Die «Handelszeitung» stellt die Immobilienwirtschaft ins Schaufenster: Jeden Freitag kommt eine spannende Persönlichkeit aus der Branche zu Wort und schildert ihre Sicht auf den Markt. Diese Woche lesen Sie die Einschätzungen von Michael Schiltknecht, Co-CEO des Zürcher Immobiliendienstleisters Steiner.
Die Zinsen steigen. Was sind die wichtigsten Folgen auf dem Immobilienmarkt?
Bisher zeichnet sich keine konkrete Tendenz ab. Klar ist, dass in der Schweiz die Nachfrage nach Wohnungen nach wie vor extrem hoch ist. Das Angebot kann mit der aktuellen Nachfrage nicht Schritt halten, da die Politik die Schaffung von neuem Bauland verhindert. Bei vielen Investorinnen und Investoren stellen wir derzeit jedoch eine gewisse Zurückhaltung fest.
In den letzten Jahren ist der Leerstand bei Mietwohnungen gestiegen, doch nun hat der Trend geändert, Wohnungen lassen sich vielerorts wieder einfacher vermieten. Mit welcher weiteren Entwicklung rechnen Sie beim Leerstand?
Der Leerstand ist so tief wie fast noch nie. Er ist sogar vielerorts auf unter 1,5 Prozent gefallen – und ein so tiefer Wert wird als Wohnungsnot bezeichnet. Wir sind der Meinung, dass der Leerstand hierzulande noch weiter sinken wird.
In weiten Teilen der Wirtschaft steigen die Preise, auch Bauen ist teurer geworden. Wie gelingt es Steiner, trotz dem Kostenschub weiterhin bezahlbare Wohnungen zu erstellen?
Wir haben mit Live & Work ein Gefäss für den gemeinnützigen und erschwinglichen Wohnungsbau initiiert. Als mögliche Lösungen dafür, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, sehen wir alternative Finanzierungsinstrumente, einfaches Bauen und natürlich das Geschick, einigermassen bezahlbares Land zu erhalten.
Immer mehr Menschen arbeiten von zu Hause aus. Was sind die Folgen des Aufschwungs von Homeoffice für die Vermarktung von Bürofläche – lassen sich schlecht gelegene Bürogebäude überhaupt noch vermieten?
Unsere Büroentwicklungen befinden sich mehrheitlich an guten städtischen Lagen, wo die Nachfrage weiterhin hoch ist. Eigene Statistiken über den Vermarktungserfolg von schlecht gelegenen Büro- und Gewerbegebäuden haben wir nicht.
Häufig entstehen im Erdgeschoss von Wohnüberbauungen Ladenflächen – weil Auflagen und Vorschriften eine Mischnutzung verlangen. Wie stellen Sie bei Ihren eigenen Projekten sicher, dass die Geschäftsräumlichkeiten nicht leer stehen?
Es gibt andere Konzepte zur Belebung von Erdgeschossen und damit des öffentlichen Raumes als nur Ladenflächen. Das Thema «öffentlicher Raum» und seine Belebung beschäftigt uns schon länger. Aus dieser Auseinandersetzung ergeben sich interessante Lösungsvorschläge.
Beim Entwicklungsprojekt Glasi-Quartier in Bülach war es von Beginn weg unser Ziel, einen lebendigen Ort mit einer hohen wohnlichen Dichte für alle Lebensphasen zu erschaffen. Deshalb werden hier nebst klassischen Läden beispielsweise auch Restaurants, ein Pflegezentrum, eine Konditorei mit integriertem Café sowie ein Medical-Center ihre Tore öffnen.
Diese Mischung an Angeboten wird zusammen mit der herausragenden Architektur und dem cleveren Verkehrssystem für eine hohe Kundenfrequenz und Lebensqualität sorgen.
Welche attraktiven Nischen gibt es für professionelle Investorinnen und Investoren im Immobilienmarkt – und zählen Studentenwohnheime, Mikroapartments und Laborgebäude dazu?
Für die Immobilienbranche trifft es zu, dass fast alle den gleichen Trends folgen. Für unseren Erfolg ist das Identifizieren von Nischen sehr wichtig.
Wir verfolgen systematisch aktuelle Entwicklungen und bewerten die Standortattraktivität und die zukünftige Nachfrage etwas breiter und differenzierter als die meisten Bewerter. Ihnen fehlt meistens der Blick in die Zukunft.
Wir erachten Studentenwohnheime und Laborgebäude als interessante Nischen. Gerade erst haben wir mit einem innovativen Startup eine Partnerschaft im Bereich Laborgebäude beschlossen. Dank der Partnerschaft werden wir bei unseren Gewerbeprodukten künftig auch Flächen für den Life-Sciences-Bereich anbieten.
Für Studierende haben wir das Konzept eines Studentenhotels als hybride Hotelform entwickelt. Das erste Projekt wird derzeit in St. Gallen umgesetzt, und wir freuen uns auf die Fertigstellung im Jahr 2024.
Steiner ist auch in Indien tätig, dem Herkunftsland der Eignerin HCC. Wo unterscheidet sich der indische Immobilienmarkt vom Schweizer Markt?
Es gibt gewisse Gemeinsamkeiten. So ist beispielsweise der Boden in den indischen Grossstädten ebenfalls sehr teuer und der Grundstückkauf kann über 80 Prozent der Anlagekosten ausmachen.
Allerdings ist Indien ein riesiges Land mit vielen unterschiedlichen Teilmärkten, welche teilweise extrem unterschiedlich funktionieren. Deshalb lässt sich diese Frage nicht pauschalisiert beantworten.
Michael Schiltknecht beantwortete die Fragen schriftlich.