Die Schweizerische Nationalbank (SNB) kann ihre Geldpolitik in naher Zukunft nicht normalisieren. Sowohl für 2014 als auch 2015 senkten die Notenbanker heute ihre Inflationsprognose um je 0,2 Prozentpunkte. Die Vorhersage für die Teuerung habe sich im März noch einmal nach unten verschoben, teilten die Währungshüter in ihrer vierteljährlichen Stellungnahme mit. Bereits im Dezember und zuvor im September hatte die Notenbank die Inflationsvorhersage leicht gesenkt.
Für dieses Jahr erwartet die SNB damit erstmals nur noch stagnierende Preise. «Mit der neuen Prognose wird die Geldpolitik der SNB voraussichtlich noch länger als bislang erwartet sehr expansiv bleiben», sagte Yngve Abrahamsen, Wirtschaftsexperte bei der Zürcher Konjunkturforschungsstelle Kof. Eine baldige Zinserhöhung sei unwahrscheinlicher geworden, so Abrahamsen.
Preise legen womöglich erst 2015 leicht zu
«Der Kampf der SNB gegen die Deflation hält an», kommentierte Jonathan Loynes, Chefökonom bei der Londoner Researchfirma Capital Economics. Bislang habe er einen kleinen Zinsanstieg für die zweite Hälfte 2015 erwartet. «Aber selbst das scheint nun zweifelhaft, solange Wirtschaftswachstum und Inflation nicht substanziell positiv überraschen», so der Fachmann. Die gedämpfte Inflationsprognose der SNB sorge dafür, dass keine verfrühten Zinserhöhungserwartungen in die Märkte kämen, sagte Roland Kläger, Ökonom bei Raiffeisen Schweiz. «Die Kurzfristzinsen scheinen somit gut verankert – zumindest für die nächsten zwölf Monate.»
Bis zuletzt waren sich Fachleute einig darin, dass die Preise in der Schweiz nach zwei Rückgängen in Folge in diesem Jahr erstmals wieder zulegen. So hatten sowohl die Experten der Kof als auch des Wirtschaftsinstituts Bak Basel ein Plus von knapp 0,5 Prozent veranschlagt. Bereits im abgelaufenen Jahr sanken die Konsumentenpreise landesweit um 0,2 Prozent. 2012 fiel das Minus mit 0,7 Prozent noch deutlicher aus.
Probleme für Schweizer Immobilienmarkt
Nun prognostiziert die SNB, dass die Schweizer Lebenshaltungskosten auf Jahressicht erst 2015 wieder steigen, dann um 0,4 Prozent. «Die international rückläufige Teuerung und der leicht stärkere Franken verzögern den Anstieg der Inflation in den positiven Bereich», schreiben die Währungshüter in ihrer Stellungnahme. Für 2016 erwartet die SNB einen Anstieg der Konsumentenpreise um 1,0 Prozent. Erst dieser Wert entspräche wieder dem langjährigen Schnitt der Jahre 2000 bis 2010.
Die SNB spricht von stabilen Preisen, wenn diese um weniger als zwei Prozent pro Jahr zulegen. Sinkende Preise sind allerdings gefährlich, weil Verbraucher geneigt sind, ihr Geld zu sparen. Das erschwert die Geschäfte für Unternehmen: Der Druck wächst, die Löhne der Mitarbeitenden zu senken. Es droht eine Spirale nach unten, aus der sich die Wirtschaft nur unter enormen Anstrengungen befreien kann.
Euro-Mindestkurs wird verteidigt
Nach Ansicht von Kof-Experte Abrahamsen sei dieses Phänomen in der Schweiz aktuell aber nicht beobachtbar. Allerdings, so warnte er, könne sich die Schieflage am Immobilienmarkt etwas verschärfen – sollten die Zinsen in der Schweiz mit den heute veröffentlichten Zahlen noch etwas länger tief bleiben.
Die Notenbanker stecken damit in einem Dilemma. Denn gleichzeitig hält die SNB am Euro-Mindestkurs von 1,20 Franken wie erwartet fest – und teilte heute einmal mehr mit, ihre Ansage um jeden Preis mit Taten untermauern zu wollen: «Die Nationalbank steht bereit, den Mindestkurs wenn nötig durch den Kauf von Devisen in unbeschränkter Höhe durchzusetzen und bei Bedarf weitere Massnahmen zu ergreifen.» Nach wie vor sei der Franken «hoch bewertet». Den Leitzins beliess die SNB erwartungsgemäss bei nahe null.
SNB: Wirtschaftsdynamik in der Schweiz legte zu Jahresbeginn zu
Für die Schweizer Wirtschaft ist die Notenbank optimistisch: Nach einer Abschwächung des wirtschaftlichen Wachstums Ende vergangenen Jahres, welche vor allem auf einen Rückgang der Warenexporte zurückzuführen sei, dürfte die Dynamik zu Jahresbeginn wieder zugenommen haben. Im Januar stiegen die Schweizer Exporte, wie heute ebenfalls gemeldet wurde. Für das Gesamtjahr 2014 rechnet die SNB weiterhin mit einem Wachstum des Bruttoinlandprodukts um rund zwei Prozent.
Für die Weltwirtschaft bleibt die SNB skeptisch. Die Erholung sei «mit bedeutenden Risiken behaftet». Sorgen bereite noch immer die Verfassung des Finanzystems in Europa.