Man kann zwar nicht voraussagen, wann ein Crash kommt, aber man kann sich darauf vorbereiten. Wenn Sie Auto fahren, wissen Sie nicht, ob und wann Sie einen Unfall haben werden. Trotzdem ziehen Sie den Sicherheitsgurt an. Solche Sicherheitsgurte gibt es auch auf Immobilien übertragen.
Das scheint aber den meisten egal zu sein. Sie fahren ihre Immobilien lieber ohne Sicherheitsgurte, ohne ABS, mit abgefahrenen Reifen und im Cabrio ohne Überschlagschutz. Bei manchen Immobilienbesitzern fehlt gleich jegliches Blech rundherum. So fahren Sie mit 200 Stundenkilometern durch die Innenstadt.
Das liest sich übertrieben, ist aber so.
Es gibt viele gute Gründe, in Immobilien zu investieren. Vor allem sind die Zinsen sehr tief. Deswegen werden Eigenheime hoch belehnt. Oft werden sie mit nur 20 Prozent Eigenkapital gekauft. Die restlichen 80 Prozent sind geliehen, meist von einer Bank in Form von Hypotheken. Gemäss Berechnungen des Hypothekenvermittlers Moneypark wurden Immobilien in der Schweiz im Jahr 2018 im Median nur mit 26 Prozent Eigenkapital finanziert. Wenn also die Immobilienpreise in einem Crash um 26 Prozent oder mehr einbrechen, haben 50 Prozent der Menschen, die im Jahr 2018 eine Immobilie in der Schweiz gekauft haben, ihr gesamtes Eigenkapital verloren. Das heisst, die sind dann alle bankrott – wenn sie nicht noch Kapital in der Hinterhand haben.
Nachschuss oder versteigern
Doch muss in der Schweiz wirklich mit einem Preiszerfall von 26 Prozent oder mehr gerechnet werden? Ja, rein statistisch betrachtet ist rund alle zwanzig Jahre mit einem Preiszerfall von sogar 40 Prozent zu rechnen. Das weiss Andreas Loepfe, Direktor des Zentrums für Immobilienmanagement an der Universität Zürich. «Allein die Tatsache, dass der letzte Crash schon über zwanzig Jahre her ist, bedeutet allerdings noch lange nicht, dass der nächste vor der Tür steht», fügt er an.
Ein solcher Crash wird sicher alle in Schwierigkeiten bringen, die ihre Immobilie mit über 60 Prozent belehnt und kein Kapital mehr in der Hinterhand haben. Sie müssen damit rechnen, dass ihre Bank hohe Nachschüsse verlangt. Wer nicht zahlen kann, muss zusehen, wie seine Immobilie zwangsversteigert wird.
Viele Banken in Finanznöten
Wer zum Beispiel auf seinem Eigenheim im Wert von 1 Million Franken eine Hypothek in der Höhe von 600 000 Franken hat, wird nach einem Preiseinbruch von 40 Prozent 120 000 Franken nachschiessen müssen, um wieder eine Eigenkapitaldeckung von lediglich 20 Prozent zu erreichen. Wenn dies längerfristig nicht möglich ist, wird die Immobilie mit hoher Wahrscheinlichkeit zwangsversteigert.
Zweifellos wird es beim nächsten Crash viele Konkurse und Versteigerungen geben. Das wiederum führt dazu, dass die Immobilienpreise noch weiter in die Tiefe gerissen werden – ein Teufelskreis. Genau das passierte in der Schweiz Ende 1980er, Anfang 1990er Jahre. «Einzelne Liegenschaften haben damals sogar deutlich mehr als 40 Prozent an Wert verloren», sagt Loepfe.
Stresstest 1990er Jahre
Der Crash wird viele Banken mit in die Tiefe reissen. Ein Stresstest der Finma zeigt, dass rund die Hälfte der getesteten Institute bei einer Immobilienkrise wie in den 1990er Jahren vor allem bei der Finanzierung von Renditeobjekten unter die Schwelle der geltenden Kapitalanforderungen fallen und neues Kapital brauchen, allenfalls Konkurs gehen würden.
Es lohnt sich, den Ablauf der Immobilienkrise vor 30 Jahren in Erinnerung zu rufen: Wir beginnen im Jahr 1989; im März schreibt die Schweizerische Depeschen Agentur (SDA): «Im Inland hat der Anlagebedarf der Pensionskassen mitgeholfen, die Immobilienpreise in schwindelerregende Höhe zu treiben.» Schon bald fallen die Preise.
Im Juni 1990 ist in der Zeitung «Cash» zu lesen: «Immer mehr Hausbesitzer müssen ihr Heim verkaufen. Bereits beginnen die Immobilienpreise zu sinken. Fachleute rechnen, dass Liegenschaften rund 20 Prozent billiger werden.»
