richtige Zeitpunkt dafür gekommen sei. Die Teuerung sei im Griff, die Lage auf dem Finanzplatz ruhig, begründete er.
Alles gut, also? Eher nicht. Denn die Ruhe trügt. Der Niedergang der Credit Suisse ist zwar schon fast ein Jahr her, aber die Aufarbeitung noch längst nicht abgeschlossen. Der Abschlussbericht der parlamentarischen Untersuchungskommission PUK ist erst für Ende Jahr angekündigt, wenn Jordan bereits weg ist.
Die PUK untersucht, wie die zuständigen Stellen Finma, Finanzministerium (EFD) und die Nationalbank die CS-Krise gemanagt haben. Vielleicht kommen die SNB und Jordan gute Noten, vielleicht gibt es aber auch einen Rüffel.
Denn es gibt durchaus negative Punkte, die ihm angelastet werden könnten. So etwa wird von Experten kritisiert, dass er zu konservativ agierte bei der Bereitstellung von Liquiditätshilfen und dass er vor der Krise die Einführung einer öffentlichen Liquiditätssicherung (Public Liquidity Backstop) zu wenig stark vorangetrieben hatte.
Es heisst auch, dass die SNB auf dem Laufenden war, dass die CS zu wenige ihrer Anlagen in der Bilanz so aufbereitet hatte, um sie als Sicherheit für SNB-Liquidität hinterlegen zu können. Auch die mangelhafte Zusammenarbeit von SNB und Finma könnte ein Kritikpunkt sein, der Jordan mit angelastet werden könnte.
Diesen Vorwürfen sollte sich Jordan stellen, nicht nur während der laufenden PUK, sondern auch dann, wenn die Resultate der Öffentlichkeit bekannt sind.
Es ist auch möglich, dass ihm diese Kritik stärker zugesetzt hat, als er zugibt und als es ihm von aussen anzumerken ist. Und dass dies seinen Rücktrittsentscheid beeinflusst hat.
Auch sein zweites Rücktrittsargument überzeugt nicht: Demzufolge hinterlässt Jordan eine «stabile Bank», die für ihre zukünftigen Aufgaben gut gerüstet sei.
Aber auch das kann man anders sehen. Vize-Präsident Schlegel ist weniger als zwei Jahre im Amt. Das neue Direktionsmitglied Antoine Martin hat erst im Januar angefangen. Wie die beiden harmonieren, kann nach so kurzer Zeit nicht beurteilt werden. Ein gefestigtes, eingespieltes Team sieht anders aus. Nach Jordans Abgang muss nun ein drittes neues Direktoriumsmitglied gefunden werden. Dabei darf die SNB-Spitze getrost als eines der mächtigsten Gremien der Schweiz angesehen werden. Da sind die sich nun häufenden Wechsel kontraproduktiv.
Es ist Entscheidungsträgern zwar hoch anzurechnen, wenn sie von sich aus merken, wann die Zeit gekommen ist, und loslassen können.
Doch bei Jordan wirkt die Demission ein wenig so, als würde er davonlaufen, was so gar nicht passt für diesen Mann, der sonst so standhaft und prinzipientreu ist.