Die Experten täuschten sich
Die Fachleute sind damals viel zu optimistisch. Im Februar 1992 ist zu lesen: «Für Bauland muss in einigen Regionen der Schweiz um 30 bis 50 Prozent weniger bezahlt werden als vor zwei Jahren.»
Der Immobilien-Crash hat natürlich auch Auswirkungen auf die Banken, die Hypothekarkredite abschreiben müssen. Im März 1992 schreibt die SDA: «Zählte die Schweizerische Nationalbank Ende 1989 noch 210 regionale Geldhäuser, so waren es Ende 1991 noch 189. Konjunktureller Frost und sinkende Immobilienpreise haben strukturelle Mängel schonungslos aufgedeckt.»
Viele kleinere Banken sind wegen Verlusten im Hypothekargeschäft gezwungen, sich von grösseren Banken übernehmen zu lassen. Es kommt aber auch zu Konkursen wie jenem der Spar- und Leihkasse Thun. Sie geht wenige Monate nach ihrer 125-Jahre-Jubiliäumsfeier im Oktober 1991 bankrott. Bis dahin war sie die zweitgrösste Bank des Berner Oberlandes.
Der Crash geht weiter: Immobilienversteigerungen, Bankenkonkurse, und die Preise fallen immer tiefer. Der Teufelskreis scheint kaum zu stoppen.
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Der Nationalrat sucht Ideen, wie die Immobilienpreise gestützt werden können. Er diskutiert, ob es erlaubt werden soll, Pensionskassengelder für Immobilienfinanzierungen einzusetzen. (Damals ist nicht möglich, was heute selbstverständlich ist.) Im März 1993 stimmt der Nationalrat dafür. Die SP ist damals dagegen: Der Genfer Sozialdemokrat Jean-Nils de Dardel kritisiert, das sei ein Geschenk an die Banken, die nun leichter auf Rückzahlung der Hypotheken drängen könnten. Trotzdem: Am 1. Januar 1995 tritt das neue Gesetz in Kraft: «Bundesgesetz über die Wohneigentumsförderung mit Mitteln der beruflichen Vorsorge.»
Preishausse seit dem Jahr 1995
Damit wird der Preiszerfall gestoppt. Dessen Ausmass hält die Wochenzeitung «Cash» im Januar 1995 fest: «Bis zu 50 Prozent brachen an gewissen Lagen, vor allem im Raum Zürich, die Preise ein.» Das ist der Tiefpunkt in der Immobilienkrise.
Anschliessend setzte die Preishausse ein, in der wir uns noch immer befinden. Vielleicht neigt sie sich dem Ende zu. Denn derzeit sind es wieder institutionelle Anleger, unter anderem Pensionskassen, deren Anlagebedarf die Immobilienpreise in schwindelerregende Höhen treiben – so war es auch im Jahr 1989. Vielleicht ist dieses Mal ja alles anders, aber darauf bauen sollte man nicht.
Einigermassen sicher vor einem Immobilien-Crash ist, wer seine Immobilie heute mit mindestens 50 Prozent Eigenkapital finanziert hat. Nach einem Preiseinbruch von 40 Prozent beträgt das Eigenkapital noch knapp 20 Prozent, entspricht also den Mindestanforderungen. Allerdings sehen die meisten Banken im Kleingedruckten der Hypothekarverträge schon bei höheren Eigenkapitalquoten eine Nachschusspflicht vor. Deshalb sind nur jene wirklich auf der sicheren Seite, die ihre Immobilie heute mit einer Hypothek von maximal 30 bis 40 Prozent belehnt haben. Sie haben selbst nach einem Immobilien-Crash mit einem Preiseinbruch von 40 Prozent noch einen genügend hohen Eigenkapitalanteil.
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2 Kommentare
Der einzige Grund für diese verrückte Panikmache ist die wahnwitzige und international einmalige Situation, dass Schweizer Banken während der Laufzeit einer Hypothek Nachschuss verlangen darf.
Solange die Zahlung des Kredits problemlos erfolgt sollte dies verboten sein. 50% Beleihung? So ein wirtschaftlicher Schwachsinn. Das schreibt nur jemand, der die Immobilienwirtschaft fördern will. Oder jemand, der einfach kein Interesse an Menschen hat. Peinlich so etwas.
Hoppla, da haben Sie ja einige Beleidigungen aneinandergereiht. Jedenfalls ist der Text ein Hinweis für alle, die sich nichtmehr an die Schweizer Immobilienkrise Anfang der 90er-Jahre erinnern können. Das gab es also schon in der Schweiz. Wer darauf vorbereitet ist, muss sich auch nicht davor fürchten. Wenn die Zinsen stark steigen, ist es übrigens auch ein Vorteil, möglichst viel mit Eigenkapital finanziert zu haben.